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Eritrea-Debatte: Didier Burkhalter ist «schockiert und empört» über Thomas Minder

Bundesrat Didier Burkhalter mit lädiertem Fuss am Mittwoch im Nationalrat.
Bundesrat Didier Burkhalter mit lädiertem Fuss am Mittwoch im Nationalrat.
Bild: KEYSTONE

Eritrea-Debatte: Didier Burkhalter ist «schockiert und empört» über Thomas Minder

15.06.2016, 13:4316.06.2016, 17:36
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Eritrea war am Mittwoch einmal mehr Thema im Parlament. Der Ständerat befasste sich mit parlamentarischen Vorstössen. Aussenminister Didier Burkhalter zeigte sich «schockiert» über die Haltung mancher Parlamentarier in Menschenrechtsfragen.

Die Diskussion angestossen hatten die Ständeräte Thomas Minder (parteilos/SH) und Philipp Müller (FDP/AG). Minder forderte, dass die Schweiz ihre Entwicklungshilfe verstärkt auf Länder wie Eritrea ausrichtet. Müller wollte vom Bundesrat wissen, ob die Schweiz über die Lage in Eritrea informiert sei.

«Ich kann es nicht mehr hören.»
Thomas Minder kritisierte, der Bundesrat weise stets auf die eritreischen Gefängnisse und den fehlenden Zugang zu diesen hin.

In der Debatte bezog sich Müller auch auf den jüngsten Bericht einer UNO-Kommission. Laut diesem sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Eritrea an der Tagesordnung. Berichtet wird von Sklaverei, Folter und aussergerichtlichen Hinrichtungen. Die UNO-Kommission empfiehlt den Staaten, schutzsuchende Eritreer als Flüchtlinge aufzunehmen.

«Das schockiert und empört mich.»
Didier Burkhalter über Thomas Minders Votum.

Müller kritisierte, die Medien übernähmen einseitig, was die UNO verlauten lasse. Eritrea weise die Anschuldigungen zurück. Minder stellte fest, der Bundesrat weise stets auf die eritreischen Gefängnisse und den fehlenden Zugang zu diesen hin. «Ich mag es nicht mehr hören», sagte er.

Burkhalter fragte, ob er sich bewusst sei, was er da sage. «Das schockiert und empört mich», stellte der Aussenminister fest. Die Schweiz sei das Land der Menschenrechte und der Genfer Konventionen. Über Menschenrechtsverletzungen dürfe sie nicht hinwegsehen. Das IKRK habe seit 10 Jahren keinen Fuss mehr in ein eritreisches Gefängnis setzen können. Niemand wisse, was in den Gefängnissen passiere.

«Sie aber sagen, wir sollten hingehen, uns ein wenig umschauen, ohne Bedingung einige Millionen geben und dann Menschen zurückschicken.»
Didier Burkhalter

Die Schweiz sei bereit, mit Eritrea einen Dialog zu führen, sagte Burkhalter weiter. Dafür brauche es aber den Willen von beiden Seiten. Eritrea müsse einverstanden sein, und das könne die Schweiz nicht beeinflussen. «Ich bin nicht Bundesrat in Eritrea, Gott sei Dank», sagte Burkhalter.

Einem bundesrätlichen Besuch in Eritrea, wie er immer wieder gefordert werde, sei er nicht abgeneigt. «Aber seien Sie nicht naiv»: Für einen solchen Besuch gebe es gewisse Bedingungen. «Wir lassen uns nicht instrumentalisieren», sagte Burkhalter. Italien habe zweimal einen Vize-Minister nach Eritrea geschickt, dieser sei zweimal instrumentalisiert worden.

«Ich bin nicht Bundesrat in Eritrea, Gott sei Dank.»
Didier Burkhalter

Burkhalter wies weiter darauf hin, dass in anderen europäischen Ländern keine Diskussion darüber geführt werde, ob Menschen aus Eritrea Schutz erhalten sollten oder nicht. Man sei sich einig, dass es dauern werde, bis sich die Situation verbessere.

Folter in Eritrea

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Folter in Eritrea
Zeichnungen eines eritreischen Künstlers, der Folter am eigenen Leib erlebt hat. Die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats hat sie mit seiner Erlaubnis zusammen mit ihrem Bericht veröffentlicht. Im Bild die Foltermethode «Helikopter».
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«Sie aber sagen, wir sollten hingehen, uns ein wenig umschauen, ohne Bedingung einige Millionen geben und dann Menschen zurückschicken», stellte der Aussenminister fest – ohne zu wissen, wie viele von ihnen in Gefängnissen verschwinden würden und was dort mit ihnen geschähe. Der Zugang zu Gefängnissen sei die minimale Bedingung dafür, dass es Fortschritte geben könne.

Die Interpellation von Müller ist mit der Diskussion erledigt. Den Vorstoss von Minder hat der Ständerat zur Vorprüfung an seine Kommission zurückgeschickt. Er wird später darüber befinden. (whr/sda)

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels hiess es, Burkhalter sei über seinen Parteikollegen Philipp Müller «schockiert und empört» gewesen. In Wirklichkeit bezog sich sein Votum auf eine Aussage des Schaffhauser Ständerats Thomas Minder.

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31 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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icarius
15.06.2016 15:00registriert Juli 2015
Müller: "Einseitig und ohne zu hinterfragen werden von uns nur die Positionspapiere der Economiesuisse übernommen."
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meglo
15.06.2016 16:52registriert März 2016
Es ist schon tragisch, was aus der einst liberalen und staatstragenden FDP gewordenen ist - heute bezieht sich dieses Wort nur noch auf die Interessen der Wirtschaft. Im Bemühen die SVP rechts zu überholen, hat sie ihren Charakter verloren. Wenn Müller glaubt, so Stimmen der Rechtsnationalen zu fischen, täuscht er sich. Die wählen das traurigere Original, die SVP. Ich hoffe die FDP erhält dafür die Quittung bei den nächsten Wahlen. Der Freisinn ist tot.
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andersen
15.06.2016 13:50registriert Februar 2016
Bundesrat Didier Burkhalter sagt: Ich bin nicht Bundesrat in Eritrea, Gott sei Dank, aber Bundesrat in der Schweiz, dar Sage ich: Gott sei Dank.
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