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Google braucht keine Zerschlagung, Herausforderungen gibt es genug

Der Internet-Gigant besitzt die grösste digitale Werbeanzeige der Welt: Times Square in New York.
Der Internet-Gigant besitzt die grösste digitale Werbeanzeige der Welt: Times Square in New York.Bild: GETTY IMAGES NORTH AMERICA
Schwierige Zeiten für den Internet-Giganten?

Google braucht keine Zerschlagung, Herausforderungen gibt es genug

Wie weit die Pläne zur Entflechtung von Google gedeihen, ist unklar. Das ist wohl besser so. Denn noch nie in der Geschichte von Google sah sich das Unternehmen mit so vielen Herausforderungen und Baustellen konfrontiert. 
29.11.2014, 12:3029.11.2014, 14:44
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martin weigert
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Was aus der vom Europaparlament geplanten Zerschlagung oder Entflechtung von Google wird, ist offen. Dennoch ist die Debatte über das Vorhandensein einer schädlichen marktbeherrschenden Stellung des Unternehmens gerade lanciert. Einige führende Medienkonzerne mit dem erklärten Feindbild Google werden schon dafür sorgen, dass das Thema weiterhin aktuell bleibt. 

Wer möchte, der findet natürlich eine ganze Reihe an Indizien dafür, dass der Internet-Gigant eine Position erreicht hat, die ihm ganz automatisch bestimmte Vorteile einräumt, wodurch der Wettbewerb behindert werden könnte. Anfang 2013 formulierte ich dies einmal mit der These, dass Google einfach zu gut für diese Welt sei

Google ist nicht davor gefeit, vom Nutzniesser und Initiator zum Verlierer des Verdrängungs- und Innovationswettbewerbs zu werden.

Doch nichts spricht dagegen, sich auch einmal – zumindest probeweise – selbst zu widersprechen. Erst recht, wenn sich die Vorzeichen verändern. Wenn man heute, Ende 2014, einmal genau auf die Marktentwicklung schaut, dann kann man durchaus zahlreiche Belege dafür entdecken, dass Google keineswegs davor gefeit ist, vom Nutzniesser und Initiator zum Verlierer des Verdrängungs- und Innovationswettbewerbs zu werden. 

Wir listen einige der kleinen wie grossen Trends und Entwicklungen der Branche auf, die in ihrer Gesamtheit auf mittlere Sicht dafür sorgen können, dass der Konzern seine aktuell äusserst starke Stellung auch ohne politische Eingriffe verliert. Die verschiedenen Punkte verdeutlichen auch, dass vieles von dem, was Google anfasst, trotz der Milliarden an investiertem Kapital nicht zu Gold wird. 

  • Die mobile Internetnutzung wächst explosionsartig, der PC wird – wenn er überhaupt noch zum Einsatz kommt – zum Second Screen. Für Google, das den Löwenanteil seines Umsatzes mit der Suchwort- und Website-Vermarktung erzielt, brechen schwierige Zeiten an. Denn mobil besuchen User weniger Websites und suchen weniger – stattdessen verbringen sie ihre Zeit in Apps. Speziell in denen, mit denen Google nichts zu tun hat. Bei Googles Quartalsumsatz macht sich diese neue Situation bereits bemerkbar. 
  • Auch als Antwort auf den Wandel bei den Zugriffsarten gewinnt sogenannte «native» Werbung immer mehr an Bedeutung für Onlinedienste und Onlinemedien. Dieser Entwicklung hat Google wenig entgegenzusetzen – schon deshalb, weil es die Social-Media-Plattformen nicht kontrolliert, auf denen diese Werbeformen auftauchen. 
  • Smartphone-Messenger sind aktuell im sozialen Web das grosse Wachstumssegment. Die führenden Akteure heissen WhatsApp, Facebook Messenger, Snapchat, Webchat oder Line. Google hat es nach Social Networking abermals nicht geschafft, in einem wichtigen Markt Fuss zu fassen. 
  • Firefox, nach wie vor einer der führenden Browser, sucht künftig ab Werk nicht mehr mit Google sondern mit Yahoo. 
  • Alternative Suchmaschinen können kleine Erfolge verzeichnen. International schafft sich DuckDuckGo (auf noch niedrigem Niveau) immer mehr Fans. In der Schweiz gelang dem neuen nationalen Anbieter Swisscows ein Achtungserfolg. Sowohl DuckDuckGo als auch Swisscows wollen da punkten, wo Google seine bekannteste Schwäche hat: beim Thema Privatsphäre und Datenschutz. In der Post-Snowden-Ära ist dieses Argument weitaus schlagfertiger als früher. 
  • Google Glass ist gefloppt, trotz gigantischer Ambitionen. 
  • Auch Google+ als soziales Netz ist weitgehend gefloppt, trotz grosser Ambitionen. 
  • Googles für Schwellenländer gedachtes Betriebssystem Android One droht zu einem Misserfolg zu werden. 
  • Google investiert Milliarden in sein Projekt selbstfahrender Autos – zuletzt mehren sich aber die kritischen Stimmen. Am Ende könnten selbstfliegende Fahrzeuge die realistischere Option sein. Noch ist es zu früh für endgültige Schlüsse, und Googles Forschungen im Bereich von künstlicher Intelligenz dienen nicht nur diesem spezifischen Projekt. Dennoch besteht die Möglichkeit, dass das Vorhaben endet wie Google Glass – maximal in der Nische. 
  • Apples iOS-Vereinbarung mit Google läuft nächstes Jahr aus. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass anschliessend ein anderer Suchanbieter zum Zug kommt. 
  • E-Mails bleiben zwar im beruflichen und geschäftlichen Alltag wichtig, die private Nutzung – besonders bei jüngeren Generationen – nimmt aber ab. Schlechte Zeiten für Gmail. 
  • Google Maps erhält mit einer immer weiter reifenden Openstreetmap sowie Apple Maps – seit einiger Zeit die Standard-Kartenanwendung auch bei iOS und ein Traffic-Dieb für Google – verstärkt Konkurrenz. 
  • Microsoft erfindet sich unter dem neuen CEO Satya Nadella gerade neu, geht unerwartete Allianzen ein, führt unerwartete Zukäufe durch und signalisiert neue Vitalität und Angriffsbereitschaft. Auch Amazon und Apple rüsten weiter auf. 
  • Google-Mitgründer Sergey Brin trägt bei einer privaten Filmvorführung mit Hollywood-Stars und Silicon-Valley-Grössen Crocs

Alles zum Internet-Giganten

Zur Erinnerung: Diese Zusammenstellung ist bewusst einseitig gehalten. Ihre Aufgabe ist nicht, zu belegen, dass Google keine Zukunft hat – was Quatsch wäre –, sondern dass in den nächsten Monaten und Jahren mannigfaltige taktische, strategische, organisatorische und produktspezifische Herausforderungen anstehen. Radikale Eingriffe von Politikern und Kartellbehörden könnten also überflüssig werden. 

Radikale Eingriffe von Politikern und Kartellbehörden könnten also überflüssig werden.

Die Chancen, dass sich das «Problem» Google ohne Zerschlagung quasi von alleine löst, stehen nicht schlecht (wobei die Frage, inwieweit die globale Marktdominanz von Android ausgenutzt wird und gewissen «Druck» von aussen erfordert, separat zu betrachten ist). Selbst wenn danach vielleicht das «Problem» Facebook folgt. Aber das ist ein anderes Thema.

Martin Weigert
ist Chefredaktor von netzwertig.com. Er bloggt privat auf www.martinweigert.com und twittert unter @martinweigert.
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