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Kriegszustand bei Brangelina! Und was haben wir davon? Einen aufregenden Start ins Kinojahr 2015

In dieses Kriegsgefangenenlager steckt Angelina Jolie ihren Helden in «Unbroken».
In dieses Kriegsgefangenenlager steckt Angelina Jolie ihren Helden in «Unbroken».Bild: Universal Pictures
Radikale Ehetherapie

Kriegszustand bei Brangelina! Und was haben wir davon? Einen aufregenden Start ins Kinojahr 2015

Angelina Jolie und Brad Pitt verpflichten sich im Januar mit den Filmen «Unbroken» und «Fury» ganz dem Zweiten Weltkrieg. Hart. Aber gut.
27.12.2014, 12:5428.12.2014, 13:33
Simone Meier
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Kampfmaschinenfans sind begeistert: Dieser Panzer (ein Sherman M4A3E8)! Dieser Bomber (eine Consolidated B-24 Liberator)! Zwei Maschinen also, zwei Filme, zweimal Zweiter Weltkrieg. Der Panzer gehört zu Brad Pitt, der Bomber zu Angelina Jolie. Wow. Was für eine Beziehungsdynamik die beiden haben müssen. Explosiv, energetisch, elementar. Mr. & Mrs. Smith forever.

Jetzt haben sie also ihre Kampfzone aufs Kriegskino ausgeweitet. Brad Pitt spielt in «Fury» (Regie: David Ayer) einen Panzerfahrer in Nazideutschland (er hat den Film auch produziert), Angelina Jolie erzählt in ihrer zweiten Arbeit als Regisseurin mit «Unbroken» die Überlebensgeschichte eines Bomberpiloten in einem japanischen Kriegsgefangenenlager. Und während die Filme weltweit im Kino laufen, ist Angelina bereits an der Postproduktion ihres dritten Films, dem Ehedrama «By the Sea». Und wer spielt die Hauptrolle? Ja, der Brad. «Ein Ehetherapeut hätte einen Heidenspass», garantiert sie.

Panzerschlacht auf dem Hochzeitsschleier

Für «Fury» und «Unbroken» übertrugen die beiden eine gewisse historische Korrektheit auch auf ihr Leben: Während der Dreharbeiten kommunizierten sie nicht elektronisch, sondern schrieben sich ganz altmodische Briefe auf Papier. Und unter den Zeichnungen ihrer Kinder auf Angelina Jolies Hochzeitsschleier fand sich auch eine Panzerschlacht (neben den rätselhaften Worten «buttuck fudduck»). Aber das Beste: Beide Filme sind echt nicht schlecht! Nicht perfekt, aber packend. Und tatsächlich eine ideale Einleitung von 2015, dem Jahr, in dem sich das Kriegsende zum 70. Mal jährt.

Brad Pitt befehligt seine Maschine und Mannschaft.
Brad Pitt befehligt seine Maschine und Mannschaft.Bild: walt disney company

Trailer zu «Fury»

Gehen wir zuerst rasch mit Herrn Pitt nach Deutschland. Es beginnt schlimm im April 1945, eine Schlacht ist gerade geschlagen, Pitts Panzer ist der einzige, der noch ganz ist, aber einer seiner Kollegen ist dafür total kaputt, sein Gesicht sitzt nicht mehr auf seinem Kopf, sondern klebt an einer Panzerwand. Schnell zeigt sich: Brad Pitt hat ein Herz für Pferde, er befreit sie, wo er sie sieht, denn in einem Krieg, in dem Menschen bis zur Gesichtsschmelze eins werden mit Maschinen, nützen Tiere nun gar nichts mehr.

Das ist stimmig (und auch bisschen lustig), denn bisher war «Fury» ja vor allem der Titel einer 114-teiligen Pferde-Serie, jetzt ist Fury der Name des Panzers. Und dieser Panzer ist Heimat, Hölle und Gummizelle einer Hand voll Soldaten unter der Führung von Don Collier (Pitt). Einer davon ist Boyd Swan, gespielt von Shia LaBoeuf (im Film wie im Leben ein Wahnsinniger), der sehr schön zeigt, wie einer in der Extremstverzweiflung eines Kriegs zum religiösen Fanatiker wird. Ein anderer ist der blutjunge Norman Ellison (Logan Lerman), der lernen muss, dass töten muss, wer leben will.

