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Apple unter Druck? Unsinn! Das Unternehmen steht vor dem spannendsten Halbjahr seiner Geschichte

Tim Cook hat am Montag keine neue Hardware enthüllt.
Tim Cook hat am Montag keine neue Hardware enthüllt.Bild: Jeff Chiu/AP/KEYSTONE
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Apple unter Druck? Unsinn! Das Unternehmen steht vor dem spannendsten Halbjahr seiner Geschichte

Die Ungeduldigen haben Hochkonjunktur: Apple müsse dringend innovative neue Produkte vorstellen, heisst es. Dabei ist übertriebene Eile falsch, wie der Konkurrent Google demonstriert.
03.06.2014, 06:3803.06.2014, 10:02
Daniel Schurter *
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Keine iWatch. Kein iPhone 6. Keine Macs. Kein Apple TV.

Zur Eröffnung der Entwicklerkonferenz WWDC hat Apple neue Software vorgestellt. Und ausschliesslich Software.

Der Ruf nach revolutionären Produkten sei inzwischen so laut, dass dies auch der 53-jährige Apple-Chef nicht mehr überhören könne, hatte es vor der Keynote in zahlreichen Medienberichten geheissen. Tim Cook stehe einer der wichtigsten Auftritte seiner Karriere bevor ...

Das war natürlich Unsinn.

Wer Apple kennt, weiss, dass sich die Kalifornier den Zeitplan nicht von Dritten diktieren lassen. Das Unternehmen verfolgt konsequent seinen eigenen Rhythmus und bringt neue Produkte erst dann heraus, wenn sie wirklich ausgereift und massentauglich sind. Ausnahmen (wie der missglückte Start von Apple Maps) bestätigen die Regel.

«Unglaubliche Produkte»

Cook hat bisher stets versprochen, dass 2014 «unglaubliche Produkte» im Anmarsch seien. Am Montag war davon wenig zu sehen. Ungeduldige seien aber daran erinnert, dass wir noch im ersten Halbjahr stehen.

Der hochrangige Apple-Manager Eddy Cue zeigte sich letzte Woche euphorisch: «Später in diesem Jahr haben wir die beste Produktpalette in der Pipeline, die ich in meinen 25 Jahren bei Apple gesehen habe». Man beachte die Formulierung: «Später in diesem Jahr.»

So geht das Spekulieren in den kommenden Wochen tüchtig weiter. Mit grosser Wahrscheinlichkeit kommen die neuen iPhones im September, die neuen iPads vielleicht im Oktober. Und die iWatch?

Das neue Mac-System heisst OS X Yosemite.
Das neue Mac-System heisst OS X Yosemite.Bild: GETTY IMAGES NORTH AMERICA

Eigener Rhythmus

Man kann darüber diskutieren, inwieweit ein Unternehmen, das auf einem Geldberg von 150 Milliarden Dollar sitzt und pro Jahr um die 40 Milliarden Dollar Gewinn macht, überhaupt unter Druck stehen kann. Doch sehnen sich die Fans, Investoren, Blogger und Journalisten nach einem echten «One More Thing». Sie wollen einen Vorstoss von Apple in eine neue Kategorie wie Smartwatches oder Fernseher sehen.

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Das lange Warten mag alle Aussenstehenden, die den Produkte-Fahrplan nicht kennen, auf die Folter spannen. Doch hat sich die Strategie des späten Markteintritts seit dem iPod (2001) bewährt. Und neuerdings bewegt sich auch der Aktienkurs wieder in die gewünschte Richtung ... Sogar der WWDC-Taucher hält sich in Grenzen.

Ein Herz für Software-Entwickler, die Endbenutzer müssen sich noch etwas gedulden.
Ein Herz für Software-Entwickler, die Endbenutzer müssen sich noch etwas gedulden.Bild: GETTY IMAGES NORTH AMERICA

2013 war ein «Zwischenjahr»

2013 gab es ein iPhone mit Fingerabdruckscanner, ein extrem dünnes iPad und den zylinderförmigen Hochleistungsrechner Mac Pro. In die Kategorie bahnbrechender Neuerungen wie das Ur-iPhone oder das erste iPad (2010) fallen diese Geräte nicht. Müssen sie auch nicht. Im Gegensatz zur Konkurrenz packt Apple nicht Jahr für Jahr alle möglichen neuen Features in die nächste Generation eines bestehenden Produkts. 

Der Apple-Mitgründer Steve Jobs sagte, wahre Innovation bestehe darin, die Produkte einfach zu halten und auf 1000 Dinge zu verzichten. Die Kalifornier setzen bei allen bestehenden Geräte-Kategorieren auf kleinere technische Verbesserungen, die einen praktischen Nutzen bringen, wie zum Beispiel den Fingerabdruck-Scanner zum Entsperren und Bezahlen. Das Motto lautet eben Evolution statt Revolution. Derweil arbeiten die Apple-Ingenieure im Geheimen an wirklich Neuem.

Die Google-Datenbrille ist seit zwei Jahren da. Irgendwie.
Die Google-Datenbrille ist seit zwei Jahren da. Irgendwie.Bild: Getty Images North America

Während bei Apple alles etwas länger zu dauern scheint, präsentierte sich Google in den letzten Jahren als Innovationsfabrik für die Zukunft. Sei dies mit seiner Datenbrille Glass, den selbstfahrenden Autos oder der Übernahme des Herstellers vernetzter Thermostate Nest.

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Google Glass ist ...

Die Innovationskultur bei Apple und Google könnte denn auch nicht unterschiedlicher sein: Das zeigt sich gut am Beispiel Google Glass. Die Datenbrille wurde vor zwei Jahren mit einer atemberaubenden Show auf der Entwicklermesse Google I/O durch ein Fallschirmspringer-Team vorgestellt.

Der Sprung in die Tiefe aus einem Luftschiff wurde direkt als Videostream übertragen. Das Publikum staunte und war begeistert. In der inzwischen als «Vorserienmodell» erhältlichen Brille funktioniert aber nicht nur die Live-Videoübertragung bis heute nicht richtig.

Der kalifornische Tech-Blogger Robert Scoble, einer der ersten Glass-Fans, ist inzwischen mächtig enttäuscht: «Der erste Eindruck ist: Mann, ist das cool. Ich hätte auch gerne eine.» Wenn man Glass aber einen Monat lang benutze, merke man, dass quasi jede Funktion fehlerhaft sei. Google habe Glass als Computergerät für jedermann vorgestellt. Sie sei aber im Alltag schwer zu gebrauchen. «Glass wird heiss. Der Akku hält nur 45 Minuten. Es fehlen nützliche Apps.» Google müsse noch viele Fehler beseitigen, bevor aus Glass ein nützliches Gerät werde.

Die Erwartungen erfüllen

Eine offene Kommunikation über eigentlich noch unreife Konzepte und Produkte wie Google sie praktiziert, ist für Apple unvorstellbar. Wichtige Innovationen wie das iPhone oder das iPad wurden von Steve Jobs erst der staunenden Öffentlichkeit präsentiert, als intern klar war, dass man in absehbarer Zeit auch ein Produkt liefern kann, das die hochgesteckten Erwartungen erfüllt. Diese Strategie der möglichst langen Geheimhaltung ist nun auch bei der iWatch weitergeführt worden. Die Apple-Fans dürfen sich auf ein spannendes zweites Halbjahr 2014 freuen.

* Dieser Artikel basiert auf einem Bericht der Nachrichtenagentur SDA, ergänzt durch eigene Einschätzungen.

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