Vor seinem Tod gab Apple-Chef Steve Jobs seinem Nachfolger einen wichtigen Rat. Er solle sich niemals fragen: «Was würde Steve jetzt tun?» Das hindert Beobachter nicht daran, genau immer wieder diese eine Frage zu stellen – zumal Apple erstmals seit Jahren nicht mehr wächst.
Als Steve Jobs vor fünf Jahren starb, hinterliess er seinen Nachfolgern bei Apple ein schwieriges Erbe. Einerseits war der Konzern in den 15 Jahren nach seiner Rückkehr dank iPod und iPhone vom Pleitekandidaten zum wertvollsten Unternehmen der Welt geworden.
Zum anderen übernahm die Chefetage um Tim Cook eine Firma, die sich um den Mitgründer und Retter Jobs drehte: Steve bestimmte die Strategie, Steve feilte mit Designchef Jony Ive am Aussehen der Geräte, Steve traf viele grosse und kleine Entscheidungen bis hin zum Farbton der App-Symbole. Und dann war Steve nicht mehr da.
Ganz überraschend kam sein Tod nicht – die Folgen der Krebserkrankung hatten den 55-Jährigen immer schwerer gezeichnet, schon im August 2011 gab er den Posten des Firmenchefs an Cook ab. Aber zugleich versprach Jobs noch, an der Spitze des Verwaltungsrates weiter für Apple da zu sein.
«Ich war überzeugt, er erholt sich auch diesmal», sagte Cook vor kurzem in einem Interview der «Washington Post». «So, wie er es immer getan hat.» Doch Jobs konnte den Krebs nicht besiegen, er starb am 5. Oktober 2011, einen Tag nachdem der sichtlich mitgenommene Tim Cook das iPhone 4S vorgestellt hatte.
Seitdem reissen Debatten darüber nicht ab, wie innovativ Apple ohne Steve Jobs sein kann. Schliesslich gilt er als die treibende Kraft hinter allen grossen Erfolgen von Apple: Der erste Macintosh 1984, der iMac 1998, der iPod 2001, das iPhone 2007 und das iPad 2010.
Oracle-Gründer Larry Ellison, ein langjähriger Freund und Vertrauter von Jobs, sah eine düstere Zukunft für das Unternehmen: «Wir haben ein Apple ohne Steve Jobs schon gesehen», winkte er in einem Fernsehinterview ab.
Bis zu diesem Jahr widerlegte Apple die Untergangspropheten stets mit neuen Rekordergebnissen. Besonders gross war der Sprung mit dem iPhone 6, als im Weihnachtsgeschäft 2014 mit der Einführung grösserer Modelle die iPhone-Verkäufe um 46 Prozent auf rund 74.5 Millionen Geräte hochschnellten.
Im vergangenen Jahr gelang es in einem abgebremsten Smartphone-Markt gerade noch, diese Marke knapp zu übertreffen. Doch in diesem Jahr sanken die iPhone-Verkäufe erstmals seit der Markteinführung.
Und vom neuen iPhone 7 erwarten Analysten ebenfalls keine Wende, auch wenn sie nach ersten Hinweisen auf das robuste Konsumenteninteresse zuversichtlicher geworden sind. Apple ging ins dritte Jahr mit einem weitgehend unveränderten iPhone-Design – und erntete dafür viel Kritik. Auch deshalb schlägt Cooks Apple der Vorwurf entgegen, der Konzern zehre von den Innovationen der Jobs-Ära.
Als einzige neue Produktkategorie betrat der Konzern seit Jobs' Tod das Wearables-Geschäft mit der Computer-Uhr Apple Watch. Sie wurde zwar aus dem Stand die klare Nummer eins in dem noch überschaubaren Markt der Smartwatches – aber die Verkäufe sanken nach Einschätzung der Marktforscher von 3.6 Millionen Uhren zum Start im zweiten Quartal 2015 auf zuletzt um die 1.5 Millionen Geräte pro Vierteljahr.
Es gelang also auf Anhieb nicht, den Markt hochzureissen. Apple tastet sich auch noch vor – mit der neuen Version des Betriebssystem wurde die Bedienung radikal umgestaltet. Man kann dies als Eingeständnis werten, dass die Entwickler mit anfänglichen Vorstellungen in wichtigen Punkten daneben lagen.
Allerdings musste auch der legendäre Produktvisionär Jobs in seiner Ära etliche Niederlagen einstecken. So verpatzte Apple noch unter ihm den Start des Cloud-Dienstes MobileMe, das Musik-Netzwerk Ping war eine Totgeburt, einige Geräte wie der Lautsprecher Apple Hifi verschwanden schnell wieder.
Die Technologie-Branche hat sich seit Jobs' Tod aber auch massiv verändert. Und so liegen die aktuellen Innovationen von Apple weniger im Hardware-Bereich, sondern in Software.
Der Konzern investiert in maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz, um nicht gegen Google, Amazon und Microsoft ins Hintertreffen zu geraten. Die Siri-Sprachsteuerung ist inzwischen auf allen Geräten verfügbar, die Daten fliessen über die iCloud-Server viel nahtloser von Gerät zu Gerät als früher.
Nach Informationen des Finanzdienstes Bloomberg wird inzwischen auch ein vernetzter Lautsprecher getestet, der ähnlich wie die Konkurrenzgeräte Amazon Echo und Google Home eine zentrale Rolle im smarten Zuhause spielen könnte. Apple positioniert sich für eine Zukunft, die erst in einigen Jahren voll greifbar sein könnte. Und seit Anfang 2015 halten sich hartnäckig Gerüchte über ein Apple-Auto.
Zugleich drückte Cook Apple seinen Stempel auf, indem er den Konzern bei Themen wie Umweltschutz, Privatsphäre und Gleichberechtigung öffentlich in Stellung brachte. Die Rechenzentren und Apple Stores nutzen erneuerbare Energien, die Kontrollen der Arbeitsbedingungen bei Zulieferern wurden ausgebaut, Apple legte sich vor Gericht mit dem FBI an als der Konzern sich weigerte, das iPhone eines toten Terroristen in Kalifornien aufzuknacken.
«Ich bin der Meinung, dass ein Chef von Apple an der nationalen Debatte zu solchen Fragen teilnehmen sollte», sagt Cook. Das alles hatte Produktvisionär Jobs zumindest öffentlich nicht unbedingt als Prioritäten erkennen lassen.
Zuletzt musste allerdings Cook beim Versuch, Apple als politisch korrekten Musterschüler zu positionieren, einen herben Rückschlag hinnehmen: Die Forderung der EU-Kommission an Irland, von Apple über 13 Milliarden Euro Steuern nachzufordern, lässt den iPhone-Hersteller in der Öffentlichkeit als Steuersünder erscheinen. (oli/sda/dpa)