Die Deutschen sind eine Art Orks

Ihre Beziehung zum Panzer ist eine Liebesbeziehung, das Draussen ist der Feind, in der Ikonografie von Hollywood wird der Panzer zum Raumschiff avant la lettre. Eine Stunde lang ist diese ungewohnte Innensicht auf den Kriegsalltag rasend spannend und beklemmend. Konzentrierte männliche Psychodynamik unter Hochdruck. Doch dann – die Geschichte will es halt auch so, und wir sind ja froh darum – kommen die klassischen amerikanischen Kriegsfilmklischees: Der Aufbau amerikanischer Helden nimmt seinen Lauf, und die dreckigen Seelen machen den sauberen Platz. Die Deutschen, ach ja, die gleichen verblüffend den Orks aus «Lord of the Rings».

Shia LaBoeuf gehts psychisch gar nicht gut in Nazideutschland.
Shia LaBoeuf gehts psychisch gar nicht gut in Nazideutschland.Bild: walt disney company

«Fury» liefert also eine Nahsicht auf den Krieg, «Unbroken» eine Totale. Denn Angelina Jolie denkt als Regisseurin so, wie sie aussieht und auch als Schauspielerin agiert: Gross, körperlich, ikonisch, dramatisch, schonungslos und ganz sicher nicht den feinen, zurückhaltend eingesetzten Nuancen verpflichtet.

2012 zeigte sie ihr Regiedebüt «In the Land of Blood and Honey», auch das war ein Kriegsfilm mit Schwerpunkt Gefangenenlager, bloss ging es damals um Bosnien und um ein Vergewaltigungslager. Es war die prekäre Liebesgeschichte einer bosnischen Künstlerin zu einem serbischen Soldaten, die voller Lust beginnt und dann alle entsetzlichen Facetten einer Beziehung zwischen Opfer und Täter durchdekliniert.

Das war zunächst wuchtig, laut, emotional, überwältigend, viele Explosionen, Erschiessungen, Vergewaltigungen, sehr, sehr beeindruckend. Aber dann wollte Angelina Jolie, die UNO-Sonderbotschafterin, wieder zuviel des Guten, Humanitären und liess ihre Protagonisten pseudophilosophieren und immer nachdenklicher werden, anstatt einfach zu machen. Das klang dann alles ein bisschen wie Paulo Coelho in Bosnien und brachte den Film am Ende nicht bei uns ins Kino.

Louis Zamperini (Jack O'Connell) blickt dem Mann mit dem Folterholz (gespielt vom japanischen Popstar Miyavi) ins Gesicht.
Louis Zamperini (Jack O'Connell) blickt dem Mann mit dem Folterholz (gespielt vom japanischen Popstar Miyavi) ins Gesicht.Bild: Universal Pictures

Trailer zu «Unbroken»

Angelina Jolie hat daraus gelernt. Sie hat das Drehbuch zu «Unbroken» nicht noch einmal selbst geschrieben, sondern Joel und Ethan Coen und zwei weitere Herren engagiert, die aus dem gleichnamigen Bestseller von Laura Hillenbrand ein Drehbuch machten. Hillenbrand war schon für die – ebenfalls verfilmte – Rennpferd-Biografie «Seabiscuit» zuständig, ihr «Unbroken» ist die Geschichte des Rennsportlers Louis Zamperini, der 1936 mit 19 Jahren an den olympischen Sommerspielen von Berlin teilnahm und eine Bronzemedaille gewann.

