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In der Kirche ist der Satan ein Teufel

Verschiedene Gestalten praegen den Fasnachtsumzug am "Guedismontag", 23. Februar 2009, in der Luzerner Innenstadt. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
Sujet aus einer Luzerner Fasnacht.Bild: KEYSTONE
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In der Kirche ist der Satan ein Teufel – verbannt ihn an die Fasnacht!

Der Satan dient den Kirchen als Mittel zur Disziplinierung.
04.02.2017, 09:1217.09.2019, 15:07
Hugo Stamm
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Die Fasnacht ist vor allem in katholischen Stammlanden eine hohe Zeit. Man darf sich verkleiden, hinter einer Maske verstecken, eine andere Identität annehmen und sich austoben. Man könnte auch sagen: die Sau rauslassen.

In dieser Zeit scheint es keine Sünde zu geben. Vor der Fastenzeit ist fast alles erlaubt. Fasnacht als Ventilfunktion.

Um die dunkle Seite in sich auszuleben, sind Hexen, Dämonen und teuflische Figuren beliebte Sujets. Sie «überfallen» Passanten, wenn sie durch die Strassen ziehen und ergötzen sich, wenn diese erschrecken.

Satan sucht Jesus in der Wüste heim.Video: YouTube/ushistorywriter

Nur: Kleine Kinder können oft nicht erkennen, dass hinter den Masken «normale» Menschen stecken. Sie sehen in den Narren richtige Dämonen und Teufel. Unschöne Begegnungen dieser Art können bei ihnen Ängste hervorrufen.

So geht es manchen Kindern auch, wenn sie im Religionsunterricht oder in der Kirche vom Satan hören. Die Vorstellung, dass der Teufel herumschleicht, um Seelen zu fangen und in seinen Bann zu ziehen, löst Ängste aus, die sich traumatisch auswirken können.

Es gibt kein potenteres Mittel, um die Gläubigen einzuschüchtern, als die Drohung mit dem Satan.

Viele Geistliche der Landeskirchen sind sich der psychologischen Problematik bewusst und umschiffen den Satan so weit es geht. Etliche Freikirchen kultivieren hingegen den Gegenspieler Gottes sehr gern: Es gibt kein potenteres Mittel, um die Gläubigen einzuschüchtern, als die Drohung mit dem Satan. Er ist der Herrscher über die Hölle, in der Sünder laut christlicher Heilslehre bis in alle Ewigkeit schmoren werden.

Im Kern des christlichen Glaubens steckt also die Angst. Genauso wie bei den meisten Religionen. Und es gibt kein wirksameres Disziplinierungsinstrument als diese Angst.

Das Kultivieren von Angst im Namen eines Gottes, der uns gleichzeitig als gütiger Schöpfer und liebender Vater dargestellt wird, ist widersinnig. Und in gewisser Weise unmenschlich.

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Es ist auch aus psychologischer und pädagogischer Sicht ein Unsinn, mit der Hölle zu drohen, um die Gläubigen zu «guten Menschen» zu erziehen. Jedes Kind weiss heute, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist. Angst schüchtert ein, blockiert, unterminiert das Selbstwertgefühl und kann Depressionen auslösen.

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Wir Menschen brauchen Zuneigung, Anerkennung und Motivation, um den hohen ethischen Anforderungen der christlichen Moral gerecht zu werden. Dass Gott, der letztlich die Hölle erfunden hat, mit dem Mittel der Angst reagiert, ist unverständlich.

Satan als Konzept zur Disziplinierung der Gläubigen

Erklärbar würde die Sache mit dem Satan und der Hölle allerdings, wenn wir erkennen würden, dass das Konzept von Angst und Disziplinierung entworfen wurde von Menschen, die die Menschen disziplinieren oder gar unterjochen wollten.

Fortschrittliche Geistliche und Theologen haben ebenfalls Mühe mit Teufel und Hölle, weil sie in unserer Zeit anachronistische Überbleibsel sind. Sie interpretieren sie gern metaphorisch, also als Gleichnis.

Allerdings eignen sich beide nicht als Metaphern, denn sie sind zentrale Elemente des christlichen Glaubens. Deshalb müssen Kirchen und Gläubige sie gegen jede Vernunft verteidigen.

Der Teufel hatte erst im Neuen Testament seinen grossen Auftritt

Dabei vergessen sie gern, dass der Satan im Alten Testament noch keine grosse Rolle spielte, sondern seinen grossen Auftritt erst im Neuen Testament erhielt. Und wer hat ihn erfunden? Weder Gott noch die Urchristen.

Satan und die Hölle geisterten schon durch frühere Religionen – wie auch andere Versatzstücke der christlichen Heilslehre. Zarathustra holte ihn in die Welt, als es den Monotheismus noch nicht gab. Was bedeutet, dass der christliche Glaube nicht so original ist, wie uns gern verklickert wird.

Hugo Stamm; Religionsblogger
Hugo Stamm
Glaube, Gott oder Gesundbeter – nichts ist ihm heilig: Religions-Blogger und Sekten-Kenner Hugo Stamm befasst sich seit den Siebzigerjahren mit neureligiösen Bewegungen, Sekten, Esoterik, Okkultismus und Scharlatanerie. Er hält Vorträge, schreibt Bücher und berät Betroffene.
Mit seinem Blog bedient Hugo Stamm seit Jahren eine treue Leserschaft mit seinen kritischen Gedanken zu Religion und Seelenfängerei.

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86 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Trasher2
04.02.2017 09:49registriert März 2016
Herr Stamm, das versteh ich jetzt nicht wirklich. Zum einen prangern sie (zurecht) die Instrumentalisierung des Bösen zur Konditionierung der Gläubigen an. Bemerken wenige Sätze später, dass fortschrittliche Theologen auch Mühe mit Teufel haben. Nur um danach zu sagen, dass Gläubige die Existenz von Satan verteidigen müssen.

Nun, warum sollte ich das müssen? Warum sollten es die fortschrittlichen Theologen müssen? Muss ich mir das von Ihnen vorschreiben lassen?

Ich lebe als Katholik meinen Glauben an einen liebenden Gott. Über die Fegefeuer einschüchterungs Stories bin ich längst hinweg.
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Deutero Nussuf
04.02.2017 10:25registriert Januar 2016
Natürlich gibt es keinen Teufel als Bild des Bösen im AT, denn dieses ist von einem Gott dominiert, der weder gut noch böse ist. (Das ändert sich aber zusehends in den jüngsten Schriften, wie z.B. Daniel)
Eine Personifizierung des Bösen wird erst zwingend angesichts eines Guten Gottes. Ohne diese Dualisierung kann das Christentum nicht funktionieren, trotz aller "modernen" Theologen.

Man kann sagen: je monotheistischer eine Religion, je dualistischer das Welt- und Jenseitsbild.
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