International
Schweiz

Threema-Gründer: «Massenüberwachung bietet Scheinsicherheit»

Threema, Telegram und WhatsApp: Drei Messenger-Apps, die vom sogenannten Islamischen Staat zur verschlüsselten Kommunikation empfohlen werden. 
Threema, Telegram und WhatsApp: Drei Messenger-Apps, die vom sogenannten Islamischen Staat zur verschlüsselten Kommunikation empfohlen werden. 
Bild:

Threema-Gründer: «Massenüberwachung bietet höchstens eine Scheinsicherheit»

Die Schweizer SMS-App Threema ist von der «SonntagsZeitung» als Terroristen-App abgestempelt worden. Nun äussert sich Mitgründer Martin Blatter zu den Vorwürfen. 
23.11.2015, 17:47
Mehr «International»

Die Titel waren unmissverständlich: «Terroristen benutzen Schweizer SMS-Dienst» und «Die Terrormiliz IS verschickt Nachrichten über Server in der Schweiz». Diese Vorwürfe der «SonntagsZeitung» können zwar in den zugehörigen Artikeln nicht belegt werden, sind aber trotzdem unangenehm für das Schweizer Startup Threema, über dessen App Nutzer Chat-Nachrichten verschlüsselt und ungespeichert austauschen können. Die «SonntagsZeitung» behauptete auch, dass Schweizerische Sicherheitsbehörden bei Threema um Herausgabe von Daten gebeten, diese jedoch nicht erhalten hätten. Ob die angeblichen Anfragen in Zusammenhang mit einer Terror- oder allenfalls «IS»-Ermittlung standen, führte die «SonntagsZeitung» nicht weiter aus.

Martin Blatter
Der 40-Jährige hat 2013 zusammen mit Silvan Engeler und Manuel Kasper die End-zu-End-Verschlüsselungs-App Threema lanciert. Die Messenger-App, die keinerlei Informationen über ihre Nutzer oder deren Interaktionen anfordert oder speichert, ist verschiedentlich von islamistisch-extremistischen Organisationen empfohlen worden

Nach einer Gegendarstellung, in der Threema die Kernpunkte der «SonntagsZeitungs»-Artikel dementiert, äussert sich Threema-Mitgründer Martin Blatter ausführlicher zu den Vorwürfen*: 

Herr Blatter, Ihre App ist dieses Wochenende quasi als bevorzugtes Kommunikationsmittel von Terroristen abgestempelt worden. Wahr oder falsch? 
Es gibt keinerlei Beweise, dass Threema zu diesem Zweck missbraucht wurde. Threema wird in erster Linie von Millionen ehrlicher Bürger benutzt, die ihr Recht auf Privatsphäre wahrnehmen möchten. Die verschlüsselte Kommunikation ist in totalitären Staaten für Dissidenten oder Angehörige religiöser oder sexueller Minderheiten oft die einzige Möglichkeit, Vertrauliches auszutauschen.  

Threema
AbonnierenAbonnieren

Dennoch verlangen die Geheimdienstler, allen voran CIA-Chef John Brennan, dass Anbieter von Verschlüsselungstechnologien, ihre Codes gegenüber Geheimdiensten und Strafverfolgern offenlegen.
Das können die gerne verlangen. Aber letztlich handelt es sich bei den aktuellen Ereignissen um globale politische und gesellschaftliche Probleme, die an der Wurzel gelöst werden müssen. Massenüberwachung bietet höchstens eine Scheinsicherheit, denn Täter werden immer einen Kommunikationsweg finden. Das kann auch eine einfache Postkarte mit codiertem Text in Form von unverdächtigen Feriengrüssen sein. 

«Es ist wohl ein schweizerisches Phänomen, dass man die eigenen Erzeugnisse schlecht macht. Wieso auch immer.»

Auch aus Imagegründen hat die in England angeprangerte Chat-App Telegram angekündigt, verdächtige Gruppenchats auszusortieren und zu sperren. Wäre das bei Threema nicht auch möglich? 
Nein. Threema hat keine öffentlichen Kanäle wie Telegram. Der Fall ist deshalb nicht vergleichbar. Die Verschlüsselung von Threema erlaubt es nicht, Inhalte zwischen Sender und Empfänger zu entschlüsseln und so eine Unterscheidung zwischen «guten» und «bösen» Nachrichten vorzunehmen. 

Das ist vielleicht auch ein Grund, warum Threema als besonders «terroristenfreundliche» App, gebrandmarkt wird. 
Nur hierzulande. In den USA wird iMessage von Apple als von terroristischen Organisationen bevorzugte Messenger-App kritisiert. Es ist wohl ein schweizerisches Phänomen, dass man die eigenen Erzeugnisse schlecht macht. Wieso auch immer.

