Mein Herz rast. Ich schwitze. Gleich bin ich erledigt.
Ein kicherndes Ungetüm ist mir dicht auf den Fersen und jagt mich durch enge Korridore. Das stampfende Ding, dieser eklige Fleischberg aus Armen und Beinen kommt immer näher und holt mit seinen Klauen aus, um mir den Kopf in einem Ruck abzureissen.
In allerletzter Sekunde schaffe ich es in einen Raum und schlage die Türe hinter mir zu. Sackgasse. Gleich schlägt das Ungetüm die schwere Stahltüre ein. Ich muss raus. Schnell. In allerletzter Sekunde entdecke ich einen Lüftungsschacht. Hoch, hinein und einfach nur weg. Geschafft. Ich bin jetzt schon fix und fertig.
Was zur Hölle war das? Diese Frage stellt sich auch der Held in dieser kruden Geschichte immer wieder. Sebastian Castellanos, der auch schon im Vorgänger durch die Hölle ging, ist wieder da und muss erneut unten durch. Der Ex-Bulle, der genau so viele Fluchwörter auf Lager hat wie ich, hat im ersten Teil von «The Evil Within» eigentlich schon genug gelitten. Aber wenn seine Tochter in einer virtuellen Psychowelt gefangen gehalten wird, dann reicht das als Motivation für eine erneute Heldenreise.
Der Trip führt in eine künstlich erzeugte Gedankenwelt eines dubiosen Technikkonzerns, wo es sich diverse Killer und Psychopathen gemütlich gemacht und dort ihre persönlichen Albträume errichtet haben. Nichts ist real. Oben ist unten und perverse Fantasien werden dort zu Fleisch und Blut. Ekelhaft und total verwirrend. Was real ist und was nicht, das bringt auch mich um den Verstand. Die Logik ist im Urlaub. Doch ich gebe mich dem Sog hin. Das Spiel darf mit mir machen, was es möchte.
Schon die ersten Spielstunden sind sehr intensiv. Ich wandere durch ein Museum. Ellenlange, blutrote Vorhänge dominieren in diesem schmucken Anwesen. Treppen führen ins Nichts. Viele kunstvolle Bilder zieren die Wände. Betrachtet man sie näher, wird einem übel. Aufgerissene Augen, aufgeschnittene Pulsadern, abgetrennte Gliedmassen. Definitiv die Kunstwerke eines Serienkillers. Darf Kunst wirklich alles? In dieser Welt auf jeden Fall.
Je weiter ich schreite, umso mehr wird die Perversion dieses kranken Gehirns deutlich. Leichen hängen in weisse Tücher gehüllt von der Decke. Blut tropft auf den Keramikboden. Klassische Musik verwebt sich mit einem finsteren Unterton und schliesslich jagt mich ein Ungetüm, das aus einer antiken Kamera und auch hier wieder diversen Gliedmassen besteht. Krank! Aber auch total faszinierend. Das Spiel packt mich und in mir schlummert die Hoffnung, dass dieser Albtraum irgendwann auch mal ein Ende haben muss.
Ruhige Passagen paaren sich mit stressigen Ballereien. Die Munition wird knapp, die Gesundheit schlecht. Die Viecher, diese verdammten Ausgeburten der Hölle kommen immer näher. Schleiche ich um sie herum, oder will ich Blut sehen? Ich wähle den aggressiven Weg. Der Leidensdruck nimmt zu. Aber ich will es so.
Je länger man spielt, desto verstörender wird das Ganze. Wenn man spät in der Nacht noch am Controller hängt und plötzlich von einer unheimlichen Geisterfrau gejagt wird. Dann würde man am liebsten den Fernseher ausschalten und sich unter der Bettdecke verkriechen.
Da ahnt man nichts Böses, dreht sich in einem verlassenen Haus mal um und erblickt diese starre Gestalt am Ende eines dunklen Korridors. Und dann schwebt die auch noch auf einen zu. Die langen schwarzen Haare flattern, der knochige Körper kommt näher. Sie kreischt, stöhnt oder weint. Ich renne einfach nur noch davon. Doch wo zur Hölle ist der Ausgang?
Ich muss mich verstecken. Denn diese Gruseltante ist immun gegen Feuerkraft. Da, ein Sofa. Ich kauere mich dahinter und warte, bis sie verschwunden ist. So hoch war mein Puls noch nie. Geduldig aber schwitzend warte ich, bis sie weg ist. Dann renne ich planlos herum, bis ich die Türe zum Hof finde. Was zur Hölle war das denn wieder?
Auf der Suche nach meiner Tochter treffe ich auf durchgeknallte Menschen und ihre abartigen Traumorte. Eine Obskurität jagt die nächste. Und wenn ich denke, es kann nicht mehr abgefahrener werden, hauen mir die Gamedesigner die nächste Ausgeburt der Psychohölle um die Ohren. Manchmal verzweifle ich. Wann hat dieser Albtraum endlich ein Ende? Es war genug Stress. Ständig ist da dieses Unbehagen, diese Vorahnung, dass hinter der nächsten Ecke wieder noch mehr Schrecken auf mich wartet. Doch ich gebe nicht auf. Ich will endlich meine Ruhe haben.
Am Ende bin ich am Ende. Ich bin kaputt. Mein Rücken tut weh, Kopfschmerzen plagen mich. Ich sitze nach 13 Stunden total verkrampft vor dem Fernseher. Aber ich habe das Ding überlebt. Der Abspann läuft, während es draussen schon langsam hell wird. Dieser intensive Trip hat mich durchgerüttelt, mit meinen Gefühlen gespielt und mich immer wieder auf eine falsche Fährte geschickt. Was zur Hölle war das? Es war wunderschön.
«The Evil Within 2» ist erhältlich für Playstation 4, Xbox One und PC.