Radio SRF 1 nervte in den letzten zwölf Tagen! Man konnte den Sender einschalten, wann immer man wollte, stets überfiel einen der Begriff «pilgern». Und zwar in allen Formen: Der Pilger, die Pilger, Pilgerweg, Pilgerreise, Pilgerstart, Pilgerziel usw.
Gefühlt jede Stunde mindestens eine penetrante Ankündigung, die eines dieser Wörter enthielt. Begleitet von regelmässigen Liveschaltungen zu den Pilgern der Nation, die wie vor 500 Jahren zur Zeit der Reformation auf heiligen Pfaden von Basel nach Freiburg wanderten.
Mit von der Partie war auch die Sendung Schweiz aktuell des TV-Senders SRF 1, deren tägliche Beiträge aber wesentlich geniessbarer waren, weil sie ruhiger und unaufgeregter daherkamen.
Motor der Truppe war der Radiomann Ralph Wicki («Nachtclub»). An ihm lag es aber nicht, dass die Reise – an sich ein attraktiver Stoff – der fünf Pilger penetrant gepuscht wurde. Verantwortlich war das Moderatorenteam, das mit seiner gespielten Begeisterung suggerierte, die Nation sei exklusiver Zeitzeuge einer Sensation der höheren Art.
Ärgerlich war auch, wie die Radiogemeinde mit frommen Themen berieselt wurde. Unsere Pilger übernachteten oft an «heiligen» Orten, wie es bei Pilgerreisen zum Programm gehört. Dort wurden sie von Geistlichen, Mönchen und Nonnen empfangen, wie die geneigten Radiohörerinnen und -hörer miterlebten.
Dabei durften auch die frommen Wünsche nicht fehlen. Gott möge die tapferen Pilger beschützen, sie begleiten, ihnen beistehen, ihnen Kraft und Zuversicht geben.
Das war schwer verdauliche Kost beim Zähneputzen am Morgen oder während der Autofahrt. Der Radiosender lieferte immer wieder ein Gottesbild, das man allenfalls noch Kindergartenschülern zumuten kann. Da wurde einem breiten Publikum suggeriert, Gott werfe stets ein waches Auge auf die fromme Truppe und beschütze sie vor Gefahren. (Nur: vor welchen? Etwa vor Wölfen und Bären?)
Hätte sich ein schwerer Unfall ereignet, wäre die Rega schneller zur Stelle gewesen als Gott. Menschliche Hilfe – nämlich im Operationssaal – wäre dann wohl effizienter gewesen als himmlische.
Die katholische Kirche freute sich ungemein über die flächendeckende Radioaktion. Tagelange PR von morgens früh bis abends spät. Ein unbezahlbarer Werbespot. Die gebeutelte Kirche, die nach ihren Skandalen gegen Imageverlust und Exodus kämpft, konnte sich von ihrer schönen Seite zeigen. Die Nonnen und Mönche wirkten denn auch fürsorglich und sympathisch.
Fehlte nur noch die Abmoderation «Präsentiert von Gott persönlich» oder «gesponsert von Bischof Vitus Huonder». Dumm nur, dass das Kirchenleben und die Kirchenpolitik kein Pilgerweg sind. Und schon gar nicht wie vor 500 Jahren, als die Kirche noch ein politischer Machtfaktor war und die Gläubigen das Fürchten lehrte.
Davon vernahmen die Radiohörerinnen und Fernsehzuschauer kaum etwas. Es hätte die Idylle zwischen Basel und Freiburg gestört.
PS: Ralph Wicki hätte übrigens bei einem historischen Film den perfekten Jesus abgegeben – bis hin zu seiner markanten sonoren Stimme.