Was macht Amerika aus? Ein TV-Trailer gibt in nicht mal 30 Sekunden Auskunft - in dieser Reihenfolge: Hundeschlitten, Gewehre, verschlammte Geländewagen, Seilrutschen, mehr Gewehre, Rennwagen, ausgestopfte Bären, Entenjäger, noch mehr Gewehre.
«Die Freiheiten, die wir in Amerika genießen dürfen», tönt Sarah Palin dazu vor einem US-Sternenbanner, in Fleeceweste und Fleecepulli. Das ist nichts für Stubenhocker – sondern für «Pioniere», die «niemals zurückweichen» und keine Angst haben, «sich auch mal ein bisschen schmutzig zu machen.»
So plakativ-patriotisch beginnt Palins neueste Doku-Soap: «Amazing America», tolles Amerika. Am Donnerstag ist Premiere auf dem Sportsman Channel, einem obskuren Kabelsender mit tarnfarbenem Angebot. Eine Auswahl: «100% Real Hunting», «Addictive Fishing», «Guns & Ammo», «Predator Nation».
In diesem Macho-Reich ist Palin die Queen. Als «First Lady der freien Natur», so die Werbung, führt sie die Zuschauer durch ihr zünftiges «rot-wild-blaues Amerika» – fernab der Rest-Nation aus Weichlingen und Salatessern.
Es sind die alten Parolen. Die Meisterin politischen Infotainments – vormals Gouverneurin von Alaska und im Jahr 2008 republikanische Vizepräsidentschaftskandidatin – lockt die rechte Basis mit bewährten Schlüsselreizen: «wahres» gegen «falsches» Amerika, Jäger gegen Denker, alle gegen Washington - Agitprop im Outdoor-Dress.
Doch warum gerade jetzt wieder? Nötig hat sie es kaum: Ihre Bestseller-Memoiren «Going Rogue» und ein lukrativer Kommentierposten beim konservativen Sender Fox News haben Palin längst zur Multimillionärin gemacht – und zum Gegenentwurf der Jederfrau, die sie spielt. Ihre treuen Fans, vier Millionen auf Facebook und eine Million auf Twitter, stört die Diskrepanz nicht.
Nein, dahinter steckt diesmal mehr als die übliche Selbstvermarktung. Palins Rückkehr ins politische Bewusstsein ist politisches Kalkül – als früher Warnschuss für die Kongresswahlen im Herbst.
Denn da haben die Republikaner beste Aussichten – dank Präsident Barack Obama, der die Demokraten mit in sein Popularitätstief gezogen hat. Gerade erst prophezeite der zielsichere Daten-Nerd Nate Silver auf seiner Website «FiveThirtyEight», dass die Konservativen im Repräsentantenhaus wie auch im Senat die Mehrheit ergattern könnten.
Doch dafür muss die Basis zuerst ordentlich aufgepeitscht werden. Auftritt Palin: Neben ihrer Fernsehshow plant sie einen eigenen digitalen Bezahlsender namens Rogue TV, den sie «im April oder Mai» starten will. Dazu kommen hysterisch umjubelte Redeauftritte, als sei es 2008.
Damals galt Palin als lächerliche Krawallmacherin. Freilich mit einer großen Gefolgschaft. Inzwischen passt sie perfekt in den immer schrilleren Polit-Diskurs Amerikas. «Sie personifiziert die Infantilisierung der US-Politik», schreibt Charles Pierce in «Esquire». «Eine giftspritzende Schwester Grimm, die einem von Angst, Hass und Unsinn trunkenen Publikum toxische Märchen erzählt.»
So geschehen neulich bei der Conservative Political Action Conference (CPA), dem Jahrestreff der US-Konservativen: Da mutierte Palin neben den anderen Tea-Party-Konsorten (Ron Paul, Marco Rubio, Ted Cruz) zur Kalten Kriegerin, indem sie Obamas Position in der Krim-Krise verhöhnte: «Mr. President, das einzige, was einen Bösen mit einer Atombombe stoppen kann, ist ein Guter mit einer Atombombe.»
Plötzlich hat sie wieder zu allem etwas zu sagen. Zum «Bridgegate»-Skandal um New-Jersey-Gouverneur Chris Christie: «lächerlicher Overkill». Zur Senatskandidatin Joni Ernst aus Iowa, die sich rühmt, «Schweine kastrieren» zu können: «eine echte Hoffnung».
Selbst zu Bill Yosses, dem scheidenden Chefkonditor des Weißen Hauses: Den würdigte Palin mit dem Facebook-Foto einer vor Zucker und Butter triefenden Sahnetorte. «Sarah Palin for President», kommentierte ein Fan diesen offenen Seitenhieb auf die diätbewusste First Lady Michelle Obama begeistert.
Apropos: Würde Palin noch mal kandidieren? Selbst mit dieser eigentlich abgehakten Frage spielt sie wieder: «Sag niemals nie», kokettierte sie auf Fox News. Wenn sich keiner finde, der «unsere Einzigartigkeit respektiert, alles, was Amerika großartig macht, die Verheißung Amerikas», ja, «dann würde ich kandidieren».