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Du willst nur das Beste? Voilà:
Es ist der erste Advent. Die Weihnachtszeit soll ja die Zeit der Menschlichkeit und der Nächstenliebe sein – dass sie das in Tat und Wahrheit leider nicht ist, bestätigt sich nach einem Blick in die Zeitung. Man könnte meinen, wahren Weihnachtsgeist gebe es nur noch in Hollywood.
Jedoch weit gefehlt. Ich möchte euch heute die Geschichte des «Monetsfreudli» erzählen. Eine Geschichte aus meiner Familie, die wahr ist und die auch mir immer wieder den Glauben an die Menschheit zurückgibt.
1978 steckte meine Grossmutter in einer tiefen Lebenskrise. Es ging ihr wirklich nicht gut. Das wusste auch mein Vater, damals junger Arzt. Es fiel ihm deshalb umso schwerer, meine Grossmutter zurückzulassen, als er mit meiner Mutter und meinem neugeborenen Bruder die Schweiz verliess, um in Argentinien, wo gerade die Militärdiktatur herrschte, fürs IKRK zu arbeiten. Er überlegte sich, wie er meine Grossmutter aufheitern könnte und entschied sich, einen Dauerauftrag auf ihr Konto aufzugeben. 100 Franken pro Monat. Beim Zahlungszweck vermerkte er: «S’Monetsfreudli vo öperem, wo dich gern hät». Seinen Namen nannte er nicht.
Meine Grossmutter bekam also die erste Zahlung und hielt diese für einen Irrtum. Als die zweite Zahlung einging, wunderte sie sich schon eher und fuhr darauf zur Bankfiliale, von welcher die Einzahlungen kamen, und erkundigte sich, wer der Auftraggeber sei. Das dürfe man ihr nicht sagen, gab ihr die Bankangestellte Auskunft. Ob sie denn dem Auftraggeber theoretisch eine Nachricht überbringen könnte, wollte meine Grossmutter dann wissen. Ja, das sei möglich.
Und so begann meine Grossmutter, jeden Monat in ein kleines Büchlein zu notieren, wofür sie das «Monetsfreudli» brauchte. Unter anderem kaufte sie davon eine Lampe, die nun im Büro meines Vaters steht. Oft verwendete sie es auch nicht für sich selbst, sondern machte damit anderen eine Freude, z. B. indem sie Freundinnen Blumen brachte, die sie sich sonst nicht hätten leisten können. Im Büechli machte sie nebst genauen Notizen oft auch liebevoll aufwändige Zeichnungen von den Dingen, die sie sich oder anderen kaufte.
Nach einem Jahr brachte sie das Büchlein zur Bank und liess es an den Auftraggeber schicken. Und so bekam mein Vater jedes Jahr – auch lange nachdem er wieder aus Argentinien zurück war – wieder ein Sammelsurium an Beschreibungen, Notizen und Zeichnungen, ein Spiegel davon, wie viel dieses «Monetsfreudli» seiner Mutter bedeutete.
Irgendwann begannen meine Eltern, sich niederzulassen und mussten selber stark auf die Finanzen schauen. Meinem Vater blieb nichts anderes übrig, als die Einzahlungen einzustellen und er musste deshalb seiner Mutter sagen, von wem diese Überweisungen jeden Monat gekommen waren.
Die Büchlein aber, die gibt es noch immer. Genauso wie diese Geschichte und das Wissen meinerseits, dass man für wirklich schöne zwischenmenschliche Geschichten nicht ins Kino muss.
In diesem Sinne: Eine wunderschöne Adventszeit!
In liebevoller Erinnerung an Johanne, mein Grossmuetti, die mir noch heute immer wieder fehlt.
Um Dumbledore zu zitieren: Hoffnung kann auch in Zeiten der Dunkelheit gefunden werden. Du darfst nur nicht vergessen, ein Licht leuchten zu lassen.