«Die ganze Stadt ist voll mit schwer bewaffneten Polizisten und Militär. Jede Sehenswürdigkeit, jede Metrostation, jedes Museum, jeder Ort, wo Menschen zusammenkommen, ist bewacht. In grossen Einkaufszentren werden beim Eingang Taschen kontrolliert. Ich selber fühle mich nicht bedroht, aber die extreme Polizeipräsenz ist schon unheimlich.
Im öffentlichen Verkehr merkt man, dass die Stimmung nervöser wird, wenn maghrebinisch aussehende Personen zusteigen. Wenn in der Metro arabisch gesprochen wird, drehen die Pariser ängstlich die Köpfe um.
Während der Polizeiaktion in dem Quartier um die Metro-Station Porte de Vincennes wimmelte es von Polizisten und Medien. Die Stimmung war erregt, die Menschen nervös – auch die Polizei- und Behördenvertreter. Es gab viele Neugierige, die die Polizeiaktionen beobachteten, aber wer Fotos schiessen wollte, wurde streng zurechtgewiesen. Die öffentlichen Verkehrsmittel standen in grossen Teilen der Stadt still.
Einige Menschen in Paris haben Angst. Weil es gleich vor ihrer Haustür passierte, befürchten sie, dass sich die Probleme mit den muslimischen Einwanderern verstärken. Ein paar Pariser fürchten, dass der Terrorismus in Europa Einzug halten könnte. Bisher war der Islamische Staat weit weg, mit dem Attentat, ist die Gefahr für viele realer geworden.
Es gibt aber auch solche, die sich nicht einschüchtern lassen wollen. Ein Passant sagte zu mir: «Ich habe keine Angst. Paris ist eine grosse Stadt. Um hier Opfer eines Terroranschlags zu werden, müsste man schon sehr viel Pech haben.» Eine andere Frau sagte: «Wir leben weiter. Oder sollen wir uns jetzt alle in den Wohnungen verschanzen?»
Ein Muslim zeigte sich mir gegenüber empört über die Tat. So etwas hätte der Prophet nie gut geheissen, egal welche Karikaturen publiziert würden, sagte er. Auch an der Kundgebung vorgestern war neben der Trauer auch eine Wut bei den Parisern zu spüren.
Am Place de la République legen die Menschen Blumen nieder. In der ganzen Stadt ist ‹Je suis Charlie› zu lesen. Man will sich an die Werte der französischen Republik erinnern.»
aufgezeichnet von Rafaela Roth