Sie reisen immer wieder nach Griechenland. Wie prekär ist die Lage wirklich?
Jakob Kohn: Was momentan in Griechenland geschieht, was auf dem Buckel der Bevölkerung ausgetragen wird, ist ganz hässlich. Die Spitäler, Kinder- und Behindertenheime leiden am meisten. Sie haben nichts mehr, können praktisch keinen normalen Betrieb aufrecht erhalten.
Wie muss man sich das vorstellen?
Eine Ärztin schilderte mir, wie ein Kind in ihren Armen gestorben ist. Sie konnte keine Infusion legen, um das Leben des Kindes zu retten, weil es im Spital keine Nadeln mehr gab. Ohne Material können auch die besten Ärzte ihren Job nicht mehr ausführen.
Herrschen überall solche Zustände?
Ja. Ich habe Berichte aus weiteren Spitälern, die beispielsweise keine Blutuntersuchungen mehr durchführen können, weil die Reagenzgläser fehlen. Auf kleinen Inseln ist die Lage noch schlimmer. Eine Frau schrieb mir, ihre Mutter sei auf der Insel Paros gestürzt und habe sich behandeln lassen müssen. Notdürftig sei sie von einem Arzt mit Material aus einer Autoapotheke behandelt worden. Schreibpapier, um die Daten des Erstbefundes zu protokollieren, gab es keines. Der Arzt musste die verletzte Frau ohne Unterlagen nach Athen schicken.
Wie genau helfen Sie, diese Not zu lindern?
Ich bin kürzlich mit meinem Renault Kangoo nach Veria in Nordgriechenland gefahren und habe einem Kinderspital persönlich Kleider übergeben, die ich in der Schweiz gesammelt hatte. Zuvor traf ich Erwin Schrümpf von der Griechenlandhilfe Österreich. Nach seinem Vorbild möchte ich Hilfe für Griechenland organisieren, wir arbeiten eng zusammen.
Wie funktioniert das?
Wir helfen nicht nur liebevoll, sondern sinnvoll und professionell. Die griechischen Kinder brauchen jetzt keine Spielsachen, sie müssen Windeln haben; die Spitäler Verbandsmaterial und Operationsbesteck. Deshalb sammeln wir in der Schweiz Geld und Hilfsmaterial, lagern dieses und bringen es dann selber zu den Spitälern, Kinder- und Behindertenheimen. Am Samstag haben wir zu dritt den Verein Griechenlandhilfe Schweiz gegründet und ein Konto eingerichtet. Zudem veröffentlichen wir in Kürze weitere Informationen auf der Homepage www.griechenlandhilfe.ch.
Den Grundstein haben Sie gelegt, wie geht es jetzt weiter?
Momentan bin ich viele Details am klären. So verhandle ich mit den Fährunternehmen Konditionen aus, damit wir die mit Hilfsgütern gefüllten Wagen möglichst günstig nach Griechenland bringen können. Und ich suche eine Firma, die uns ein Depot zur Verfügung stellt, wo Spender ihre Ware hinbringen können. Zudem organisiere ich einen grösseren Lieferwagen. Unser Ziel ist es, möglichst bald mit einer grossen Ladung nach Griechenland fahren zu können.
Welche Spenden machen am meisten Sinn?
Geld hilft. Bei meinem nächsten Griechenland-Besuch möchte ich, wie schon in einem Behindertenheim in Patras, mit dem Koch eines anderen Kinder- oder Behindertenheimes in einem Supermarkt vor Ort einkaufen gehen. Auch in der Küche fehlt es an fast allem. Grundnahrungsmittel wie Reis, Bohnen, Teigwaren sind Mangelware. Fleisch gibt es seit Wochen nicht mehr.
Und was wird bei den Sachspenden am dringendsten benötigt?
Windeln in allen Grössen, Babynahrung, Hustensirup für Kinder, Fiebermesser, Scheren und Pinzetten, Kleider, Verbandmaterial. Letzteres kann uns allenfalls der Zivilschutz liefern. Dort gibt es Verbandsmaterial mit Verfallsdatum.
Wie viel zahlen Sie sich selber aus für ihre Arbeit?
Nichts. Bei uns arbeiten alle unentgeltlich. Ich arbeite 50 Prozent als Informatiklehrer, die andere Hälfte bin ich Therapeut. Weil meine Praxis beim Unwetter vom 14. Juli überschwemmt wurde, kann ich bis auf Weiteres nicht therapieren. Gottlob blieben mein Schlafzimmer und mein Büro unversehrt. Von dort aus koordiniere ich jetzt die Griechenlandhilfe. Sie nimmt etwa 40 Prozent in Anspruch.
Was wünschen Sie sich für das Land?
Als Erstes erhoffe ich mir etwas weniger Leid für die griechische Bevölkerung. Längerfristig wünsche ich mir, dass die Griechen ihre Würde zurückbekommen und nicht mehr auf Almosen angewiesen sind.