Angelinas Gespür fürs Kraftkino

Mit 24 ging er zur Air Force, wurde Bomberpilot und stürzte am 27. Mai 1943 über dem Südpazifik ab. 47 Tage lang trieb er mit einem Kollegen (ein weiterer war schon nach 33 Tagen tot) auf dem Meer, dann nahmen die Japaner die beiden gefangen, und bis zum Kriegsende lebten sie in japanischen Kriegsgefangenenlagern, wurden gefoltert und zu Propagandazwecken gebraucht. Zamperini kehrte als Held nach Amerika zurück und lebte fortan als gläubiger Christ.

Er starb am 2. Juli 2014, Angelina Jolie wachte viele Nächte an seinem Sterbebett, gemeinsam schauten sie sich eine Rohfassung des Films an. Das gehört natürlich in die Abteilung der höheren Rührseligkeiten, zu denen Angelina Jolie, die Übermutter aller Elenden dieser Welt, durchaus auch fähig ist. Aber erstens ist das Leben des Louis Zamperini eine wundervoll runde Erzählvorlage, zweitens hat Angelina Jolie ein grosses Gespür fürs Kraftkino.

Die Männer und das Meer: 47 Tage lang trieb Louis Zamperini mit seinem Kumpel auf dem Südpazifik.
Die Männer und das Meer: 47 Tage lang trieb Louis Zamperini mit seinem Kumpel auf dem Südpazifik.Bild: Universal Pictures
Die Chefin bei den Dreharbeiten.
Die Chefin bei den Dreharbeiten.Bild: AP/Universal Pictures

Richtig misslungen sind einzig die Retrospektiven auf Zamperinis Jugend, die sind allzu nostalgisch. Doch sobald es um Kampf geht – um die olympischen Spiele, um Bombardements, ums schiere Überleben – blüht Angelina Jolie, die Kampfmaschine aus dem Action-Kino, auf. Wie gnadenlos fokussiert sie auf den Absturz, auf das Treiben der Abgestürzten im Meer, auf ihre völlig ausgehungerten Körper, auf die Haut, die unter der Sonne verbrennt und von Geschwüren überzogen ist, auf die Nahrungsaufnahme, die aus dem Verzehr noch recht lebendiger Fische besteht, auf die Wunden, die nicht heilen. Auf den zunehmenden Sprachverlust der Männer. 

In die Eingeweide hauen

Und dann der Blick auf die beiden gelben Rettungsboote, von ganz weit weg gefilmt, völlig einsam, ausweglos verloren. Später das erste Gefangenenlager in der Nähe von Tokyo, ebenfalls aus der Distanz, ein Ornament von Ohnmacht und Gewalt, genauso wie die Kulisse der Nazis ein paar Jahre früher im Olympiastadion von Berlin. Und immer der Körper (Jack O'Connell macht das ausgezeichnet), der kämpft und kämpft und weit sicherer und in sich gefestigter ist als der Geist, der dazu gehört und der vor Verzweiflung öfter aufgeben möchte. Das Böse ist dabei ein frustrierter, sadistischer Gefängnisaufseher, der über Zamperini sein eigenes verhasstes Spiegelbild wieder und wieder zum Bersten bringen will. Die Augen der Zuschauer können dabei oft nicht ganz so genau hinsehen wie die der Regisseurin.

«Visceral» nennen die Amerikaner, was Angelina Jolie und Brad Pitt in ihren neuen Filmen liefern. Viszeral, etwas, das einem in die Eingeweide fährt und darin herumstochert und macht, dass einem kein bisschen wohl ist im Panzerkino, im Lagerkino, im Kriegskino. Obwohl der Bogen, der sich zum Ende der Filme schliesst, durchaus ein Wohlgefühl zuliesse. Zweimal geht der Krieg zu Ende, zweimal werden Helden geboren. Aber die Geburtswehen, die sind so grauenvoll, dass am Ende nichts bleibt als die reine Erschöpfung. 

Die Ausweitung der Kampfzone im Hause Jolie-Pitt war also radikal. Und sollte dies die Methode der beiden sein, sich den Ehetherapeuten zu ersparen, dann schauen wir weiterhin gerne dabei zu.

«Fury» startet am 1. Januar im Kino, «Unbroken» am 15. Januar.

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