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Böse Schweiz! Darum brandmarken uns die USA als Internet-Piraten

Filme und Musik auf Rohlinge zu brennen, war lange Zeit Volkssport. Nun boomt das Streamen.
Filme und Musik auf Rohlinge zu brennen, war lange Zeit Volkssport. Nun boomt das Streamen.bild: shutterstock

Böse Schweiz! Darum brandmarken uns die USA als Internet-Piraten

Noch dürfen hierzulande Internet-Nutzer urheberrechtlich geschütztes Material herunterladen. Doch der Druck der Unterhaltungsindustrie wächst. Die USA setzen die Schweiz auf eine Schwarze Liste. Tschüss liberale Gesetzgebung?
29.04.2016, 11:4429.04.2016, 14:33
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Seit Jahren kritisieren einflussreiche amerikanische Lobby-Organisationen die Schweiz wegen ihrer angeblich laschen Gesetzgebung zum Schutz der Urheberrechte.

Nun zeigt der politische Druck, der von der Unterhaltungsindustrie ausgeht, offenbar Wirkung. Die Schweiz landet erstmals auf einer Schwarzen Liste der US-Regierung.

Konkret hat der Handelsvertreter der Vereinigten Staaten, der so genannte «United States Trade Representative» (USTR) die Eidgenossenschaft auf seine «Watch List» gesetzt.

Die «Watch List» ist in dem alljährlich veröffentlichten «Special 301 Report» der US-Regierung (PDF) enthalten. Dieser Bericht dient gemäss Einschätzung des Schweizer Anwalts Martin Steiger «als politisches Druckmittel» gegenüber Staaten wie der Schweiz.

«Amerikanische Wünsche»

Angestrebt wird nichts weniger als die weltweite Bekämpfung der Internet-Piraterie. Durch öffentlichen Druck und geheime Verhandlungen wolle man erreichen, dass die angeprangerten Länder das Urheberrecht und andere gesetzliche Bestimmungen verschärfen. Und zwar so weit, bis sie vollständig amerikanischen Wünschen entsprechen.

Weitere Länder auf der Schwarzen Liste:

  • Brasilien
  • Costa Rica
  • Griechenland
  • Kanada
  • Mexiko
  • Türkei
  • Vietnam

Der US-Unterhaltungsindustrie ist unter anderem die Gesetzeslage, wonach Filme und andere urheberrechtlich geschützte Inhalte über das Internet heruntergeladen werden dürfen, ein Dorn im Auge. Die Alpenrepublik hebt sich diesbezüglich krass vom umliegenden Europa ab. So werden zum Beispiel in Deutschland Filesharer, die digitale Kopien beziehen, als Raubkopierer bezeichnet und verfolgt.

«Die USA sind ein wichtiger Handelspartner der Schweiz und es ist klar, dass wir die Kritik, die geäussert wird, ernst nehmen müssen.»
Institut für Geistiges Eigentum, Bern

Wie reagiert die Schweiz?

Gegenüber dem von Bund finanzierten Newsportal swissinfo.ch nahm ein Sprecher des Institutes für Geistiges Eigentum (IGE) Stellung. Der Jurist Emanuel Meyer wird mit folgendem Statement zitiert: «Die USA sind ein wichtiger Handelspartner der Schweiz und es ist klar, dass wir die Kritik, die geäussert wird, ernst nehmen müssen.»

Die International Intellectual Property Alliance (IIAPA) habe einen solchen Schritt seit Jahren gefordert, so der IGE-Jurist. Weiter sagte er, dass bereits Telefongespräche zwischen Diplomaten beider Staaten stattgefunden hätten. Was konkret diskutiert wurde, verriet er nicht.

Was auffällt: Das Institut für Geistiges Eigentum hatte sich im Vorfeld viel kritischer geäussert und den drohenden Schritt der US-Regierung als ungerechtfertigt und möglicherweise kontraproduktiv bezeichnet:

«Placing Switzerland on the Watch List at this stage would thus be completely unjustified, inappropriate and potentially counterproductive.»
Stellungnahme IGE
quelle: regulations.gov (pdf)

Rechtlich gesehen hätten der «Special 301 Report» und die «Watch List» keine direkten Auswirkungen, meint der auf Internet-Recht spezialisierte Jurist Steiger. Politisch hingegen werde der Druck bei Verhandlungen hinter verschlossenen Türen und über Lobby-Organisationen seine Wirkung nicht verfehlen.

Verschärfung geplant

Bekanntlich soll in der Schweiz das Urheberrechtsgesetz (URG) in diesem Jahr «modernisiert» werden. Die Vernehmlassung ist bereits abgeschlossen. Es zeichnet sich laut Steiger eine Verschärfung ab, mit mehr Repression und urheberrechtlichen Massen-Abmahnungen gegen Filesharer. Dies, nachdem der Bundesrat noch vor wenigen Jahren keinen Handlungsbedarf gesehen hatte.

Den USA gehen die Massnahmen offenbar zu wenig weit, wie der Schweizer Anwalt in seinem aktuellen Blog-Beitrag schreibt:

«Letztlich ist den amerikanischen Forderungen gemeinsam, dass im Urheberrecht die üblichen rechtsstaatlichen Mittel und Wege ausgehebelt werden sollen, wie es teilweise auch die laufende URG-Revision vorsieht.»

via Torrent Freak

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67 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Statler
29.04.2016 15:20registriert März 2014
Nur, damit's noch eine Stimme für diese Angelegenheit hat (denn vielleicht begreifen sie's ja dann irgendwann):

Schafft endlich das Geo-fencing ab. Solange ich bei Netflix und Co. nicht schauen kann was eigentlich verfügbar wäre, weiche ich halt auf movie4k oder kinox aus (gilt übrigens auch für TV-Stationen - dieses Video...)
Ich wär ja bereit zu zahlen! Echt! Ohne Scheiss jetzt!
Also, eigentlich bezahl ich ja schon! Aber ich fühl mich ebenso betrogen, wenn ich für einen Netflix-Account MEHR bezahle als jemand in den USA, dafür aber WENIGER Inhalt bekomme!
[unflätigen Ausdruck hier einfügen]
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Kamy
29.04.2016 12:40registriert August 2015
Die Lösung für das Problem sind doch nicht neue Gesetze sondern gute legale Alternativen, welche wir nutzen können. Logisch wird es dann immernoch welche geben, die sich weiterhin im Graubereich aufhalten. Aber das werden Weltweit gsehen einige wenige sein. Das in der Schweiz Gesetzte angepasst werden um die Geldgeilheit von amerikanischen Unternehmen zu befriedigen, dass hingegen wiedert mich an..
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SChonndschoguetRJ
29.04.2016 12:08registriert Februar 2014
Naja. Eine Schwarze Liste, auf der auch Kanada erscheint, kann man ja nicht ernst nehmen. Die lieben Amerikaner sollten endlich vor der eigenen Haustüre kehren und endlich damit aufhören, die Weltpolizei spielen zu wollen...
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