Der Bundesrat will den Notfallschutz im Falle eines AKW-Unfalls verbessern. Er hat am Freitag die entsprechende Verordnung in die Vernehmlassung geschickt. Im Kern geht es darum, dass von einem schwerwiegenderen möglichen Zwischenfall ausgegangen wird.
Die Notfallschutzverordnung (NFSV) regelt den Notfallschutz für Ereignisse in schweizerischen Kernanlagen, bei denen eine erhebliche Freisetzung von Radioaktivität nicht ausgeschlossen werden kann. Sie soll das künftige Kerndokument für die Bewältigung eines Unfalls in einem Atomkraftwerk sein.
«Beim Notfallschutz geht es darum, die betroffene Bevölkerung im Fall von erhöhter Radioaktivität zu schützen, sie in einer Übergangsphase zu betreuen, mit dem Nötigsten zu versorgen und möglichst bald den Normalzustand wieder zu erreichen», heisst es in dem der Verordnung zugrunde liegenden Konzept.
Defekt des Sicherheitsbehälters
Neu soll das Referenzszenario A4 bei mittlerer Wetterlage gelten. Will heissen: Der Notfallschutz muss künftig auf einen Störfall mit schwerem Kernschaden bei Versagen des Sicherheitsbehälters und einer ungefilterten Freisetzung von Radioaktivität konzipiert sein. Bisher haben sich die Behörden lediglich auf einen Unfall mit einer gefilterten Freisetzung (Referenzszenario A2) einstellen müssen.
Dadurch können Notfallschutzmassnahmen in einer Distanz von deutlich über zwanzig Kilometer zu einer Kernanlage erforderlich werden. Neu soll etwa der grossräumigen Evakuierung ein grösseres Gewicht beigemessen werden. Zudem wird unter anderem die Unterbringung und Versorgung der Evakuierten geregelt.
Möglichst schnell handeln
Der Bundesrat schreibt in einer Mitteilung von einer «grundsätzlichen Verschärfung der Planungsannahmen», da man neu von grösseren Mengen von ungefiltert freigesetzter Radioaktivität ausgehe.
Primär gehe es darum, akute Strahlenerkrankungen zu vermeiden und die Anzahl der Strahlenspät- und Erbschäden möglichst gering zu halten. Um diese Ziele zu erreichen, müssten die Schutzmassnahmen möglichst vor Austritt oder Eintreffen von radioaktiven Stoffen angeordnet werden.
Fukushima als Wendepunkt
Seinen Ursprung hat die revidierte Verordnung in der Atomkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011. Damals ordnete der Bundesrat eine umfassende Analyse des Notfallschutzes in der Schweiz an. Er setzte eine interdepartementale Arbeitsgruppe zur Überprüfung der Notfallschutzmassnahmen bei Extremereignissen in der Schweiz (IDA NOMEX) ein. Die Erarbeitung des Verordnungsentwurfs erfolgte dann in einer Arbeitsgruppe von Bund, Kantonen und AKW-Betreibern.
Die Vernehmlassung zur Totalrevision der Verordnung über den Notfallschutz in der Umgebung von Kernanlagen dauert bis zum 25. September. Weitere Anpassungen der rechtlichen Grundlagen sind geplant oder bereits in der Umsetzung. Es geht beispielsweise um die Änderung der ABCN-Einsatzverordnung, der Alarmierungsverordnung, der Verordnung über die Nationale Alarmzentrale und der Strahlenschutzverordnung. (sda)