Bauführerin Brogini: «Ich gehe nicht in einem 'Röckli' arbeiten»

Bauführerin Brogini: «Ich gehe nicht in einem 'Röckli' arbeiten»

07.03.2017, 16:08

Claudia Brogini, Bauführerin, spricht über die Herausforderungen einer Frau, die sich in einer Männerwelt durchsetzen muss.

Sie sind in einem Familienunternehmen gross geworden. Ihr Vater führt ein mittelgrosses Bauunternehmen. War für Sie schon immer klar, ebenfalls in diese Branche einzusteigen?

Jein. Bis zur Sekundarschule hatte ich schon noch andere Träume. Zum Beispiel Tierpflegerin oder Tierärztin. Oder etwas im kreativen, künstlerischen Bereich. Aber mit etwa 14 Jahre war für mich klar, dass ich in unseren Familienbetrieb einsteigen möchte.

War es der Wunsch der Eltern, Sie im Familienbetrieb zu haben?

Nein gar nicht. Ich werde das immer gefragt, aber das war nicht so. Meine Schwester konnte sich auch frei entfalten. Sie hat Modedesign studiert.

Haben Sie sich jemals Sorgen gemacht, im von Männern dominierten Baugewerbe nicht akzeptiert zu werden?

Damals als ich die Maurer-Lehre begonnen habe, eigentlich nicht. Mir kam gar nicht in den Sinn, dass ich ein Ausnahmefall bin. Erst heute ist es so, dass ich das Gefühl habe, mich als Frau stärker behaupten zu müssen. Früher ging ich etwas lockerer damit um.

Vielleicht weil Sie jetzt Bauführerin sind?

Ja, das auf jeden Fall. Zwar ist es so, dass mich die Leute ja schon vorher auf dem Betrieb gekannt haben. Dennoch gab es solche, die ein Problem damit hatten, mich plötzlich als Chefin vor sich zu haben.

Wie hat sich das geäussert?

Ich wurde nicht konkret beleidigt oder angegriffen. Aber ich habe es trotzdem gemerkt. Einige gingen mir entweder eher aus dem Weg oder haben mich weniger unterstützt, als ich es vorher gewohnt war.

Haben sie vielleicht nichts gesagt, weil Ihr Vater das Unternehmen führt?

Ja das ist sicher so. Ich habe schon gemerkt, dass hinter meinem Rücken geredet wird, aber niemand direkt die Meinung gesagt hätte.

Wie haben Sie den Übergang von Tochter zur Bauführerin im eigenen Unternehmen erlebt. Fühlen Sie sich frei genug, eigene Entscheidungen zu treffen und Ideen zu verwirklichen?

Mein Vater ist ein Patriarch und hat das Unternehmen immer selbständig geleitet. Da muss ich schon mit handfesten Argumenten auffahren, um etwas durchzusetzen. Er muss immer klar sehen, dass etwas zeitbringender oder effizienter ist und lässt nicht einfach machen. Aber dann ist es schon möglich, eigene Ideen durchzubringen.

Sie müssen sich auch ausserhalb des Unternehmens zum Beispiel gegenüber der Bauleitung oder Architekten behaupten. Hatten Sie jemals das Gefühl, als Frau anders wahrgenommen zu werden?

Es gibt durchaus auch Situationen, wo ich denke, einem Mann hätten sie das jetzt nicht so gesagt.

Zum Beispiel?

Einmal hat mir ein Architekt gesagt, ich soll von der Baustelle verschwinden. Ich hatte damals meinen Standpunkt vertreten und bin ihm ins Wort gefallen. Das war er sich glaub ich nicht so gewohnt, schon gar nicht von einer Frau.

Wie haben Sie reagiert?

Daran hatte ich schon zu knabbern. Zuerst war ich perplex. Ich blieb zwar ruhig, aber in mir hat es gekocht. Ich habe ihn dann am Abend angerufen und gesagt, dass das so nicht geht. Man kann normal miteinander reden und einander mit Respekt begegnen. Das Verhältnis hat sich dann gebessert. Wenn Sprüche zu weit gehen, dann sage ich das auch und schlucke nicht. Ich bin halt ein emotionaler Mensch. Aber ich habe über die Zeit gelernt, solche Reibereien nicht mehr allzu nah an mich ranzulassen.

Muss man tough sein, um als Frau in dieser Männerdomäne klar zu kommen?Ja, glaube ich schon. Ich bin zwar nicht so schlagfertig. Ich habe das aber teilweise durch mein Äusseres kompensiert. Zum Beispiel durch meine Tattoos.

Das heisst, Sie hätten keine Tattoos wenn Sie nicht auf dem Bau arbeiten würden?Doch schon, aber wahrscheinlich nicht in diesem Ausmass (lacht). Nein, ich habe schon das Gefühl, dass ich das gemacht habe, um gegen aussen härter wahrgenommen zu werden, nicht nur auf dem Bau. Aber auch, weil in meinem Beruf alles nach Plan laufen muss. Bei meinem Körper kann ich meine Kreativität ausleben.Man sagt, Frauen in Führungspersonen verlieren etwas an Weiblichkeit, weil sie eben tough und hart sein müssen. Finden Sie das auch?Als Kind bin ich glaub ich ein halber Junge gewesen. Ich bin auch Motorrad gefahren oder ins Thaiboxen gegangen. Da wollte ich gar nicht so Frau sein, sondern eben tough. Mittlerweile ist das anders. Ich stehe zu meiner emotionalen Seite. Dennoch würde ich jetzt nicht gerade mit einem «Röckli» arbeiten gehen. Da passt man sich schon an. Also ja, die Weiblichkeit geht etwas verloren.

Wenn Sie zurückschauen, würden Sie sich nochmals für den Beruf entscheiden?Ich habe schon Phasen, wo ich überlege, ob ich in einem anderen Job glücklicher wäre. Ich glaube das hat jeder manchmal. Vor allem im Sommer, wenn viel los. Da komme ich schon mal an meine Grenzen. Auch weil ich aus der Baustelle das Beste erreichen will und mir selber Druck mache. Ich habe aber einen grossen Rückhalt im Betrieb, nicht zuletzt von meinem Vater. Im Grossen bin ich zufrieden mit meinem Job, denn es ist ein schöner Beruf. (sda)

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