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Yonni Meyer: Carpe Diem!

Warum du heute noch mit deinem Vater tanzen solltest!

Bild: shutterstock
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Ein «Carpe Diem».
28.05.2017, 16:2228.05.2017, 17:42
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Gerade war ich seit sehr langer Zeit das erste Mal mit meinem Vater in den Ferien. Ein Städtetrip nach London inklusive Eric Clapton-Konzert – mein Geschenk zu seinem Geburtstag. Also Papas, nicht Claptons. 

Da ich vor zwei Jahren zwei Monate in London verbracht hatte und mein Papa mich auch damals besuchen kam, hatten wir keinen Sightseeing-Stress. Stattdessen verbrachten wir die meiste Zeit lesend in unterschiedlichen Parks, redeten, diskutierten. Er erzählte mir Anekdoten, weise Worte, kluge Geschichten. Von Menschen, die sein Leben berührt und bereichert haben, von seiner Kindheit. Und ich hörte zu.

Ich bin für diese Zeit mit meinem Vater unglaublich dankbar.

Es gibt da einen Song – die Melodie ist die einer Standardschnulze, wie es sie zu Hunderten gibt. Aber der Text. Himmel, der Text. Der rührt mich zu Tränen. Jedes einzelne Mal. Der Titel: «Dance with my father again» von Luther Vandross.

Der Refrain lautet:

If I could get another chance
Another walk, another dance with him,
I'd play a song that would never ever end
How I'd love love love, to dance with my father again

dt.: Wenn ich noch eine Gelegenheit bekommen könnte,
einen Spaziergang, einen weiteren Tanz mit ihm,
ich würde ein Lied wählen, das nie nie nie wieder aufhört.
Wie gerne würde ich noch einmal mit meinem Vater tanzen

Meine Eltern sind noch nicht alt und obwohl da und dort ein Scharnier wackelt und vielleicht ersetzt werden muss, sind sie noch immer die zentralsten Figuren in meinem Leben. Wenn ich nicht weiter weiss, wende ich mich an sie. «Mama, wänni di 3. Süüle vo de Stüüre abzieh, isch dänn di 2. Süüle beleidiget?» oder «Papa, was isch e Brandschutzdiebstahlhaftpflichtchrankekasseprämie?» Ich fühle mich noch immer als ihr Kind und ich glaube, dass ich zeitlebens noch etwas von ihnen werde lernen können.

Man selbst ist also mitten in seinem Alltags-Job-Dichtestress-Mojo und den Eltern geht’s noch gut und man denkt sich vielleicht ab und an «Irgendwann will ich mal noch mit Papa verreisen» oder «Irgendwann will ich meiner Mama noch einen Traum erfüllen».

Aber das hat ja alles Zeit. Man wiegt sich in Sicherheit, dass man für all diese Dinge noch Jahre zur Verfügung hat und die Sätze, die man sich bezüglich Unternehmungen mit den Eltern sagt, beginnen mit «Wenn ich dann mal das Projekt abgeschlossen habe ...» oder mit «Wenn die Kinder dann mal älter sind ...» oder «Sobald ich dann mal weniger Stress bei der Arbeit habe ...».

Und irgendwann sind die Eltern eben nicht mehr da. Manchmal ganz plötzlich. Und dann stirbt ein Teil von einem selbst mit ihnen und man wünscht sich nur einen letzten Tanz mit dem geliebten Vater oder der geliebten Mutter.

Die gemeinsame Zeit kommt nicht zurück. Wenn etwas vergänglich ist, dann das Leben und mit ihm die Zeit, die einem gegeben ist, es mit denen zu teilen, die einem am nächsten stehen.

