Lasst uns Tacheles reden. Einen Namen zu haben, der mit «ic» endet, kann scheisse sein. Bei der Wohnungssuche zum Beispiel. Würde ich Hugentobler, Schweizer oder Schmied heissen, müsste ich nicht stets zum persönlichen Gespräch antraben. Als «ic» aber mache ich genau das.
Eine gute Freundin von mir arbeitet bei einer Verwaltung. Sie hat mir mal off the record gesagt, dass die erste Wahl bei Mietern immer auf Schweizer fällt. Papierlischweizer, wie ich einer bin, ausgenommen. Also habe ich es mir angewöhnt, meine Bewerbungen nicht eingeschrieben zu verschicken, sondern eben persönlich zu überreichen.
Ob mich das wütend macht? Null. Wer selber antrabt, kann nur gewinnen. So habe ich schon einmal einen Verwalter gedatet, ein anderer fand mich «so eine Lustige», dass er mir neue Fenster einbauen liess, und ein Dritter offenbarte, dass er eigentlich kein Fan von Balkanern sei – und wenn die dann auch noch im Journalismus tätig seien, «dänn guet Nacht am Sächsi». Er hat mich trotzdem genommen. «Ich glaube, dass Sie integriert sind. Und solvent.»
Schon klar. Der Spruch ist hohl. So hohl, dass mir der, der ihn rausgelassen hat, mehr leid tut, als dass mich die Aussage wirklich trifft. Der Herr ist weltfremd. Mit mir persönlich hat sein Hinterwäldlertum aber nichts zu tun.
Noch viel hinterwäldlerischer aber finde ich die Swiss Life. Vor Wochenfrist machte die «SonntagsZeitung» publik, dass die Versicherung ihren aus dem Balkan stammenden Call-Center-Mitarbeitern empfiehlt, sich ein Schweizer Pseudonym zuzulegen.
So werden mal schnell aus Goran Stojanovic Dani Sutter und aus Dragana Radic Sandra Hohl. Das, weil es angeblich einfacher sei, mit Schweizer Namen Kunden zu überzeugen, einen Vertrag zu unterschreiben.
Bloss: Was, wenn Goran und Dragana einen Akzent haben? Der deutschen Sprache nicht zu 100 Prozent mächtig sind? Ist man da nicht doppelt verarscht? Als Mitarbeiter und Kunde? Die ganze Chose stinkt meiner Meinung nach sowieso von A bis Z zum Himmel. Sie unterstellt Kunden Rassismus und schafft künstlich ein Zwei-Klassen-Gefühl unter Mitarbeitenden.
Ich erinnere mich an meine Zeit im Call Center eines grossen Mobilfunkanbieters. Vor 14 Jahren war ich selber während zwei Jahren am Telefon tätig. In dieser Zeit habe ich es nur zwei Mal erlebt, dass man mich einen «Schiss-Jugo» schimpfte und mich dahin zurückschicken wollte, woher ich ursprünglich komme.
Waren Kunden sauer, schrieen mich an oder drohten mit dem «Kassensturz», dann ging's grundsätzlich nicht um meine Person, sondern um die Umstände und das Unternehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei Swiss Life anders ist.
Und selbst wenn. Es ist das Letzte, Angestellte dazu anzuhalten, ihre Identität zu verheimlichen. Ich würde eher nackt die Langstrasse hoch und runter joggen, statt meinen Namen herzugeben. Mal Hand aufs Herz, liebe Swiss-Life-Chefetage: Würdest du dich anders nennen? Oder als Businessmann mal Leggins mit Büsis drauf anziehen? Oder ein Band-Shirt von Slayer oder Mötley Crue?
Eben.
Also hört bitte auf, von euren Angestellten zu erwarten, dass diese sich in jemanden verwandeln, der sie nicht sind.
Und bitte traut euren Kunden etwas mehr zu. Nicht alle da draussen sind rassistische Idioten. Und falls doch, überdenkt eure Kundschaft.
Mit freundlichen Grüssen,
Eure Ludmila – for ever and ever – Balkanovic