Kafi Freitag - Das Buch
Die 222 besten Fragen und Antworten in einem schön gestalteten und aufwendig hergestellten Geschenkband.
Liebe Larissa
Danke für Ihre tiefsinnige Frage. Darüber musste ich erst schlafen. Sie vermischen in Ihrer Frage einiges, was man – so denke ich – besser nicht in einen Topf wirft. Aber grundsätzlich ist es immer so, dass man mit einem Suizid den Mitmenschen die Chance nimmt, sich zu verabschieden. Meistens passieren Suizide ja im Stillen, sie werden nicht angekündigt, man wird vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Familie und Freunde können keine Fragen mehr stellen. Es ist zu spät.
Dem gegenüber steht ein Freitod, den man geplant und begleitet begeht, wie man das in der Schweiz mit der Sterbehilfeorganisation EXIT begehen kann. Diesem Suizid gehen Stunden, oft Wochen und Monate des Abschieds bevor. Man weiss, dass der Kranke sterben wird, man kann sich darauf vorbereiten. Dass man seelisch kranken Menschen diesen Weg nicht «so einfach» gewährt wie körperlich kranken, finde ich persönlich allerdings absolut richtig. Ein Mensch in einer Depression sollte keine endgültige Entscheidung treffen, die sein Leben betrifft. Er ist während dieser Krankheit nicht wirklich sich selber, sondern von Ängsten und Traurigkeit, von der Krankheit dominiert. Ich weiss sehr gut, wovon ich rede, ich hatte mit Anfang 20 eine Depression, die nicht sehr stark war, mir aber dennoch jegliche Lebensfreude raubte. Gottlob war ich zu keiner Zeit suizidgefährdet, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass bei einer starken Depression der Tod als einziger Ausweg erscheinen kann.
Es wäre sehr tragisch, wenn man einen Menschen in dieser Phase der Krankheit ins Jenseits befördern kann. Zumal eine Depression in den Händen einer guten Fachperson oft behandelbar ist. Darum ist jeder Suizid eines psychisch kranken Menschen furchtbar tragisch. Viele Krankheiten sind nicht kurierbar, der Weg ins Leiden ist eine Einbahnstrasse. Dass man sich dort für die Selbstbestimmung und einen geplanten Tod entscheidet, kann ich gut nachvollziehen. Schlussendlich darf jeder Mensch aber für sich entscheiden, ob er leben oder sterben will.
Sehr oft ist von Egoismus die Rede, wenn sich ein Mensch das Leben nimmt. Ich denke aber, dass bei einer solchen Entscheidung das eigene Leiden sehr viel stärker ist, als die Rücksichtnahme auf Mitmenschen.
Das ist unglaublich schwierig für alle Angehörigen, verstehen kann man das als zurückgelassener Mensch nicht.
Ich weiss nicht, ob Sie diese Frage aus reinem Interesse gestellt haben, oder ob Sie sich selber in einer solchen Situation befinden. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Leben keinen Sinn mehr macht und Sie den Tod als Erlösung aus diesem Schmerz ansehen, dann gehören Sie ganz dringend in ärztliche Behandlung. In jeder grösseren Stadt gibt es ein Kriseninterventionszentrum, zu dem Sie einfach hingehen könnten. Bitte lassen Sie sich helfen, falls Sie in seelischer Not stecken!
Falls Sie nicht selber betroffen sind; umso besser.
Herzlichen Gruss. Ihre Kafi.