Die Botschaft ist eindeutig: Die NATO lässt die Muskeln spielen. Am Gipfel in Wales hat das westliche Verteidigungsbündnis den Aufbau einer Kriseneingreiftruppe beschlossen. Überdies will die NATO ihre Präsenz in Osteuropa verstärken – als Antwort auf den Konflikt mit Russland in der Ukraine-Krise.
Die durchaus berechtigte Besorgnis des Westens angesichts des russischen Vorgehens in der Ostukraine lässt allerdings schnell vergessen, dass die NATO-Beschlüsse aus russischer Sicht ebenfalls beunruhigend sind. Man hat in Moskau nicht vergessen, dass sich die NATO seit ihrer Gründung im Kalten Krieg 1949 stetig erweitert hat – und zwar vornehmlich in eine Richtung: nach Osten.
Vor allem seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 ist das westliche Bündnis weit nach Osten vorgedrungen und hat mehrere ehemalige Mitgliedstaaten des Warschauer Pakts aufgenommen. 2004 traten der NATO mit den drei baltischen Staaten sogar ehemalige Sowjetrepubliken bei.
Die Mitgliedschaft im westlichen Bündnis dient den Balten und anderen Osteuropäern als Lebensversicherung gegen eventuelle Machtgelüste des russischen Bären. Man hat schmerzliche Erfahrungen unter der russischen Knute gemacht.
Doch auch Russland hat sein Trauma: Mehrmals ist das Riesenreich von Westen her angegriffen worden; Napoleons Grande Armée eroberte Moskau, Hitlers Wehrmacht verwüstete das Land und brachte Millionen um. In dieser Optik war der Vormarsch der NATO an die Grenzen Russlands nicht nur demütigend, sondern auch beunruhigend. Er dürfte in Moskau Einkreisungsängste geweckt haben.
Einen Eindruck davon kann obenstehende animierte Grafik geben. Sie zeigt, wie sich die NATO seit 1949 erweitert hat und dabei an das russische Kernland vorgerückt ist. Die Ukraine – eines der Kernländer der Sowjetunion und deren Rüstungsschmiede – möchte dem Bündnis ebenfalls beitreten, ebenso die ehemalige Sowjetrepublik Georgien. Eine in die NATO integrierte Ukraine aber dürfte Russland ebensowenig hinnehmen, wie die USA beispielsweise ein chinesisch dominiertes Mexiko akzeptieren würden.