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Der Abfallsack als Intimzone der Volksseele

Der Müll hier ist übrigens echt, der Dialekt auch: Michael, Gabriel, Olifr als Abfalldetektive.Bild: Jan Sulzer
«Güsel – Die Abfalldetektive» neu auf SRF

Der Abfallsack als Intimzone der Volksseele

Gabriel Vetter, Olifr M. Guz und Michael von Burg sind Müllflüsterer. Und die Stars der ersten Web-Serie von SRF.
26.04.2014, 17:1323.06.2014, 09:58
Simone Meier
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Es gibt den Rhein. Am Rhein wiederum gibt es Schaffhausen und Basel. Letzteres ist von ersterem aus gesehen ein Drecks- und Rattenloch, ein vollgemüllter Moloch, dessen Bewohner jeder Sinn für die korrekte Schönheit des Abfallwesens abhanden gekommen ist. Jedenfalls ist das so für die drei Herren von der Müll-Detektei, für Gabriel, Olifr und Michael aus der ersten Web-Serie des Schweizer Fernsehens, die am Montag auf SRF gestartet ist.

Michael ist ausgebildeter Waldkindergärtner, wurde aber entlassen, weil er beim Schlangenbrot-Backen ein paar Bäume abfackelte, dabei möchte er doch so gerne was mit Menschen, Tieren oder Holz machen. Und nicht nur mit knapp abgelaufenen Joghurts, die er aus dem Abfall der andern fischt. Seine Methode, an Türen zu klopfen, hat er dem Nerd-Autisten Sheldon aus «Big Bang Theory» abgeschaut. Gabriel, der gern im Dreisprung denkt, sieht sich karrieretechnisch schon bald woanders: «Mülldetektei, Kantonspolizei, FBI.»

Rucola, das Efeu der Gentrifizierung

Nur Olifr hat keinerlei Ambitionen. Dafür weiss er, dass die Nasa ein Kamel züchtet, das so klein ist wie eine Katze, und stört sich am Geräusch, das Gehörlose machen, wenn sie mit den Händen sprechen. Im Ruheabteil! Die Witze, die hier gemacht werden, kommen wahrlich nicht vom üblichen Schweizer Klischee-Kompost. Umso erstaunlicher ist, wie sehr sie den Abfallsack als Intimzone der schweizerischen Volksseele zu entblössen wissen.

Olifr, das ist der berühmte Olifr M. Guz, der Sänger der Aeronauten, Michael von Burg gehört zum schweizerischen Schauspielnachwuchs, und Gabriel Vetter, den Slammer, Satiriker und Kolumnisten müsste man eigentlich nicht vorstellen. Wenn da nicht plötzlich dieser seltsame Hang zum Güsel wäre. Denn Gabriel Vetter hat die neun mal circa zehn Minuten der «Abfalldetektive» geschrieben und mitproduziert, und es zeigt sich da eine innige Kenntnis des Innenlebens helvetischer Abfallsäcke. Woher stammt zum Beispiel das Wissen, dass sich heutzutage in jedem Abfallsack Rucola findet? Ja, dass Rucola gar «das Efeu der Gentrifizierung» ist?

Das orange Gwändli zieht Guz seit den Dreharbeiten nur noch ungern aus.
Das orange Gwändli zieht Guz seit den Dreharbeiten nur noch ungern aus.Bild: Jan Sulzer

«Ich habe als Schüler jeweils in den Ferien in Stein am Rhein bei den Müllmännern gearbeitet. Ich fand den Job grossartig; die Abfalltour, das Orange überall, und vor allem die Znünipausen», schreibt Gabriel Vetter aus Wien, wo er gerade das Burgtheater gesucht und zur Antwort bekommen hat, es sei gegenüber vom McDonald's. «Die Znünipausen sind sozusagen das Herzstück dieser Serie. Diese Znünipausen mit ihrer eigenartigen Komik, die entsteht, wenn 7 Männer vor Cervelat-Schalen sitzen und alles gesagt ist, aber die Znünipause noch 20 Minuten dauert. Und wie dann die Stille gebrochen wird mit Fülllauten wie ‹Soso› oder ‹Jo gell, es isch wes isch›.»

Gedreht wurde auf der Probebühne eines Schaffhauser Kleintheaters, «die Räume sind in einer alten Grossmetzgerei, und drum stimmte das Ambiente auch sofort». Zu Recherchezwecken fuhr Gabriel Vetter im letzten Sommer auch noch einmal auf dem Güselwagen mit und ging in Basel mit echten, aber widerspenstigen Abfalldetektiven auf die Arbeit: «Da wollten sie mich erst gar nicht ranlassen, weil sie Angst haben, sie bekämen zu viel Publicity, und die Abfallsünder würden dann die Tricks kennen.»

Guz zieht seine Müllmannweste nicht mehr aus

Gabriel, Olifr und Michael, die Herren von der Herblinger Mülldeponie, sind allesamt Schaffhauser, es herrscht bei ihnen also ein naturgegebener dialektaler Gleichklang, und auch wenn man den nicht unbedingt als Wohlklang wahrnehmen muss, so ist es doch frappierend, wie sehr das alles stimmt, der Rhythmus, die Sprechdramaturgie, die Stimmung dieses Unorts, wo sich die drei Herren vom Müll Tag für Tag aufhalten und sich gemeinsam in der Steigerung von Pedantentum üben. Und so wohl fühlen sie sich darin, dass Guz seine orangfarbene Müllmännerweste seit den Dreharbeiten nicht mehr ausgezogen hat und auch bei Aeronauten-Konzerten trägt.

Die drei befänden sich «an der Peripherie der Peripherie», hat die WoZ geschrieben und hat damit vollkommen recht, etwas so Randständiges wie diese Müllgrübler hat man selten gesehen (gut, die gediegene Fassung davon spielte letztes Jahr Bruno Cathomas im reizenden Schweizer Film «Recycling Lily», der leider allzu schnell aus den Kinos entsorgt wurde). Und das Wort «Schnüffelstaat», das findet hier endlich zu seiner wahren Bedeutung. 

Neue Web-Serie von SRF
«Güsel – Die Abfalldetektive» ist eine von sechs Web-Only-Miniserien, die 2013 von der SRG aus fast 200 Projekten ausgewählt wurden. Jede Serie wurde mit 100’000 Franken unterstützt. «Güsel» entstand exklusiv für SRF, aber auch RTS, RSI und RTR werden Web-Serien ausstrahlen.

Die neun Minifolgen von «Güsel» werden am 28., 29. und 30. April auf www.srf.ch aufgeschaltet. 
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