Gesellschaft & Politik
Islamischer Staat (IS)

Rehana, das Postergirl des kurdischen Widerstands, ist ein Mythos 

Ein Sieg für die kurdische Sache? Bild der als «Rehana» bekannt gewordenen kurdischen Widerstandskämpferin.
Ein Sieg für die kurdische Sache? Bild der als «Rehana» bekannt gewordenen kurdischen Widerstandskämpferin.Bild: twitter
Kriegspropaganda entlarvt

Rehana, das Postergirl des kurdischen Widerstands, ist ein Mythos 

Eine kurdische Widerstandskämpferin wird zur Medienikone hochstilisiert. Dann wird ihr Tod vermeldet, später wieder dementiert. Ein BBC-Bericht lässt nun erahnen, dass «Rehana» nicht die Person ist, für die sie gehalten wurde.
04.11.2014, 12:0405.11.2014, 10:23
William Stern
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Es klang nach einer Geschichte, wie sie nur Kriege und Katastrophen hervorbringen können: Eine junge Frau, gutaussehend, kämpft heldenhaft an vorderster Front, um ihre Heimat gegen die Schlächter des Islamischen Staates zu verteidigen. Die Rede ist von «Rehana», deren wirklicher Name vielleicht so, vielleicht anders lautet. 

Der «Engel von Kobane», wie die Frau bald einmal in einhelliger Begeisterung von zahlreichen westlichen Medien getauft wurde, soll angeblich mehr als 100 IS-Kämpfer getötet haben. Das berichtete ein indischer Blogger am 13. Oktober.

5555 Mal wurde die Nachricht des Bloggers und Journalisten Pawan Durani retweetet und «Rehana», die Frau mit den blonden Strähnen, dem verkniffenen Lächeln und der AK-47 wurde über Nacht zur Ikone eines Krieges, bei dem zwischen Gut und Böse so klar unterschieden werden kann, wie sonst nur in einem Märchen.

Jetzt berichtet die BBC auf ihrer Website, dass es sich bei «Rehana» höchstwahrscheinlich nicht um die Person handelt, für die sie ausgegeben und bewundert wurde. Das ikonographische Bild, das über die sozialen Medien um die Welt ging, stammt laut der englischen BBC von einer Aushebung für Freiwillige in Kobane am 22. August. Carl Drott, ein freischaffender schwedischer Journalist, konnte an diesem Tag mit ihr sprechen, wie er auf Facebook schreibt. Gemäss Drott meldete sich «Rehana» nicht für eine Kampfeinheit, sondern für eine Art Bürgerwehr. Es sei also höchst unwahrscheinlich, so der Journalist, dass sie tatsächlich eine dermassen grosse Zahl an IS-Kämpfer getötet habe.

Einige Tage später erschien das Foto der jungen Kurdin in Uniform dann auf dem Blogging-Portal bijikurdistan.tumblr.com, das die kurdische Widerstandsbewegung unterstützt. Über die englischsprachige, kurdische Newssite Slemani Times trat das Bild schliesslich seinen viralen Siegeszug durch das Netz an. 

Rehana ist gestorben, Rehana lebt

Anfang Oktober ging auf sozialen Medien das Gerücht um, eine kurdische Kämpferin sei von IS-Kämpfern gefangen genommen und enthauptet worden. Twitter-Nutzer @kurdistan_army verbreitete das Foto einer unidentifizierten kurdischen Kämpferin zusammen mit einem Bild von «Rehana» weiter. Zeitungen wie die «Daily Mail» griffen die Informationsschnipsel auf und verarbeiteten sie zu einer tränenreichen Geschichte, bei der der grausame Tod einer Märtyrerin beklagt wurde. 

Wenige Tage später, als die Dementi aus dem Netz am Wahrheitsgehalt der Nachricht zweifeln liessen, krebste die «Daily Mail» zurück und feierte die Wiederauferstehung Rehanas ebenso emotional überschwänglich, wie sie zuvor ihren Tod betrauert hatte. Drott, der Rehana persönlich getroffen hatte, machte bereits am 18. Oktober auf einem Facebook-Beitrag darauf aufmerksam, dass die getötete kurdische Kämpferin seiner Meinung nach keine Ähnlichkeit mit «Rehana» aufweise.

Krieg der Bilder

Dass es sich bei Rehana tatsächlich um eine kurdische Kämpferin handelt, ist anzunehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie an der Front kämpfte, geschweige denn, dass sie 100 kampferprobte Dschihadisten zur Strecke brachte, ist jedoch gering. Drott schreibt dazu: «Ich bezweifle, dass selbst die fähigsten Scharfschützen der Milizen in Kobane seit dem Beginn des Krieges hunderte Feinde getötet haben.» 

Die Vermutung liegt nahe, dass in einem Krieg, der Myriaden von Bildern hervorbringt, alle Kriegsparteien daran interessiert sind, diese Bilder in ihrem Sinne wirken zu lassen. Der IS, indem er sich je nach Zielgruppe entweder als unbesiegbare, alles zermalmende islamistische Dampfwalze inszeniert oder als Wohltäter einer schutzbedürftigen Religionsgruppe im arabischen Raum. Die kurdischen Widerstandskämpfer wiederum als Beschützer einer jahrhundertelang drangsalierten, staatenlosen Gemeinschaft, die nun die letzte Bastion der Zivilisation – Kobane – gegen die heranstürmenden Horden des Fanatismus verteidigt. 

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Das letzte Wort in einem unübersichtlichen Konflikt, der nicht mehr nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch in Zeitungsspalten, Chat-Portalen und Social-Media-Plattformen ausgetragen wird, gehört dem Journalisten Drott, der in der «Süddeutsche Zeitung» wie folgt zitiert wird: «Sie (Rehana) hat sich freiwillig gemeldet, um Kobane vor dem Islamischen Staat zu verteidigen und ihr Leben zu riskieren. Es ist ein Affront ihr gegenüber, dass manche Leute meinen, das sei nicht genug, und dass weitere phantastische Details hinzugefügt werden müssten.»

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