«Cumhuriyet» will sich nicht zum Schweigen bringen lassen

«Cumhuriyet» will sich nicht zum Schweigen bringen lassen

01.11.2016, 08:00

Nach der Festnahme ihres Chefredaktors und zahlreicher weiterer Mitarbeiter gibt sich die Redaktion der regierungskritischen türkischen Zeitung «Cumhuriyet» kämpferisch. Das Blatt erschien am Tag nach den Festnahmen mit der Schlagzeile: «Wir geben nicht auf».

Neben dem roten Schriftzug «Cumhuriyet» stand in der Ausgabe vom Dienstag in Versalien und schwarz unterlegt: «Noch ein Schlag gegen die freie Presse». Das türkische Wort für «Schlag» (darbe) kann auch als «Putsch» übersetzt werden. Am Montag hatte die türkische Polizei den Chefredaktor der regierungskritischen Zeitung, Murat Sabuncu, und rund ein dutzend weitere «Cumhuriyet»-Mitarbeiter festgenommen. Insgesamt wurden laut «Cumhuriyet» 16 Haftbefehle ausgestellt.

Die Staatsanwaltschaft wirft der Zeitung vor, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen unterstützt zu haben. Die Regierung beschuldigt Gülen, für den Putschversuch gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Mitte Juli verantwortlich zu sein. In der Türkei ist Gülens Bewegung - wie auch die PKK - als Terrororganisation eingestuft.

Die «Cumhuriyet»-Redaktion wies die Vorwürfe entschieden zurück und kritisierte die Festnahmen als «inakzeptabel und rechtswidrig». Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) nannte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft «grotesk». Dass nun eine der letzten Oppositionszeitungen des Landes zum Ziel werde, zeige, wie weit die Massnahmen der Regierung und von Präsident Erdogan inzwischen gingen.

HRW kritisierte ausserdem die Schliessung von 15 meist kurdischen Medien per Notstandsdekret und die Verhaftung der Bürgermeister der Kurdenmetropole Diyarbakir am Wochenende.

USA schelten Türkei

Auch die USA kritisierten das Vorgehen der Türkei gegen «Cumhuriyet» scharf. Die Regierung in Washington sei «zutiefst besorgt über das offensichtliche Steigen des staatlichen Drucks auf Oppositionsmedien in der Türkei», sagte John Kirby, Sprecher des Aussenministeriums, am Montag (Ortszeit) in Washington. Er rief die Türkei auf, «Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte zu schützen».

«Demokratien werden stärker, wenn sie die Äusserung unterschiedlicher Standpunkte zuzulassen, insbesondere in schwierigen Zeiten», fügte Kirby hinzu. «Cumhuriyet» bezeichnete er als «eine der angesehensten Zeitungen in der Türkei». Die USA hielten gleichwohl an ihrer Freundschaft zum NATO-Verbündeten Türkei fest, beteuerte er.

«Cumhuriyet» war erst im September mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden. Die Right Livelihood Award Stiftung hatte mitgeteilt, die Zeitung erhalte den Preis «für ihren unerschrockenen investigativen Journalismus und ihr bedingungsloses Bekenntnis zur Meinungsfreiheit trotz Unterdrückung, Zensur, Gefängnis und Morddrohungen». Die Stiftung kritisierte die Festnahmen am Montag als Beleg dafür, «dass das Regime nicht zögert, kritische, abweichende Stimmen zu unterdrücken». (sda/afp/dpa)

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