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Sich schämen, weil man bei Attacke nicht eingegriffen hat?

Sich wie eine Mannschaft neben ein Opfer stellen, wirkt meistens Wunder. 
Sich wie eine Mannschaft neben ein Opfer stellen, wirkt meistens Wunder. kafi freitag
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Sich schämen, weil man bei verbaler Attacke nicht eingegriffen hat?

Liebe Kafi. Vorhin im Tram wurde eine pummelige Frau 1 Min. lang von einem (geisteskranken?) Mann übelst verbal attackiert («Sie fette Sau... Kindli-Fresser-Monster» (<- WTF?!?)). Ich bin im Privaten & Beruflichen sehr schlagfertig, traute mich aber nicht meine Einwände (von «geht’s noch?!» bis «falsche Richtung für Burghölzli») zu äussern – geschweige denn, mich nur mit ihr verbal zu solidarisieren. Ich hatte Angst, er schlägt mich zu Boden – ehrlich! Ich schäme mich akut. Muss ich das? #Angsthasengate ... Eliane, 34
31.10.2016, 20:1502.11.2016, 15:20
Kafi Freitag
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Liebe Eliane

Mit der Courage im Alltag ist es so eine Sache. Grundsätzlich ist sie zu dünn gesät, wie das junge Beispiel vom alten Mann auf dem Boden einer Bankfiliale zeigt. Allerdings weiss ich auch nicht, ob ich mich in eine Situation einmischen würde, wenn ich das Gefühl hätte, dass ich es mit einem wirklich geisteskranken Menschen zu tun habe. Aber ich würde mit Sicherheit die Polizei rufen und das auch so kommunizieren. Oder das Trampersonal informieren, welches dann in der Zentrale Troubleshooter bestellt. Das Einbinden von Leuten ist immer eine gute Taktik, speziell auch wenn Passanten in der Nähe sind, die eigentlich gern wegschauen würden. Man kann so eine Mehrheit mobilisieren, welche die Situation entschärfen kann. Aber einen wirklich geisteskranken Menschen kann man damit auch nicht beeindrucken, da wirken keine vernünftigen Mechanismen mehr.

Gar nichts machen ist für mich persönlich nie eine Lösung, selber eingreifen aber auch nicht immer. In ähnlichen Fällen, als ich schon Zeuge von verbalen Attacken wurde, habe ich mich einfach neben die angegriffene Person gesetzt oder gestellt. Das ist eine Geste, die viel bewirken kann. Man solidarisiert sich mit dem Opfer, ohne sich verbal involvieren zu müssen. Ich denke sogar, dass das oft noch mehr Wirkung zeigen kann, als ein mündliches Einschreiten.

Ich würde mich an Ihrer Stelle nicht schämen, sondern mir viel lieber eine Strategie zurechtlegen, wie in einer ähnlichen künftigen Situation zu reagieren wäre. Die normale Schlagfertigkeit, die im Alltag eine schöne Sache ist, hilft einem da nämlich nicht weiter, das weiss ich selber nur allzu gut. In solchen Begebenheiten sind wir auf unsere instinktiven Reflexe zurückgeworfen und die kennen nur Angriff oder Flucht und wir Frauen sind in der Regel besser beraten, wenn wir flüchten. Darum braucht es eine geistige Vorbereitung, um einer solchen Situation gewachsen zu sein. Dass man diese erst einmal entwickeln muss und dazu meistens erst gezwungen wird, wenn man etwas Ähnliches erlebt, ist menschlich.

Im Gegenteil. Sie machen sich Gedanken und reflektieren Ihr eigenes Verhalten. Schämen müssen sich all jene, die noch nicht mal dies tun. Mit herzlichem Gruss, Ihre Kafi

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Kafi Freitag (40!) beantwortet auf ihrem Blog Frag Frau Freitag Alltagsfragen ihrer Leserschaft. Daneben ist sie Mitbegründerin einer neuen Plattform für Frauen: Tribute.

Im analogen Leben führt sie eine Praxis für prozessorientiertes Coaching (Freitag Coaching) und fotografiert leidenschaftlich gern. Sie lebt mit ihrem 11-jährigen Sohn in Zürich.

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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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8004 Zürich
31.10.2016 21:35registriert Februar 2015
Sich einmischen ist halt immer gambeln... Am unangenehmsten ist es immer, wenn Männer Frauen schlecht behandeln und es physisch zu werden droht. Am Albisriederplatz haben zwei Ausgänger eine Frau am Bancomat beschimpft und bedroht. Hab' sie gefragt, ob sie zu ihnen gehört, was sie verneinte. Als ich die beiden dann zum Gehen aufforderte, fragte mich der eine, ob ich Prügel wolle. Wortlos habe ich meine Jacke ausgezogen (und gebetet ;-) worauf er schleunigst nachschob, er wolle sich gar nicht mir prügeln, es sei bloss eine hypothetische Frage gewesen B-) Aber die waren halt schon prollig..
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Matrixx
31.10.2016 20:20registriert März 2015
Gut geschrieben. Eingreifen sollte man nur dann, wenn man sich der Situation bewusst ist und weiss, dass man sie meistern kann.

Es hilft, wenn man auch nur auf Distanz verbal verteidigt. Mal zurufen "Schreien Sie nicht so!" oder "Lassen Sie sie in Ruhe!" hilft oft. Es ist dann für den Täter überraschend, dass sich jemand einmischt.
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Yelina
31.10.2016 21:33registriert Juli 2014
Jeweils früh morgens stieg immer ein umgepflegter Typ in den Zug nach Zürich ein. Ich kannte ihn, er verwickelte junge Frauen jeweils in ein trunkenes Gespräch, roch unangenehm und wurde unter Umständen auch zudringlich. Eines Morgens setzte er sich neben ein Mädchen, ca. 15. Weil die junge Frau sich dem unfreiwilligen Gespräch offensichtlich nicht entziehen konmte, deutete ich ihr, ihre Kopfhörer aufzusetzen, um wenigstens das Gespräch abzubrechen. Damals hat es geklappt und sie war dankbar. Es kommt sehr auf die Situation an, aber helfen kann man immer irgendwie.
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