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Wie braun sind die Grünen?

Gesunde Landarbeit: Auszeichnung für Teilnahme am Arbeitsdienst, April 1936 (Ausschnitt).
Gesunde Landarbeit: Auszeichnung für Teilnahme am Arbeitsdienst, April 1936 (Ausschnitt).Bild: Pressechronik1933.dpmu.de
Ecopop-Initiative

Wie braun sind die Grünen?

Die Ecopop-Initiative verknüpft Umweltschutz mit Bevölkerungs- und Immigrationspolitik. Das trägt ihr den Vorwurf des Rassismus ein. Doch «grün» bedeutet nicht zwangsläufig links: In der Ahnengalerie der grünen Bewegung tummeln sich auch Nazis.
09.06.2014, 16:5521.10.2014, 17:13
Daniel Huber
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«Treffen sich zwei Planeten», so beginnt ein alter Witz. «Wie geht's denn so?», fragt der eine. «Schlecht! Ich habe Mensch», antwortet der andere. Worauf der erste Planet ihn tröstet: «Ah, das hatte ich auch schon. Das geht vorbei!»

Der Witz ist gut, weil er mit einem überraschenden Perspektivenwechsel aufwartet: Planeten als Patienten, Menschen als Krankheitserreger. In dieser Pointe, wenn man sie denn ernst nehmen will, zeigt sich aber auch ein negatives Menschenbild – das Problem ist der Mensch. Und wie bei Viren und Bakterien ist es seine unkontrollierte Vermehrung, die gefährlich ist. 

Erdkrieger und Tiefenökologen

Tatsächlich gibt es ökologische Strömungen, zum Beispiel militante «Erdkrieger» von Earth First oder Anhänger der «Tiefenökologie», die in der Erde einen beseelten Organismus sehen («Gaia») und in den Menschen Parasiten, deren Zahl es zu vermindern gilt. Arne Naess, der Begründer der Tiefenökologie, sprach sich für eine Reduzierung der Menschheit auf ein «vertretbares Mindestmass» aus und erklärte, jeder Einwanderer aus einem armen in ein reiches Land schaffe – aufgrund des dort höheren Lebensstandards – «ökologischen Stress». 

Arne Naess.
Arne Naess.Bild: klikk.no

Das Wachstum der Weltbevölkerung zu senken und die Nettozuwanderung in die reiche Schweiz zu begrenzen, das sind die Anliegen der 2012 eingereichten Ecopop-Initiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen». Die Initiative wird von der Grünen Partei offiziell klar abgelehnt, doch in der Basis der Partei gibt es durchaus Zustimmung für das Volksbegehren und mittlerweile hat sich auch ein Komitee «Grüne für Ecopop» formiert.  

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«Es ist bekannt, dass diese gefährliche Bevölkerungsexplosion in unserem Land zu einem wesentlichen Teil auf die Einwanderung zurückzuführen ist.»
Valentin Oehen, ehemaliger NA-Präsident

Kritiker werfen der Ecopop-Initiative vor, sie sei ausländerfeindlich oder gar rassistisch. Doch die Umweltorganisation Ecopop, die hinter der Initiative steht, lehnt die Zusammenarbeit mit Rechtsparteien ab und will keinesfalls in die rechte Ecke gestellt werden. Ecopop (aus französisch «Ecologie et Population», bis 1987 «Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Bevölkerungsfragen» SAfB) wurde 1971 als Reaktion auf die ersten Berichte des Club of Rome gegründet, wie es auf der Website des Vereins heisst

Umweltschutz gegen Ausländer

Allerdings könnte die Gründung auch im Zusammenhang mit der Überfremdungsinitiative von James Schwarzenbach stehen, die im Juni 1970 relativ knapp abgelehnt wurde. Überdies sass in den Anfangsjahren mit Valentin Oehen der Präsident der «Nationalen Aktion für Volk und Heimat» (NA) – seit 1990 Schweizer Demokraten – im Ecopop-Vorstand. Oehen setzte Umweltargumente gegen Ausländer ein: «Es ist bekannt, dass diese gefährliche Bevölkerungsexplosion in unserem Land zu einem wesentlichen Teil auf die Einwanderung zurückzuführen ist», sagte er

Alt Nationalrat Oehen 1986 auf seinem Bauerngut in Sessa. 
Alt Nationalrat Oehen 1986 auf seinem Bauerngut in Sessa. Bild: KEYSTONE

Ökologisches Gedankengut ist nun mal nicht per se links. In der Ahnengalerie der grünen Bewegung befinden sich auch konservative Denker, esoterische Romantiker und antisemitische Hetzer. 