Dies nun also mein (zugegebenermassen emotionales, aber wenn dieses Thema nicht emotional ist, welches dann?) «Carpe Diem!», aber nicht im Bezug auf unsere eigene Vergänglichkeit, sondern auf die unserer Eltern:

Wir sollten sie packen, sie ausführen, ihnen Blumen bringen und Küsschen geben. Ja, wir sollten ihnen gar sehr hässliche Ton-Aschenbecher töpfern wie damals im Werken in der 5. Klasse. Und vielleicht mit ihnen in die Ferien fahren, wenn wir das denn können ... Und uns selber den Schmerz ersparen, irgendwann, wenn wir sowieso zerrissen sind vor Trauer, mit der Tatsache konfrontiert zu sein, dass wir den «letzten Tanz» – vielleicht ohne spezifischen Grund – haben vorbeiziehen lassen.

Luther Vandross: Dance with my Father

Yonni Meyer
Yonni Meyer (35) schreibt als Pony M. über ihre Alltagsbeobachtungen – direkt und scharfzüngig. Tausende Fans lesen mittlerweile jeden ihrer Beiträge. Bei watson schreibt die Reiterin ohne Pony – aber nicht weniger unverblümt. 

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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Matrixx
28.05.2017 16:39registriert März 2015
Sehr gut geschrieben!
Und ja, manchmal wünscht man sich wirklich gute, tiefgründige, lehrreiche Gespräche mit seinem Vater. Und ich wünschte mir, dass lch von ihm noch so viel lernen kann und es das Leben einfacher macht.

Aber ich war noch ein rebellischer, "die-Eltern-sind-doof"-Teenie, als mein Vater starb und werde dies nicht mehr können.
Daher ja, tut es. Und wenn ihr ein schlechtes Verhältnis habt, dann setzt alles daran, diese Verhältnis zu verbessern!
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_kokolorix
28.05.2017 19:39registriert Januar 2015
Irgendwann anfang 20ig verliebte ich mich in meine Frau. Von da an war und ist sie der Mittelpunkt meines Lebens. Meine Eltern traten vorerst in den Hintergrund. Mit der Geburt unserer ersten Kinder halfen sie uns. Ich hatte zu meinem Vater immer ein gutes Verhältnis und erinnere mich an unzählige Gespräche über alles mögliche. Dann wurde er am Rücken operiert und war von da an stark pflegebedürftig und dement. Nun mussten wir ihm helfen. Es folgten 10 Jahre in denen die Persönlichkeit nur noch für kurze Augenblicke da war. Vor 2½ Monaten starb er und ich bin dankbar für all die Zeit mit ihm
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kiwitage
28.05.2017 17:44registriert März 2014
Ich habe meinen Papa letztes Jahr verloren.
Wir wollten noch so viele Töff Touren machen, aber dann wurde er sehr krank.
Ich bin dankbar, dass ich so einen tollen Papa hatte, auch wenn er viel zu früh gehen musste.
Meine Mama und ich gehen dafür in Herbst ein paar Tage zusammen nach Italien. Ich finde, dass man die Zeit mit geliebten Menschen geniessen sollte, man weiss nie, wann man jemanden zum letzten Mal gesehen hat.
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Der Ort, an dem die Frauen baggern
Ich war für ein Wochenende in Davos und habe eine kleine Analyse und eine Nummer für euch mitgebracht.

Wer in Zürich jemanden kennenlernen will, so im echten Leben, in einer Bar oder einem Club, ich rede hier nicht von den ganz verrückten Dingen, die nur in Filmen passieren, wo sich Leute am helllichten Tag auf dem Trottoir kreuzen und so verzaubert sind, dass sie umdrehen und einander auf der Stelle ehelichen, nein, ich rede hier vom billigbanalen, promillebedingten Ansprechen an Orten, wo man sich kaum sieht und hört, davon rede ich, und auch das passiert in Zürich nie. Mir nicht, meinen Freundinnen und Freunden nicht und dir ganz bestimmt auch nicht. Ausser vielleicht, du siehst aus wie Jennifer Lawrence. Aber wer sieht schon aus wie Jennifer Lawrence? Eben.

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