Die Luft im Gerichtssaal in Zürich ist zum Schneiden dick. Auf den Zuschauerreihen sitzen fast ein dutzend Freunde des verstorbenen Vigan M.*, Fotos des damals 23-Jährigen hängen an den Brusttaschen ihrer Hemden. An der Anklagebank stehen Shivan M., S. H.* und M. M.*.
Immer wieder müssen die drei Beschuldigten schildern, was sich in der Nacht des 14. Juli 2012 vor dem Zürcher Club Kaufleuten zugetragen hat. Und obwohl Richter Roland Heimann während der rund dreistündigen Einvernahme viele Fragen stellt und viele Antworten erhält, bleiben zahlreiche Umstände ungeklärt.
«Hier drin lügen Leute», sagte Richter Heimann, nachdem sich alle drei geäussert hatten, «entweder einer oder zwei». Denn die Schilderungen von S. H. und M. M. widersprechen denjenigen von Shivan M. Dieser schilderte als erster die Tatnacht. Mit hängenden Schultern, murmelnd und leise erzählte er. Die Aussagen klangen einstudiert, Gegenfragen des Richters beantwortete er einsilbig.
«Es war alles gut an diesem Abend, bis ich aus dem Club lief, um eine zu rauchen, und von der Gruppe von Vigan M. grundlos angegriffen wurde», sagt Shivan M. Dann, so wiederholt er immer wieder, sei er die ganze Zeit unter Schock gestanden. Er habe S. H. per Telefon gebeten, nach Zürich zu kommen, «um zu schlichten», dann habe er diesen am Bahnhof Tiefenbrunnen abgeholt.
Während der Fahrt habe ihm H. ein Messer gegeben. «Ich weiss nicht warum», sagte Shivan M. «Ich habe es einfach genommen.» Dann sei alles sehr schnell gegangen. Vor dem Kaufleuten habe er auf Vigan M. eingestochen. «Ich war verzweifelt und hatte Angst. Vigan M. hatte geschrien und einen Schritt auf mich zugemacht.»
S. H. aber, der der Gehilfenschaft zu Mord angeklagt ist, will nichts mit dem Tatmesser zu tun haben. Shivan M. habe schon ein Messer dabeigehabt, als er ihn vom Bahnhof Tiefenbrunnen abgeholt habe. Er selber sei nur gekommen, um in der Sache zu schlichten.
Auch M. M., der der Begünstigung bei einem Tötungsdelikt angeklagt ist und Shivan M. – mit 20 Franken – bei der Flucht nach Norwegen geholfen haben soll, behauptet, Shivan M. habe schon ein Butterfly-Messer im Auto gehabt. Er habe es Wochen zuvor von einem Freund bekommen.
Richter Heimann wird das Urteil morgen Nachmittag fällen. Bis dahin werden die Verteidiger und Ankläger ihre Plädoyers halten.
*Namen der Redaktion bekannt