Vom fieberhaft gesuchten Todesschützen fehlte am Dienstagmittag noch immer jede Spur. Derweil wird trotz der Suizidtheorie der Polizei darüber spekuliert, ob der Täter noch am Leben sein könnte und sich nicht in den Fluten des Rheins das Leben nahm.
Tatsache ist Jürgen Hermanns grosse Vertrautheit mit dem Element Wasser. Der 58-jährige Mann tauchte seit seinem 14. Lebensjahr. In einem nicht datierten, aber im Internet veröffentlichten Interview schildert Hermann, wie er für die US-Navy einen Tauchcomputer entwickelte.
Unterdessen hat sich die Bank Frick zu Wort gemeldet. Das Geldinstitut teilte mit, der gesuchte Jürgen Hermann habe während Jahren erfolglos versucht, die Bank zu erpressen. Nach Darstellung des Geldhauses wollte Hermann die Bank Frick zu finanziellen Zugeständnissen zwingen. Der Mann habe gedroht, die Bank bei ausländischen Institutionen, Behörden und Gericht mit haltlosen Unterstellungen anzuschwärzen.
Die Fahndungsmassnahmen in der Nacht auf Dienstag zum Verbleib des Verdächtigen haben bisher keinen Erfolg gebracht. Zudem wurde ein Suchflug mit einem Helikopter durchgeführt. Der Helikopter suchte das Gebiet Ruggell mit einer Wärmebildkamera ab, die Suche verlief ergebnislos.
Die Spur Hermanns reisst am Ufer des Rheins bei Ruggell ab. Hat sich der bekanntlich gute Taucher tatsächlich in den Grenzfluss gestürzt, um so sein Leben zu beenden? Die Polizei gibt dazu keine genauen Auskünfte. Solange Hermann nicht gefunden worden ist, müsse ein erhöhter Gebäude- und Personenschutz aufrecht erhalten werden, schreibt «Vaterland.li». Näher wollte die Polizei nicht darauf eingehen. Keine Spur gibt es auch nach wie vor von der Tatwaffe, einer 9-Millimeter-Pistole.
Die Liechtensteiner Polizei ermittelt weiterhin in «unterschiedlichste Richtungen», wie sie am Dienstag mitteilte. Auch heute stehen Suchhunde am Rheinufer in Ruggell im Einsatz. Taucher suchen zudem den Rhein nach dem mutmasslichen Täter ab. Bei der Suche werden die Liechtensteiner Polizisten von Kollegen aus der Schweiz sowie Österreich unterstützt.
Das Drama nahm am Montag seinen Lauf. Er tötet den Chef der Liechtensteiner Bank Frick, flieht, und veräppelt auch noch die Polizei: Seit Jürgen Hermann, selbsternannter «Robin Hood Liechtensteins», am Montagmorgen den CEO der Bank Frick in einer Tiefgarage in Balzers mit drei Schüssen getötet haben soll, sucht die Polizei auf Hochtouren nach dem ehemaligen Fondsmanager.
Am Montagnachmittag haben Fahnder das Auto, mit dem Hermann vom Tatort verschwunden ist, nahe der Schweizer Grenze in der Gemeinde Ruggell gefunden. Wenig später stiessen die Suchtrupps ausserdem auf die persönlichen Gegenstände des mutmasslichen Schützen. So befand sich die Jacke Hermanns auf dem Binnendamm beim Rhein, samt passendem Autoschlüssel für das Fluchtfahrzeug.
Auch in den Reisepass schrieb Hermann Notizen von Hand. Gemäss einer Mitteilung der Polizei könnten diese als Abschiedsbrief und Tatgeständnis gedeutet werden. Es bestünde deshalb der Verdacht, der Täter könne Suizid begangen haben. Doch eine Leiche wurde nicht gefunden – alle Spuren verlieren sich am Ufer des Rheins.
Unabhängig vom Verdacht des Suizids fahndet die Polizei deshalb mit Suchhunden und Helikoptern nach Hermann. Am Montagnachmittag war die Liechtensteiner Wasserrettung damit beschäftigt, den Rheindamm bei Ruggell abzusuchen.
Hermann war seinem Opfer am Montag kurz nach 7 Uhr zu Fuss durch das offene Tor der Tiefgarage der Bank Frick in Balzers gefolgt. Die drei Schüsse aus einer Faustfeuerwaffe des Kalibers 9 Millimeter fielen, nachdem das Opfer das Auto parkiert hatte und ausgestiegen war. Gefunden wurde der Tote kurz vor 7.30 Uhr von einem Bankangestellten.
Ob Hermann sich sein Opfer, den 48-jährigen Direktionsvorsitzenden, gezielt ausgesucht hatte, ist unklar. Für Insider scheint die Tat jedoch wenig überraschend zu sein, wie 20 Minuten berichtet: Hermann soll die Bank Frick – und speziell den getöteten Jürgen Frick – mitverantwortlich für die Pleite seiner Anlagegesellschaft gemacht haben. Bereits vor zwei Jahren soll es zwischen den beiden zum ersten Mal eskaliert sein.
«Immer wieder drohte er der Bank, sie bei den amerikanischen oder den britischen Aufsichtsbehörden anzuschwärzen», sagte ein Bankmitarbeiter gegenüber 20 Minuten. Dem CEO selbst habe Hermann «Ostergrüsse» zukommen lassen, in denen er Frick Gewalt androhte – woraufhin dieser Anzeige erstattet habe.
Landtagspräsident Albert Frick hat laut Radio Liechtenstein die heutige Sitzung des Landtags abgesagt. Erst am Freitag habe der Flüchtige Hassmails an verschiedene Personen – darunter auch Politiker – verschickt. Ob die nächste Landtagssitzung am kommenden Mittwoch abgehalten wird, ist noch unklar.
Gemäss unbestätigter Informationen soll ein psychiatrisches Gutachten zu dem Schluss gekommen sein, dass Hermann psychisch angeschlagen sei und eine Behandlung benötigte. Ein von Hermann eingeholtes Gegengutachten soll ihm zwar Stress aufgrund der persönlichen Situation, aber dennoch volle psychische Gesundheit attestiert haben. Eine Behandlung wurde offenbar nicht angeordnet.
Das Fürstentum verklagte er vor ein paar Jahren auf 200 Millionen Franken Schadenersatz, angeblich deshalb, weil die Finanzmarktaufsicht seine Gesellschaft und ihre Fonds unter Beobachtung (Monitoring) stellte. 200 Millionen ist die Summe, die er jetzt auch auf seinen eigenen Kopf aussetzt.
Der ehemalige Erfinder führt seit Jahren einen Kampf gegen Banken und das politische Establishment. Hermann macht Banken und den liechtensteinischen Staat für seinen Ruin als Fondsmanager verantwortlich. Erst letzten Freitag hatte er wieder Mails verschickt, in denen er den Kleinstaat als «Fürstendumm Scheissenstein» bezeichnete.
(rar/whr/kub/viw/dwi/sda)