Schottland ist zwar nicht gefallen, doch weht der Geist der Unabhängigkeit nun durch ganz Europa: Überall wittern die Separatisten Morgenluft! Nationale Grenzen spielen dabei eine untergeordnete Rolle: Was Basken und Schotten, Bayern und Korsen eint, ist nicht so sehr eine unterdrückte Kultur, sondern der wirtschaftliche Erfolg – dessen Früchte man natürlich mit so wenigen Leuten wie möglich teilen möchte! Wirtschaftsforscher können deshalb schon heute vorausberechnen, an welchen Grenzen sich die europäischen Abspaltungsbewegungen der Zukunft bilden werden.
Es hat so kommen müssen: Nach Jahrzehnten des Länderfinanzausgleichs und der Zumutungen aus Berlin machen sich Bayern und Baden-Württemberg unabhängig: und gründen die «Republic of Productivity and General Southern Excellence». Mit dabei: Südhessen (ohne Offenbach) und evtl. ausgewählte Teile der Deutschschweiz. Sie alle eint Prosperität, Tradition und bräsiger Konservatismus – und sie alle wollen für Investoren noch attraktiver werden! Amtssprache wird deshalb schlechtes Englisch («excellent english»); die Staatsbürgerschaft wird zusammen mit dem Auto erworben, der Schulunterricht auf 50 Wochenstunden Informatik und Bewerbungstraining umgemodelt.
Fahrräder und Homosexualität werden verboten, Jugendliche müssen mit 18 heiraten oder kriegen keinen Führerschein. Eine stark befestigte Nordgrenze mit Elektrozäunen und Minenfeldern sorgt dafür, dass Elendsflüchtlinge aus weniger exzellenten Bundesländern gar nicht erst auf falsche Gedanken kommen.
Längst reicht es nicht mehr, einfach nur nach Berlin zu ziehen, um sich den Anschein einer Biographie zu verleihen. Seit einigen Jahren zählt nämlich ausschliesslich eine Adresse innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings, welcher sich um die lebenswerten Bereiche der Stadt legt: Hier sind nicht nur Mieten und Lebenshaltungskosten mittlerweile fast so hoch wie in jeder anderen europäischen Hauptstadt; auch führt die Kreativität und rücksichtslose Selbstausbeutung der hier angesiedelten Werber und Konzeptingenieure die Innenbezirke zu nie gekanntem Wohlstand!
Entsprechend hochnäsig blicken die Inringler auf die verlausten Gestalten herab, die sich ausserhalb des Rings tummeln, und entsprechend ausgereift sind auch die Separierungspläne: Zunächst werden die Aussenring-Gebiete ausgegliedert und administrativ mit dem «failed state» Brandenburg zusammengelegt. In einem zweiten Schritt kann das neugebildete Bundesland «Dystopia» dann gänzlich aus dem Bundesgebiet ausgegliedert und z.B. als Friedensgabe an Putin verscherbelt werden.
Die umgekehrte Tendenz bricht sich derzeit in der Schweiz Bahn – die Peripherie rückt gegen das Zentrum vor! Was äussere Feinde und innere Krisen nicht geschafft haben, die eigenbrötlerischen schweizerischen Stämme zusammenzuschliessen, wird im 21. Jahrhundert einem inneren Feind gelingen – denn im Hass auf Zürich wissen sich noch alle vereint!
Mit dem «Eid von Schaffhausen» schliessen sich 25 Kantone im Jahr 2020 zur «Confoederatio Non-Turica» (Unzürich) zusammen, lassen Zürich abreissen und auf einer schwimmenden Insel im Mittelmeer wiedererrichten («Neu-Atlantis») – wo die Bewohner künftig treiben können, was sie wollen, ohne anderen zur Last zu fallen. Das entstehende Loch wird mit Wasser gefüllt, der Unzürichsee zum beliebten Ferienziel der erleichterten Restschweiz.