Die «Email-Affäre» war ein Dauerbrenner im Wahlkampf 2016. Hillary Clinton, die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, hatte als Aussenministerin ihre Mail-Korrespondenz über einen privaten Server abgewickelt. Donald Trump schlachtete dies genüsslich aus und unterstellte Clinton illegale Machenschaften. «Sperrt sie ein!», riefen seine Anhänger bei Wahlkampfauftritten.
Das FBI kam zum Schluss, dass sich Clinton nicht strafbar gemacht hatte. Anrüchig war ihr Vorgehen aber allemal, denn zumindest für den Präsidenten und den Vize existiert ein Gesetz, wonach die gesamte Korrespondenz archiviert und der Nachwelt zugänglich gemacht werden muss. Mitarbeiter sind deshalb angehalten, bei der Arbeit nur Regierungs-Adressen zu verwenden.
Nun stellt sich heraus, dass ausgerechnet hochrangige Mitarbeiter von Präsident Trump es damit nicht so genau genommen haben. Am Sonntag enthüllte «Politico», dass Schwiegersohn und Berater Jared Kushner wiederholt Mails, die sich auf seine Arbeit bezogen, über eine private Adresse verschickt hat. Es seien «weniger als 100» gewesen, meinte sein Anwalt.
Am Montag berichtete das Magazin «Newsweek», dass auch Kushners Ehefrau Ivanka Trump mehrfach über eine private Mailadresse kommuniziert hatte, anfangs als inoffizielle und später auch als offizielle Mitarbeiterin ihres Vaters. Weitere Namen enthüllte die New York Times am Dienstag: Der frühere Stabschef Reince Preibus, Wirtschaftsberater Gary Cohn, Redenschreiber Stephen Miller und Ex-Chefstratege Steve Bannon hätten ebenfalls private Mailkonten verwendet.
Besonders pikant ist dies im Fall von Bannon. Er hatte Trumps Wahlkampf gegen Clinton orchestriert. Eine Bannon nahestehende Person sagte der «New York Times», der Breitbart-Chef habe praktisch nie private Mailadressen zu Arbeitszwecken verwendet. Das ist grundsätzlich auch nicht verboten, allerdings müssen solche Mails zwecks Archivierung an offizielle Adressen weitergeleitet werden.
Pressesprecherin Sarah Huckabee Sanders erklärte am Montag, das Personal des Weissen Hauses sei entsprechend instruiert worden. Ehemalige Regierungsbeamte äusserten trotzdem Kritik. Private Mailkonten seien anfällig für Angriffe aller Art. Richard Painter, der oberste Ethik-Anwalt in der Regierung von George W. Bush, bezeichnete das Vorgehen von Kushner und Clinton in der «New York Times» als «nachlässig», aber nicht strafbar.
Im Kongress ist man dennoch hellhörig geworden. Der republikanische Abgeordnete Trey Gowdy forderte das Weisse Haus auf, bis zum 9. Oktober die Namen aller hochrangigen Mitarbeiter mitzuteilen, die private Mailadressen für Regierungszwecke verwendet hätten. Jerry Nadler, ein Demokrat aus New York, forderte gegenüber «Politico» sogar eine Untersuchung durch das FBI.
Interessieren dürften die Enthüllungen auch den Sonderermittler Robert Mueller, der mögliche Kontakte von Donald Trumps Wahlkampfteam zu russischen Regierungskreisen untersucht. Er kann Provider auffordern, ihm die Mails von Kunden auszuhändigen. Das Weisse Haus will es laut «New York Times» nicht so weit kommen lassen. Trump-Anwalt Ty Cobb habe die Mitarbeiter aufgefordert, ihre Privatkonten nach Mails abzusuchen, die Mueller interessieren könnten. (pbl)