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Interview

My Room Project: Bildserie der Schlafzimmer von Millennials

My Room project
Joseph (30) Künstler aus Paris, Frankreich.bild: john thackwray
Interview

1200 Bilder in 55 Ländern – das Schlafzimmer als Spiegel einer Generation

Seine Kamera fesselte über 1200 Schlafzimmer in 55 verschiedenen Ländern. John Thackwray hat sich das Ziel gesetzt, das Leben der Millennials, ihren Lifestyle und ihre Probleme in Bildern festzuhalten.
26.12.2016, 16:5406.01.2017, 12:38
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Seit 2010 reist der französische Fotograf und Filmemacher John Thackwray um den Planeten und fotografiert Menschen an ihrem intimsten Ort: In ihrem Schlafzimmer.

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Das «My Room Project» zeigt die Schlafzimmer der Millennials
Andreea (24) Bauingenieurin aus Bukarest, Rumänien. bild: john thackwray
quelle: john thackwray
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In den vergangenen sechs Jahren sind so über 1200 Fotografien in 55 verschiedenen Ländern entstanden, die nebeneinander aufgereiht nicht nur ein Spektrum kultureller Vielfalt, sondern auch eine Bestandsaufnahme seiner eigenen Generation bilden.

Bild

Hi, John. Seit sechs Jahren siehst du dir die Schlafzimmer fremder Leute an. Was ist so speziell an diesem Raum?
John Thackwray: Es geht per se nicht unbedingt um's Schlafzimmer, sondern viel mehr um den Raum, in dem die Menschen schlafen. Das kann manchmal auch die Küche sein, das Wohnzimmer, das Büro oder alles zusammen. Ein intimer Ort ist es allemal.

Das braucht bestimmt viel Vertrauen.
In der Tat. Das Interessanteste an meiner Arbeit ist der Prozess, wie ich dorthin gelange.

Jetzt tönt's irgendwie verführerisch.  – Denn auch wenn die Menschen auf deinen Bilder angezogen sind, wirken sie doch irgendwie nackt. War das deine Intension – die Leute metaphorisch auszuziehen?
Da ist was dran. In Südamerika war das besonders: Hätte ich die Leute dort fotografiert, wo ich sie antraf, sprich in den Universitäten, in Fabriken, Clubs oder Bars, hätten sie sowohl auf den Bildern, aber auch für mich ganz anders gewirkt. 

Indem ich sie dazu brachte, mich zu sich nach Hause einzuladen, eröffnete dies meiner Arbeit viele neue Perspektiven.

Ich legte die Strecke ihres Arbeits- oder Schulwegs zurück. Teilweise beansprucht das mehr als zwei Stunden. Ich sah ihre Häuser, die Elektrizitäts- und Wasserzufuhr, erfuhr in was für Konstellationen und mit wie vielen Menschen sie zusammen leben. 

Die Zeit, die ich effektiv in ihrem Zimmer verbrachte, machte geschätzt schliesslich weniger als fünf Prozent des restlichen Aufwands aus.

Wie kam es zur Idee für das «My Room Project»?
Als Dokumentarfilmer war ich ständig auf Reisen. Da war ich auch zwei, drei Mal am selben Ort und immer wieder war ich davon beeindruckt, was die Zeit mit der Welt anstellen kann.

Beim einen Besuch weiss noch niemand so genau, was ein Smartphone ist, beim nächsten Mal zeigen mir diese selbe Leute lauter Selfies und fordern mich auf, ihnen bei Instagram zu folgen.

Die Hochgeschwindigkeit mit der sich unsere Welt bewegt, reisst uns derart mit, dass wir ihre permanente Entwicklung oft gar nicht sehen können.

Das «My Room Project» soll eine Momentaufnahme sein. Eine Bildergalerie, auf die man in 20 Jahren zurückgreifen kann und erkennt, was sich in der Zwischenzeit alles verändert hat.

Das heisst, deine Bilder werden erst in 20 Jahren von Relevanz sein?
Nein, so ist das nicht. In 20 Jahren werden sie (hoffentlich) diesen Effekt von «Krass, was da alles gegangen ist?!» vermitteln.

In der Zwischenzeit sind sie auf subtile Art und Weise eine Bewusstseinssteigerung. Sie zeigen den Leuten, wie gleich die Menschen einer Generation rund um den Globus sein können, aber wie krass sich ihre Lebensstile, ihre Ängste, Probleme und ihr Besitz unterscheiden.

Das hört sich sehr optimistisch an. Du glaubst also immer noch an globale Solidarität?
Auf jeden Fall, ja. Aber ich glaube, dass Bilder und Geschichten dazu mehr taugen als Zahlen und Statistiken.

Nada aus Kairo wurde auf offener Strasse belästigt. Ein Ereignis, mit dem Sie jeden Tag rechnen muss. Sie sitz in ihrem Schlafzimmer, das sie nur ganz selten für sich alleine hat, lacht stolz in die Kamera, lacht in eine Zukunft, die sie sich nur erhoffen kann, wenn sie weiter lacht. 

Nada hat gelernt, dass sie eine Situation akzeptieren muss, um sie ändern zu können.
Nada (21) Studentin aus Kairo, Ägypten.John Thackwray

In meinem Buch werden 100 Bilder mit 100 Geschichten gezeigt. Nadas Story ist eine davon. Ich bin überzeugt, dass dies auf manche Menschen eine intensivere und nachhaltigere Wirkung haben wird, als eine Statistik zum selben Thema.

Bei deinen Models hast du dich ausschliesslich auf Millennials beschränkt. Hat das einen Grund?
Ja. Ich bin selbst Teil der Generation Y. Die Millennials sind nicht nur ein Produkt der Globalisierung, sie sind alle Teil davon.

My Room project
Ryoko (25) Informatik-Ingenieurin aus Tokyo, Japan.john thackwray

Dann muss sie ja auch etwas verbinden. Was hast du in jedem Schlafraum angetroffen?
Fast alle meine Interview-Partner, von Saudi-Arabien bis in den afrikanischen Busch, haben einen Internetzugang und alle hatten sie ein Profil auf irgendeinem sozialen Netzwerk. 

«Wir sind auf jeden Fall die ‹connected generation› und trotzdem haben wir verzerrte Bilder voneinander.»
John Thackwray
My Room – Portrait of a Generation
Anfang 2017 veröffentlicht John Thackwray 100 Bilder seiner Serie und ihre Geschichten in Buchformat. 

>> Hier kann das Werk vorbestellt werden
>> Das My Room Project auf Facebook

14 preisgekrönte Fotografien

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Photoprize
In der Kategorie «Kunst und Kultur» siegte Viviana Peretti aus Italien. Dieses Foto heisst: «Dancing Like a Woman» und zeigt eine kolumbianische Drag Queen und Miss Bambuco Gay 2012 in Bogota.
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