Wie sehr schadet Ihnen die aktuelle Berichterstattung? 
Wir haben die fraglichen Medien um Berichtigung gebeten, da die wesentlichen Punkte in den Artikeln, inklusive der Schlagzeilen, faktisch falsch sind und nicht den Tatsachen entsprechen. Direkt finanzielle Auswirkungen hat die Berichterstattung nicht. Threema ist eigenfinanziert​, da gibt es also keine Investoren, die deswegen abspringen könnten. 

* Threema-Mitgründer Martin Blatter hat die Fragen schriftlich beantwortet.

Angriff auf Paris
AbonnierenAbonnieren

Die Attentäter von Paris

1 / 12
Die Attentäter von Paris – was bis jetzt bekannt ist
(1) Ein Attentäter versucht am Portal D ins Stadion zu gelangen, wo das Spiel Frankreich – Deutschland stattfindet. Er scheitert, sprengt sich vor dem Stadion selbst in die Luft und tötet einen weiteren Menschen.
(2) Um 21.25 Uhr schiessen Attentäter in der Rue Alibert im Restaurant Le Petit Cambodge und in der Bar Le Carillon mit Schnellfeuergewehren und töten 15 Menschen.
(3) Um 21.30 Uhr sprengt sich ein weiterer Attentäter nahe Portal H in die Luft.
(4) Um 21.32 Uhr fallen Schüsse in der Rue de la Fontaine-au-Roi vor der Pizzeria La Casa Nostra und dem Café Bonne Bière in der Rue Faubourg-du-Temple. 5 Menschen sterben.
(5) Um 21.36 Uhr erreichen die Täter das Restaurant La Belle Equipe. Im Kugelhagel sterben 19 Menschen.
(6) Am Boulevard Voltaire sprengt sich um 21.40 Uhr ein Mann am Café Comptoir Voltaire in die Luft. Mehrere Menschen werden verletzt.
(7) In der Konzerthalle Bataclan am Boulevard Voltaire schiessen um 21.40 Uhr drei Terroristen wahllos in die Menge. Bei dem Angriff sterben 89 Menschen.
(8) Um 21.53 Uhr zündet ein Attentäter in der Rue Cokerie in der Nähe des Stadions vor einem Burger-Restaurant seinen Sprengsatz.
(9) Terror-Razzia in Saint-Denis am 18. November 2015.

... Mehr lesen
Auf Facebook teilenAuf X teilen

[viw,21.03.2016] Anschläge in Paris

Alle Storys anzeigen

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
8 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
atomschlaf
23.11.2015 18:18registriert Juli 2015
Frankreich erlaubt bereits seit einigen Jahren eine sehr umfassende Überwachung, was die Anschläge in Paris aber offenbar auch nicht verhindern konnte.
Ausserdem muss man sich bewusst sein, dass man der Wirtschaftsspionage Tür und Tor öffnet, wenn sichere Verschlüsselungverfahren aushebelt, indem man staatlichen Stellen Hintertüren öffnet.
471
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pia No
23.11.2015 18:53registriert November 2015
Dass Geheimdienstler von einem Fichenstaat 2.0 träumen, ist nicht weiter verwunderlich, dass aber Medien so bereitwillig in den Abgesang auf die Privatsphäre einstimmen, ist auch angesichts der aktuellen Ereignisse eher erstaunlich. Seit dem Tag, an dem WhatsApp durch Facebook geschluckt wurde, verwende ich nur noch Threema, und daran wird sich auch fortan nichts ändern.
462
Melden
Zum Kommentar
avatar
Triesen
23.11.2015 18:46registriert Oktober 2015
In einem Punkt hat Martin Blatter Recht. Terrorismus ist ein politisches und gesellschaftliches Problem. Nach jedem Anschlag wird mehr Sicherheit verlangt und dann passiert es wieder. Es gibt nur eine Lösung: Ursachenforschung! Menschen werden nicht als Terroristen geboren, sie werden zu Terroristen gemacht. Die Fragen lauten: Wer macht sie warum dazu und warum sie mit? Die eine oder andere Antwort könnte die USA und ihre (Erdöl)Aussenpolik betreffen. Am Anfang war der Iran (1953)...
485
Melden
Zum Kommentar
8
Stadt Zürich senkt Gebühren im Einbürgerungsverfahren

Einbürgerungswillige sollen in der Stadt Zürich für ihr Gesuch weniger bezahlen müssen: Der Gemeinderat will die Gebühr auf 500 Franken festsetzen – und zudem die Ausnahmeregeln erweitern.

Zur Story