In den Zentren der grossen Städte ist es unmöglich, einen Autofahrer zu finden, der genau in die Richtung fährt, in die ich will. Deshalb fahre ich jeweils mit Bus oder Tram an den Stadtrand.
Dank einer perfekten ÖV-App gelingt das in Budapest im ersten Anlauf. Zudem sind die Ungarn so freundlich, dass mich bereits nach wenigen Minuten jemand mitnimmt. So geht es den ganzen Tag weiter, ich brauche kaum Geduld.
Trotzdem schaffe ich es bis um 19.30 Uhr bloss nach Retsag, einem ziemlich trostlosen Ort rund 60 Kilometer nördlich von Budapest – völlig selbstverschuldet: Ich bin wieder einmal nicht aus den Federn gekommen und war deshalb erst um 13 Uhr am Stadtrand von Budapest.
Ich habe meine Reiseroute einmal mehr schlecht geplant und deshalb einen kilometerlangen Umweg gemacht. Und ich habe einmal mehr dem Reiseführer blind vertraut und deshalb der Allerwelts-Ruine Visegrad an der Donau einen unnötigen Besuch abgestattet.
Dabei wollte ich heute in einem hübschen Städtchen im Herzen der Slowakei übernachten, damit ich tags darauf zeitig in den Hohen Tatra bin, den Bergen im slowakischen Norden. Jetzt werde ich es nicht einmal mehr über die ungarisch-slowakische Grenze schaffen, denke ich mir.
In diesem Moment ruft jemand vom kleinen, ungemütlichen Rastplatz in meine Richtung. Es ist ein LKW-Fahrer. Mit kurzen Hosen und nacktem Oberkörper winkt er mir, seinen stattlichen Bierbauch in den letzten Sonnenstrahlen badend.
Ich verstehe zwar kein Wort, packe aber sofort meinen Rucksack, renne zu ihm, und sage mein Sprüchlein auf: «Nem beszélek magyarul» – ich kann kein Ungarisch. Er lacht mich mit seinem rundlichen, freundlichen Gesicht nur an und fragt: «Slovakia?»
Wenige Minuten später fahre ich mit Owi (für die Schreibweise lehne ich jede Haftung ab) Richtung Abendrot. Ich bin für die Frohnatur aus Rumänien, die zwischen 30 und 40 Jahre alt sein dürfte, offensichtlich eine willkommene Abwechslung im einsamen Alltag in der Fahrerkabine.
Mit ein paar Brocken Englisch sowie viel Händen und Füssen unterhalten wir uns über die Korruption in seinem Heimatland, seine italienischen Wurzeln und die hübschen osteuropäischen Frauen.
Ich lehne mich zurück und geniesse das Fahrgefühl hoch über der Strasse. Ich habe riesige Beinfreiheit und auch meinen 20-Kilo-Rucksack bin ich für einmal los. Ich durfte ihn auf Owis Schlafplatz legen, der sich direkt hinter unseren Sitzen befindet.
Auf einen LKW, der mich aufliest, habe ich zuvor 60 Mitfahrgelegenheiten lang vergeblich gewartet. Jetzt bin ich König der Strasse – und gelange majestätisch nach Banska Bystrica im Herzen der Slowakei.
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