Malthus und seine Nachfolger

Der erste, der wirkungsmächtig die These von den Gefahren der Überbevölkerung formuliert hat, war der britische Ökonom Thomas Robert Malthus. 1798 veröffentlichte er seinen wegweisenden «Essay on the Principle of Population» («Das Bevölkerungsgesetz»), in dem er die These aufstellte, dass die nur linear zunehmende Produktion von Nahrungsmitteln nicht mit dem exponentiellen Bevölkerungswachstum Schritt halten könne. Verelendung und schliesslich Dezimierung durch Seuchen und Hungersnöte seien die unvermeidbare Folge. 

Neomalthusianische Vorstellungen prägten die ökologische Bewegung stark, besonders nach dem Abklingen der Wachstumseuphorie zu Beginn der Siebzigerjahre. Schon 1968 warf Paul R. Ehrlich, ein amerikanischer Biologe, seinen alarmistischen Bestseller «The Population Bomb» («Die Bevölkerungsbombe») auf den Markt. Ehrlich prophezeite, bald würden hunderte von Millionen Menschen verhungern. Schuld daran war für Ehrlich vor allem das Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern, das er mit repressiver Geburtenkontrolle einschränken wollte. 

«(...) gegen Überbevölkerung hat die Menschheit nichts Vernünftiges unternommen. Man könnte daher eine gewisse Sympathie für Aids bekommen.»
Konrad Lorenz, Zoologe

Alt-Nazis als Umweltschützer

1972 veröffentlichte der Club of Rome seinen legendären Bericht «Die Grenzen des Wachstums», in dem vorausgesagt wurde, die wachsende Menschheit werde die Ressourcen zum guten Teil bis zur Jahrtausendwende aufgebraucht haben. Im Jahr darauf erschien «Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit» des österreichischen Zoologen und Nobelpreisträgers Konrad Lorenz, der noch 1988 sagte: «(...) gegen Überbevölkerung hat die Menschheit nichts Vernünftiges unternommen. Man könnte daher eine gewisse Sympathie für Aids bekommen.» 

«Naturschutz ist gleichbedeutend mit Rassenschutz.»
Hermann Löns, völkischer Schriftsteller
Lorenz um 1975.
Lorenz um 1975.Bild: AP NY

Lorenz, der 1938 kurz nach dem Anschluss seiner Heimat an Nazi-Deutschland der NSDAP beigetreten war, dominierte zusammen mit anderen ehemaligen Nazis den Umweltschutz der Nachkriegszeit, wie der linke Journalist Peter Bierl schreibt. Dazu gehörte zum Beispiel der Landschaftsarchitekt Alwin Seifert, der Steppenlandschaften als «undeutsch» empfand und deshalb die im Osten eroberten Gebiete mit Feldhecken «eindeutschen» wollte. Er war nach dem Krieg Ehrenvorsitzender des Bundes Naturschutz in Bayern. 

«Judentum und deutsche Natur sind unvereinbare Begriffe.» 
Zeitschrift des Vereins Naturschutzpark, 1939

Auch der rechtsextreme Ökobauer und Alt-Nazi Baldur Springmann – 1980 Gründungsmitglied der deutschen Grünen – zählte zu diesem Kreis. Wie andere völkisch denkende Umweltschützer hegte auch Springmann esoterische Vorstellungen. Seinen Hof bewirtschaftete er nach den Grundsätzen der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, die auf den Anthroposophen Rudolf Steiner zurückgeht. 

Lebensreformer und Artamanen

Steiner beeinflusste die Lebensreformbewegung im wilhelminischen Deutschland stark. Die Lebensreformer propagierten gesunde Ernährung, Vegetarismus, Tierschutz und Freikörperkultur und bekämpften Alkohol und Nikotin. Bei einigen gehörte auch «Rassenhygiene» zu den Forderungen. 

