Wir werden uns dereinst ungläubig an die Zeit erinnern, als Geldautomaten nicht benutzerfreundlich waren und man beim Eintippen des PINs ein ungutes Gefühl hatte...
Der watson-Redaktor konnte am Montag die neue Bancomaten-Generation des US-Herstellers NCR «in Action» erleben. Allerdings nicht in freier Wildbahn, sondern hinter verschlossenen Türen, am Firmensitz im Glatt Tower in Wallisellen.
Noch ist die neue Bancomaten-Software nicht so weit und die allermeisten Finanzinstitute sind es auch nicht (dazu gleich mehr). Doch zunächst kommen wir zu den knackigsten neuen Features, auf die sich alle Bancomaten-Nutzer freuen dürfen ...
19 Zoll misst der berührungsempfindliche Bildschirm in der Diagonalen (daneben gibt es auch eine Ausführung mit 15 Zoll). Zum Vergleich: Grosse Smartphones wie das iPhone 7 Plus bieten lediglich 5,5 Zoll. Das ist insbesondere für ältere Leute eine gute Nachricht – «Schiessscharten» sind passé.
Mit dem iPhone hielt 2007 Multi-Touch auf dem Handy Einzug. Zehn Jahre später lassen sich auch Bancomaten über Gesten wie zum Beispiel den «Pinzettengriff» bedienen. Wie beim Smartphone oder Tablet vergrössert oder verkleinert man mittels Fingerbewegung die Schrift oder verschiebt ein Fenster, um die angezeigten Informationen vor neugierigen Blicken zu schützen.
Auch weitere Bankgeschäfte, wie zum Beispiel eine Kontoeröffnung vom Automaten aus, werden mit der neuen Bancomaten-Software im Prinzip ermöglicht. Dabei würde sich der Kunde per Kamera authentifizieren und mit dem Finger auf dem Bildschirm unterschreiben. Bei Fragen kann ein Bankmitarbeiter per Video zugeschaltet werden.
Für solche Banken-Applikationen lässt sich aus Diskretions-Gründen oder zu Support-Zwecken am Bancomat selber ein Kopfhörer einstecken. Ja, du hast richtig gelesen!
Was viele User nicht wissen: Schon heute besitzen viele Bancomaten eine Kopfhörer-Buchse. So können sich sehbehinderte Kunden über Sprachausgabe durch die Menüs führen lassen und die Geräte selbstständig bedienen.
An den Geldautomaten kann man in Zukunft Bargeld mit dem Handy (oder der Smartwatch) abheben. Man muss also nicht mehr vor dem Bancomaten eine Plastikkarte zücken, diese in den Leseschlitz schieben und den PIN eintippen.
Der Cash-Bezug kann zuhause, respektive in sicherer und unbeobachteter Atmosphäre auf dem eigenen Mobilgerät vorbereitet werden. Um Geld abzuheben, erhält man einen generierten QR-Code, den es dann beim Geldautomaten an das Lesegerät zu halten gilt – und schon wird der gewünschte Bezug aufbereitet. Das passiert innert weniger Sekunden.
Den QR-Code kann man nicht nur auf dem Mobilgerät verwenden, sondern auch einer anderen Person zur Verfügung stellen. Wenn die Tochter im «Ausgang» ist und dringend Cash benötigt, schickt man ihr einfach eine Mitteilung aufs Handy.
In ferner Zukunft dürften Mobilgeräte genügen, die dank NFC-Technologie drahtlose Datenübertragung ermöglichen. Wann dies in der Schweiz so weit sein wird, ist allerdings offen. Zumindest vorläufig wird auf QR-Codes gesetzt, wie es heisst. Wohl nicht zuletzt auch deshalb, weil Apple bei seinen (neueren) iPhones die NFC-Schnittstelle nicht für Drittanwendungen öffnet.
Dank Einbezug des Smartphones, Tablets oder Wearables lässt sich auch verhindern, Opfer eines Skimming-Angriffs zu werden. Bekanntlich versuchen Kriminelle mit immer raffinierteren Vorrichtungen, die Magnetstreifendaten der Karten zu kopieren und den PIN-Code mittels versteckter Mini-Kamera auszuspähen. Durch den Verzicht auf die Karte wird dies verunmöglicht.
Die Luzerner Kantonalbank (LUKB) nimmt morgen Dienstag in Ebikon LU als erstes Schweizer Finanzinstitut die neue Bancomaten-Generation vom Hersteller NCR in Betrieb.
Aber: Alle in nächster Zeit lancierten neuen Schweizer Geldautomaten bieten vorläufig keine bahnbrechenden neuen Features. «Sie können genau das, was die bisherigen Automaten können», sagt Marc-Alain Giger, Verkaufsdirektor bei NCR Schweiz.
Der Grund: Die Hardware ist bereit, die Bancomaten-Software (noch) nicht. Mit dem Projekt ATMfutura, das die Bankendienstleisterin SIX im Auftrag der Schweizer Banken anführt, soll die Bancomaten-Software vereinheitlicht werden. Heute gibt es rund 26 verschiedene Betriebssysteme. Die neue Software soll dieses Jahr in Pilotprojekten getestet werden und im kommenden Jahr ausgerollt werden.
Die Software läuft unabhängig vom Gerätehersteller sowohl auf alten als auch auf neuen Geräten, wie SIX-Sprecher Julian Chan auf Anfrage sagt. Die Banken können die Geräte somit immer weiterhin selbst auswählen. Und an den Banken selber liegt es auch, benutzerfreundliche neue Features (wie das Geldabheben mittels QR-Code) zeitnah umzusetzen – was natürlich Zusatzkosten verursacht. Die technischen Voraussetzungen sind mit der neuen Automaten-Generation auf jeden Fall gegeben.
Mit Material der Nachrichtenagentur SDA