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So nicht, Männer! Warum ich mich für gewisse Genossen schäme

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Kommentar

So nicht, Männer! Warum ich mich für gewisse Genossen schäme

Ist es Unsicherheit, Frust, oder fehlender Respekt? Aus manchen User-Kommentaren schlug mir blanker Frauenhass entgegen. Eine Replik.
11.08.2017, 12:3212.08.2017, 11:06
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Bei meinem früheren Arbeitgeber wurde es je länger, je mehr zur Qual, doch bei watson unternehme ich sie immer noch gern: die täglichen «Ausflüge» in die Kommentarspalten.

Was allerdings in den letzten Tagen an Hass und Häme in unserem Kommentar-Tool landete, konnte ich kaum glauben. Fast hätte ich mir das Sommerloch zurückgewünscht ...

Die Absender? Männer.

Das wiederkehrende Thema: Geschlechtsunterschiede und Gleichberechtigung. Und das zu diversen Storys.

Nachdem ich mich längere Zeit mit dem Löschen beleidigender Kommentare beschäftigte, muss ich sagen: So springt man(n) nicht miteinander um. Als Vertreter des starken Geschlechts schäme ich mich für gewisse «Genossen».

Fünf Punkte möchte ich ausführen:

  1. Frauen sind auch nur Männer.
  2. Vergesst biologische Geschlechtsunterschiede.
  3. Auch die Finanz-Branche ist gefordert.
  4. Warum Männer mehr verdienen
  5. Respekt? Respekt!

Frauen sind auch nur Männer

Den provokativen Titel habe ich von diesem lesenswerten Beitrag der «Zeit» übernommen. Er passt perfekt zur Debatte über das Antifeminismus-Manifest des (Ex-) Googlers.

Ja, liebe Kritiker, ich habe das ganze «Memo» im Original-Wortlaut gelesen. Und nein, der Mann liegt nicht richtig, sondern argumentiert schlecht und kommt zum falschen Schluss.

Eine ausführliche Begründung würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, darum in der gebotenen Kürze:

Haben Feminismus und Political Correctness Google dazu gebracht, zu viele weibliche Kandidatinnen für Tech-Jobs talentierteren Männern vorzuziehen?

Die Antwort lautet natürlich Nein. Vielmehr sind verschiedene Faktoren dafür verantwortlich, dass die Männer im Silicon Valley dominieren, wie Business Insider ausführt.

Es gilt in Erinnerung zu rufen:

  • Frauen waren einst vor den Männern in der Informatik erfolgreich, wie der «Guardian» berichtet. Nur ein Beispiel: Eine NASA-Mitarbeiterin prägte den Begriff «Software Engineering» und verhalf den Apollo-Missionen zum Erfolg.
  • Testosteron-triefende Manager-Teams können eine gefährliche Eigendynamik entwickeln, siehe Uber.

Es sind die Umstände, die in einer Branche das Geschlechterverhältnis prägen. Und Umstände kann man ändern.

Vergesst biologische Geschlechtsunterschiede

Ich habe den bekannten Hirnforscher Lutz Jäncke um eine Einschätzung gebeten, was er davon halte, wenn Leute behaupten, dass der geringe Frauen-Anteil in der Tech-Branche mit «biologischen Unterschieden» zu erklären sei.

Der Professor schreibt keine halbe Stunde nach meiner Anfrage auf seinem iPhone zurück. «Bin zwar im Urlaub, kann aber festhalten, dass es keinen wissenschaftlichen Beleg dafür gibt, dass Frauen wegen biologischer Gründe weniger begabt seien.»

Er halte dies auch für unlogisch, denn welcher «biologische Druck» sollte Männer bevorteilen, besser zu programmieren oder technische Probleme zu lösen? Allerdings müsse er feststellen, dass auch viele Psychologen und Neurowissenschaftler immer noch an die Geschlechtsunterschieds-Hypothese glauben.

Der Neuropsychologe, der zu den meistzitierten Wissenschaftlern in seinem Gebiet gehört, hält abschliessend fest:

«Geschlechts-Unterschiede sind biologisch betrachtet lediglich für Fortpflanzung, Brutpflege und Paarfindung sinnvoll und nicht für Mathe und Ingenieurwissenschaften.»
Lutz Jäncke

Wer es noch detaillierter wünscht, kann bei der «Weltwoche» nachlesen. Hier geht's zum ausführlichen Interview.

