Zahlreiche Verletzte bei schwerer Explosion in Diyarbakir

Zahlreiche Verletzte bei schwerer Explosion in Diyarbakir

04.11.2016, 07:04

Bei einer schweren Explosion vor einem Polizeigebäude in der Kurdenhochburg Diyarbakir im Südosten der Türkei sind rund 20 Menschen verletzt worden. Die Explosionsursache war zunächst unklar, wie Behördenvertreter der Nachrichtenagentur AFP am Freitag sagten.

Zahlreiche Krankenwagen waren im Einsatz, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. Helikopter kreisten über der Stadt. Der mehrheitlich kurdische Südosten der Türkei kommt seit dem Ende eines Waffenstillstands zwischen der PKK und der Armee im Juli 2015 nicht mehr zur Ruhe.

Seither wurden mehr als 600 Mitglieder der Sicherheitskräfte und mehr als 7000 PKK-Kämpfer getötet. Anfang des Monats hatten die Behörden einem regierungsnahen Beamten die Leitung der Kurdenmetropole übertragenden, nachdem die beiden Bürgermeister wegen angeblicher «terroristischer» Aktivitäten in festgenommen worden waren. Die Festnahmen lösten gewaltsame Proteste aus.

Die Detonation ereignete sich wenige Stunden nach der Festnahme der Chefs der prokurdischen Oppositionspartei HDP bei einer Serie nächtlicher Razzien, mit denen die türkischen Behörden ihr Vorgehen gegen Kritiker von Präsident Recep Tayyip Erdogan massiv ausweiteten.

«Mit einem Bein im Gefängnis»

Die beiden Co-Parteivorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag sowie mehrere Parlamentsabgeordnete wurden festgenommen. Die Zugriffe seien im Rahmen von Anti-Terror-Ermittlungen erfolgt, berichteten die Agentur Anadolu und weitere Medien. Demirtas und Yüksekdag gehören zu zahlreichen HDP-Abgeordneten im türkischen Parlament, deren Immunität im vergangenen Mai auf Betreiben des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan aufgehoben worden war.

Kurz darauf hatte Demirtas Anfang Juni auf Einladung der Parlamentarischen Gruppe für Beziehungen zum kurdischen Volk die Schweiz besucht. In Bern traf er Nationalratspräsidentin Christa Markwalder sowie den Präsidenten der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates (APK), Christian Levrat. Damals sagte der Politiker, er stehe schon mit einem Bein im Gefängnis.

In der Nacht auf Freitag wurde Demirtas den Berichten zufolge in Diyarbakir festgenommen, Yüksekdag in der Hauptstadt Ankara. Den beiden wird von der Staatsanwaltschaft die Verbreitung terroristischer Propaganda vorgeworfen. Sie seien festgenommen worden, nachdem sie sich geweigert hätten, zur Vernehmung bei den Ermittlern zu erscheinen, teilten die Behörden in der Nacht mit.

In der vergangenen Woche hatte ein türkisches Gericht Yüksekdag bereits mit einem Ausreiseverbot belegt. Für beide Parteichefs war es die erste Festnahme. Die HDP ist mit 59 Sitzen die drittgrösste Partei im Parlament und die grösste politische Vertretung der Kurden.

Elf Festnahmen und vier Haftbefehle

Der Sprecher der kurdischen Partei DBP, dem kommunalen Ableger der HDP, teilte mit, neben Demirtas und Yüksekdag seien weitere HDP-Abgeordnete festgenommen worden. Darunter sei Ferhat Encu, dem am Donnerstag die Ausreise aus der Türkei verweigert worden war. Auch Fraktionschef Idris Baluken und der prominente Parlamentarier Sirri Sürreya Önder seien unter den Festgenommenen.

Die Staatsagentur Anadolu veröffentlichte eine Erklärung des Innenministeriums, nach der insgesamt elf HDP-Vertreter festgenommen worden seien, gegen vier weitere Angeordnete gebe es Haftbefehle.

«Die Polizeibeamten stehen vor meinem Haus in Diyarbakir mit dem Beschluss, mich gewaltsam in Gewahrsam zu nehmen», twitterte Demirtas kurz vor seiner Festnahme. In den sozialen Medien wurden trotz erschwerten Zugangs Livevideos von den Festnahmen und anschliessenden Hausdurchsuchungen gezeigt. Die HDP verbreitete über den Dienst Periscope zudem ein Video, dass eine Polizeirazzia in der HDP-Zentrale in Diyarbakir zeigen soll.

«Sprachrohr der PKK»

Erdogan hält die HDP für das Sprachrohr der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK im Parlament. In den vergangenen Wochen hatte die türkische Regierung bereits in mehr als zwei Dutzend kurdischen Gemeinden die Bürgermeister durch Zwangsverwalter ersetzt. (sda/afp/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
0 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!