Auschwitz-Kommandant Höss.
Auschwitz-Kommandant Höss.Bild: AP USHMM

Rassismus, Antisemitismus sowie Blut-und-Boden-Ideologie waren unverzichtbare Bestandteile im Weltbild der Artamanen. Der in den Zwanzigerjahren gegründete agroromantische Verein propagierte «die Erneuerung aus den Urkräften des Volkstums, aus Blut, Boden, Sonne und Wahrheit». Einige später prominente Nazis gehörten zu den Artamanen, so der «SS-Reichsführer» Heinrich Himmler, der Auschwitz-Kommandant Rudolf Höss oder der «Reichsbauernführer» Richard Walther Darré

Die rassisch reinen Wehrdörfer der Artamanen inspirieren heute noch Rechtsradikale: Neo-Artamanen versuchen seit rund 20 Jahren, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern, ähnliche Siedlungsprojekte aufzuziehen. Diese Ökofaschisten geben sich äusserlich harmlos, sie kämpfen gegen Gentechnik und verkaufen ökologische Baustoffe. Aber auch sie verschmelzen Rassismus, Blut-und-Boden-Ideologie und Neuheidentum zu einem braunen Cocktail. 

Die Ecopop-Mitglieder sind mit Sicherheit weit von solchen Vorstellungen entfernt. Möglicherweise ist aber nicht allen bewusst, wie bedeutend die braune Geschichte des Umweltschutzes ist. Dies dürfte auch für manche der Schweizer Politiker gelten, die im Wahljahr 2011 noch für eine Zuwanderungsbegrenzung waren, wie der «Tages-Anzeiger» kürzlich schrieb

Sinneswandel bei der Zuwanderungsbeschränkung

Diese Parlamentarier sagten 2011 «Ja» oder «eher Ja» auf folgende Frage: «Eine Volksinitiative möchte die Zuwanderung regulieren und das migrationsbedingte Bevölkerungswachstum auf 0,2% pro Jahr besch ...
Diese Parlamentarier sagten 2011 «Ja» oder «eher Ja» auf folgende Frage: «Eine Volksinitiative möchte die Zuwanderung regulieren und das migrationsbedingte Bevölkerungswachstum auf 0,2% pro Jahr beschränken. Unterstützen Sie diese Initiative?»Quelle: Smartvote via «Tages-Anzeiger», 6.6.2014 (Anm. d. watson-Redaktion: Auf der smartvote-Liste hat sich ein Fehler eingeschlichen: Hansjörg Walter ist nicht SP-Nationalrat, sondern SVP.)
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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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dorobo
10.06.2014 13:08registriert Juni 2014
die untenstehenden beiträge, wie auch der artikel, sind besorgnis erregend. verteilungsprobleme werden nicht dadurch gelöst in dem willkürlich irgendwelche personen ausgeschlossen werden. umweltverschmutzung und immigration sind globale probleme, die keine grenzen kennen. vorgehen wie die masseneinwanderung- und ecopopinitiative sind keine lösungen. sie widerspiegeln viel mehr ein, an sich feiges, faules und egoistisches, einigeln, welches, in einer immer mehr vernetzten welt, mittel- bis langfristig überhaupt keine wirkungen aufweisen wird.
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Roboter
10.06.2014 17:40registriert Januar 2014
Guter Artikel der endlich mal ein kleines Schlaglicht auf die wirkliche Gesinnung vieler "grüner" Ideen wirft. Wer
Ideen wie die von Ecopop nach genauerem überlegen noch unterstützt muss sich schon fragen ob er vielleicht auch selber ein braunes Hemd anziehen sollte.

Dass die ganzen Rechts-Trolle nun schon aus den anderen News Portalen zu Watson gekommen sind, war ja abzusehen, schade. Total Normcore.
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André Dünner
09.06.2014 20:09registriert März 2014
Wer wie die Schweiz von der Welt lebt, ist gezwungenermassen verpflichtet mit der Welt zu leben.

Anstehende Aufgaben, auch weltweite, können nur gemeinsam gelöst werden. Heisst aber auch nicht einer Welt-Regierung.

Und daher werde ich wohl nur schwer von meinem Nein zur Initiative abzubringen sein. Umwelt schützen tun nicht nur einige wenige mit stimulierenden Argumenten und Kosten abwälzend auf andere, sondern ist Aufgabe von allen zusammen.
2012
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