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Warum Leuthard die Chefs von SBB und Swisscom verrätscht

Da kommt der lustigste Snapchat-Filter nicht weiter als bis zum Nachbarsitz: Kein Empfang im Zug.  
Da kommt der lustigste Snapchat-Filter nicht weiter als bis zum Nachbarsitz: Kein Empfang im Zug.  
Bild: KEYSTONE

Kein Empfang im Zug ... Warum Leuthard über die Chefs von SBB und Swisscom herzieht

Es ist ein seltener Vorgang. Die Verkehrs- und Medienministerin Doris Leuthard zieht öffentlich über die Swisscom und die SBB her, weil der Handyempfang in den Zügen zu schlecht sei. Damit stellt sie die Verantwortlichen ihrer staatsnahen Betriebe bloss.  
21.04.2016, 13:0822.04.2016, 09:44
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Was fühlt ein Arbeitnehmer, wenn seine Chefin seine Arbeit im nationalen Radio mit Attributen wie «Peinlich», «Versagen» und «ein Ärgernis» abqualifizieren würde? 

Jeder normale Mensch würde sich schämen und vermutlich geht ein derartig öffentliches Einbahn-Qualifikationsgespräch auch an Swisscom-CEO Urs Schaeppi und SBB-CEO Andreas Meyer nicht spurlos vorbei. Denn diese beiden hat Leuthard letztlich gemeint, als sie sich gestern in einer Medienkonferenz und einem Interview mit Radio SRF 3 unmagistral und mit überdeutlichen Worten über den Handy-Empfang in den Zügen beschwerte. 

Wutausbruch oder Kommunikationstaktik?

Was bewegt eine ansonsten eher für konziliante Führungsmethoden bekannte Chefin dazu, eine stilistisch fragwürdige öffentliche Blossstellung zu tätigen, um die Chefs der staatsnahen Betriebe zu massregeln? 

SBB-CEO Andreas Meyer.
SBB-CEO Andreas Meyer.
Bild: KEYSTONE

Hat sie im Zug ein wichtiges Telefonat verpasst, weil im Tunnel der Gesprächspartner rausgeflogen ist? Hat sie mehrere Telefonate verpasst? Oder nervt sie der Selbstdarsteller Andreas Meyer, der SBB-CEO, der doppelt so viel verdient wie sie, aber es nicht mal hinkriegt, dass die Bundesrätin im Zug telefonieren kann?  

Oder ist es der Ärger über den technokratischen Swisscom-CEO Urs Schaeppi, dessen Betrieb sich weigert, den SBB auf eigene Kosten neben jeden Strommast noch eine Handyantenne hinzustellen? 

So etwas kann nur denken, wer Doris Leuthard nicht kennt. Im Auftreten menschlich und warmherzig, lässt sie Gefühlsausbrüche in der Sache garantiert nicht zu. Sie hat den öffentlichen Zusammenschiss von Swisscom und SBB gezielt platziert. 

Nicht mehr beelenden lassen

Die staatsnahen Betriebe Swisscom und SBB haben seit 2013 hauptsächlich über die hohen Kosten für das Anbringen von Signalverstärkern an den Zügen im Regionalverkehr und den Ausbau des Handynetzes gejammert und über die Aufteilung der Kosten gestritten.

Swisscom-CEO Urs Schaeppi.
Swisscom-CEO Urs Schaeppi.
Bild: KEYSTONE

Um die Streithähne unter Druck zu setzen, eine Lösung zu finden und das leidige Problem Handyempfang im Zug endlich zu beseitigen, ist das Departement Leuthard deshalb mit gutem Beispiel vorangegangen und hat eine Kostenbeteiligung von acht Millionen Franken pro Jahr am Netzausbau im Regionalverkehr gesprochen. Das ist nicht nur ein Tropfen auf den heissen Stein, das ist ein Grossteil der anfallenden Kosten.   

Bloss hat das weder bei SBB, Swisscom und ihren Chefs Schaeppi und Meyer noch bei den anderen Telekom-Anbietern viel genützt. Noch immer sind 1700 Regionalzüge nicht mit Signalverstärkern ausgestattet, vernünftiges Telefonieren und Surfen darin weiterhin ausgeschlossen.

Scham ist schlimmer als Druck

Man kann nur erahnen, in wie vielen Gesprächen Leuthard und ihre Beamten die Leute von Swisscom und SBB ermahnt haben, endlich vorwärts zu machen, damit die oberste Verantwortliche für Bahnverkehr und Telekommunikation in der Schweiz sich nicht bis in alle Ewigkeit von den Vorwürfen ihrer pendelnden Kollegen, Verwandten, Bekannten beelenden lassen muss. 

Weil das alles nichts genutzt hat, greift Leuthard nun zu Mitteln der psychologischen Kriegsführung. Sie verrätscht die Chefs von Bahn und Telekommunikation bei den Medien als Versager, damit sie sich schämen. 

Im Wissen darum, dass die Alpha-Tier-CEOs der beiden Quasi-Monopolisten Scham viel schlechter ertragen als Druck.

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77 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Pascal Mona
21.04.2016 15:20registriert März 2014
Bin ich der einzige welcher es nicht so tragisch findet wenn der Sitznachbar aufgrund des schlechten Empfangs im Zug nicht dauernd in sein Handy gröhlt?
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Bruno Wüthrich
21.04.2016 16:25registriert August 2014
Ich fahre nur selten Zug. Doch als ich es letzthin einmal tat, telefonierte mein Sitznachbar die ganze Zeit. Ich, der eigentlich ein Buch dabei hatte, konnte mich nicht darauf konzentrieren. Reklamieren mochte ich nicht. Da fingierte ich einen Anruf und sprach ebenso laut in mein Handy wie mein Nachbar in seins. Den genervten Blick hättet ihr sehen sollen. Ich hörte erst damit auf, als er selbst seine Telefoniererei entnervt aufgab. Danach konnte ich in Ruhe lesen.
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21.04.2016 14:55registriert August 2015
Wieso nur Swisscom? Salt und Sunrise betreiben ja je auch ein Mobilfunknetz? Und wieso beginnen eigentlich alle drei Anbieter mit "S"?
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