Sunrise-Verkäufer dürfen Kunden von sich aus kein günstigeres Abo anbieten, als das bereits vorhandene. Auch über Rechnungsfehler werden Kunden nicht oder nicht sofort informiert.
03.12.2015, 13:1404.12.2015, 09:44
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Erst vor zwei Monaten sagte Sunrise-Chef Libor Voncina im Interview mit dem eigenen Firmenmagazin Sunrise Spotlight:
«Kundenorientierung ist unsere Obsession»
Aussagen von Kundendienstmitarbeitern bei Sunrise entlarven das Chef-Zitat als leere Worthülse. Das Konsumentenmagazin «K-Tipp» hat mit Kundendienstangestellten gesprochen – und plötzlich klingt alles ganz anders:
«Bei Fehlern in der Rechnungsstellung dürfen wir dies den Kunden nicht einfach mitteilen. Wir werden angewiesen, nur zu reagieren, wenn der Betroffene das Problem von sich aus anspricht.»
Kundendienstmitarbeiter bei Sunrise
«K-Tipp»
Wenn Sunrise einen Rechnungsfehler entdeckt, kommt es offenbar immer wieder vor, dass der Telekomanbieter diesen nicht automatisch oder nicht sofort korrigiert. Der Kunde wird über den Fehler nicht oder nicht sofort informiert, Gutschriften gibt es nur nach Reklamation.
Interne E-Mails des Sunrise-Managements an die eigenen Kundendienstmitarbeiter bestätigen laut «K-Tipp» die wenig kundenfreundliche Praxis. Darin heisst es:
Sunrise-«Regelwerk»: Spricht ein Mitarbeiter den Kunden an (proactive), soll er ihn von «Upselling» überzeugen, sprich ihm ein teureres Abo verkaufen. Ein günstigeres Abo (Downselling) ist verboten (oben rechts). Ruft der Kunde bei Sunrise an (reactive), gilt das Gleiche. Nur wenn der Kunde nicht auf das teurere Abo einsteigt, wird ihm ein günstiges Abo vorgeschlagen.
bild: «K-tipp»
Sunrise-Mitarbeiter werden von der Sunrise-Leitung angewiesen, dem Kunden kein günstigeres Abo anzubieten, als das bereits vorhandene. Nach der «Beratung» darf es für den Kunden also nur teurer werden. Zur Erinnerung noch einmal das Zitat von Sunrise-Chef Libor Voncina: «Für alle! Kundenorientierung muss für uns alle eine Berufung und eine Obsession sein.»
Der Kundendienst von Sunrise steht schon seit Jahren in der Kritik. Kundenreklamationen werden von der Webseite albtraum-sunrise.com protokolliert. Die Seite zitiert Kundendienstmitarbeiter wie folgt:
«Gegen aussen zeigt sich Sunrise gerne als ‹Saubermann-Firma›, betont unermüdlich, fair, transparent und kundenorientiert zu sein und intern bekommen wir Weisungen, um dreist Kunden abzuzocken.»
Ein Sunrise-Angestellter schreibt dem «K-Tipp»:
«Wir rufen regelmässig
Kunden an, um sie zum
Wechsel auf ein anderes
Abo zu bewegen. Dabei
ist es verboten, dem
Kunden ein günstigeres
Abo vorzuschlagen als
das bisherige.»
Kundendienstmitarbeiter bei Sunrise
ktipp
«Die
günstigsten Abos ‹Freedom
Start› erscheinen
gar nicht in der Übersicht,
selbst wenn der
Kunde damit am besten
fahren würde. Verkaufe
ich das Abo trotzdem, tadelt
mich der Chef. Zudem
wirkt es sich auf den
Lohn negativ aus.»
Kundendienstmitarbeiter bei Sunrise
ktipp
«Möchte nun der Sunrise-Mitarbeiter dem Kunden sagen, dass das günstigere ‹freedom start›-Abo am Besten zum Kunden passt, hat dieser gleich mehrere Probleme. Zuerst werden seine Vorgesetzten den Mitarbeiter tadeln, weil ein solcher Kunde, gemäss System mindesten auf ‹classic› bleiben muss. Dann wird am Mitarbeiter sein eigener ‹share› bachab gehen, und zum Schluss führt dies zu einem negativen Qualigespräch. UND die entsprechende Business-Weisung, wonach dies ernsthafte Konsequenzen mit sich bringen kann, liegt auch vor. Es kommt von ganz oben. Also riskiert keiner seinen Job und macht darum mit.»
Rechnungen für Gratisanrufe
Der «K-Tipp» berichtet über mehrere konkrete Beispiele, die den Konzern in ein schlechtes Licht rücken. So wurden etwa Gratisanrufe fälschlicherweise in Rechnung gestellt. Sunrise orientierte die
Mitarbeiter im Kundendienst
wie folgt: «Bei den
Optionen ‹Flat to Sunrise
mobile› und ‹Flat to Fixnet›
ist ein ‹Billing Bug›
aufgetreten. Die Option
ist installiert, und der
Kunde zahlt auch dafür.
Die Anrufe aufs Festnetz
und aufs Sunrise-Mobilnetz
werden aber dennoch
verrechnet. Bei
Kundenreklamationen ist
eine Gutschrift über die
angefallenen Mehrkosten
erlaubt (mehr nicht).»
Auch bei der Film-Miete über den TV-Dienst von Sunrise wurden
zum Teil versehentlich
Videos in Rechnung
gestellt, obschon die
Kunden einen Gutschein
einlösten. In allen Fällen gilt: Wer die Rechnung nicht genau prüft und sich nicht beschwert, wird von Sunrise auch nicht über den Rechnungsfehler informiert und erhält keine Rückerstattung.
Sunrise erklärt die merkwürdige Umsetzung von «Kundenorientierung ist unsere Obsession» in der Praxis gegenüber dem «K-Tipp» so: «Diese
E-Mails werden jeweils
sofort als erste Reaktion
geschaltet, wenn Fehler
festgestellt wurden. So
können die Kundenberater
am Telefon auf Nachfrage
die Kunden informieren.» Parallel arbeite
man daran, das Problem
zu beheben.
Sunrise-Chef Voncina sagte im Interview von Ende September übrigens auch Dinge wie:
«Ich will fair sein, auch wenn es nicht immer so einfach ist, wie es sich vielleicht anhört.»
In der Tat. Das mit Fairness will bei Sunrise noch ein bisschen geübt sein. Aber Voncina weiss schon, wie alles besser werden soll:
«Es ist für mich äusserst wichtig, dass ich den persönlichen Kontakt mit den Kunden pflegen kann und ein ganz direktes Feedback erhalte.»
Libor Voncina, CEO Sunrise
sunrise spotlight
Der Chef hat noch ganz andere Plattitüden auf Lager:
«Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter bei Sunrise muss sich persönlich für unsere Kunden und ihre Bedürfnisse verantwortlich fühlen. This is how we are.»
Libor Voncina, CEO Sunrise
sunrise spotlight
Ja, klar! Albtraum-sunrise.com zitiert einen weiteren Sunrise-Mitarbeiter, der sagt:
«Ja, es ist ein Rattenschwanz. Der Direktor für Verkauf gibt die Verkaufsziele an den Regionalleiter und diese geben sie weiter an den Store Manager, diese an den Store Assistant. Zweifel oder Einwände darf man nicht anbringen. Beziehungsweise, kann man schon, nur dann ‹ok schwupps und er ist draussen›. Das gilt auf der ganzen Hirarchie.»
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