Wir halten fest: Die individuelle Persönlichkeit zählt, nicht das Geschlecht. Und damit kommen wir zum nächsten Punkt ...

Auch die Finanz-Branche ist gefordert

Talent und berufliche Eignung sind nicht vom Geschlecht abhängig, sondern von zahlreichen Faktoren. Wenn ein Unternehmen bei der Rekrutierung ein Geschlecht benachteiligt, verschenkt es viele Chancen und wirtschaftliches Potenzial. Dies hält der Management-Professor und bekannte Buchautor Sydney Finkelstein in diesem lesenswerten Meinungsbeitrag fest.

Die Argumentation: Im Wettstreit der Tech-Konzerne kann es sich kein Unternehmen leisten, den Talente-Pool zu begrenzen. Im Gegenteil! Die Suche nach den talentierten und lernfähigsten Köpfen müsse verstärkt die Frauen einschliessen.

Bei Google ist jeder fünfte Angestellte weiblich, gerade mal ein Prozent sind Afroamerikaner. Müssen wir uns da wirklich über die Benachteiligung weisser Männer sorgen?

Ein höherer Frauenanteil ist nicht nur dem Silicon Valley zu wünschen, sondern auch der Bankenwelt, respektive Hochfinanz.

Wie der Blog Inside Paradeplatz konstatiert, verschlingt die Frauenförderung der Schweizer Grossbanken Jahr für Jahr beachtliche Summen, ohne dass sich etwas ändert. Stand Anfang Jahr bei der Credit Suisse: Keine Frau im siebenköpfigen Verwaltungsrat, drei in der 13-köpfigen Geschäftsleitung.

Das ist sicher kein Grund, auf entsprechende Massnahmen zu verzichten. Vielmehr müssten sich die Verantwortlichen fragen, wie der Frauenanteil gesteigert werden kann. Oder ist das aktuelle, männerdominierte System auch das beste aller Systeme aus Sicht der Öffentlichkeit Steuerzahler und Kunden?

Warum Männer mehr verdienen

Geschlechtsspezifische Lohnungleichheiten sind ein Fakt, über deren tatsächliche Höhe und die mannigfaltigen Gründe lässt sich streiten. Was ich jedoch nicht verstehe, ist, warum sich viele meiner Geschlechtsgenossen persönlich angegriffen fühlen, wenn der Status quo infrage gestellt wird. Und sei dies auch nur durch eine hypothetische Preiserhöhung für Männer.

Lohntransparenz wäre ein wichtiger Schritt, von dem Benachteiligte beider Geschlechter profitieren würden. Dies gilt zumindest für alle Arbeitnehmer mit «normalem» Einkommen. 

Immerhin: Laut neuerer Studien ist die Lohnlücke in der Schweiz am geringsten, na dann freuen wir uns doch und klopfen uns auf die Schultern. Sollte etwas falsch dargestellt sein, dann kann man(n) auf anständige Art und Weise widersprechen.

Damit sind wir beim letzten Punkt:

Respekt? Respekt!

Die watson-Redaktorinnen und -Redaktoren wenden viel Zeit auf, um die Diskussionskultur und den Austausch auf Augenhöhe zu pflegen. Dazu gehört, auf begründete Kritik zu reagieren. Dazu gehört aber auch, Beleidigungen und unbegründete Kritik zu löschen, respektive gar nicht freizuschalten.

Was mich freut, sind die vielen Kommentatorinnen und Kommentatoren, die bei uns engagiert und fair mitdiskutieren. Für alle anderen gilt es die Hausregeln in Erinnerung zu rufen:

  1. Zur Sache diskutieren
  2. Unsere Anstrengungen respektieren
  3. Die AutorInnen respektieren
  4. Die Diskussionspartner respektieren
  5. Zur Qualität von watson beitragen
  6. Nie «Zensur» schreiben
  7. Sich registrieren

Die Details erklärt unser Chefredaktor hier.

Das war's. Bin gespannt auf dein Feedback!

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242 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Devante
11.08.2017 14:47registriert Mai 2014
Meine Meinung kurz zusammengefasst:
- Frauen sollten für die gleiche Arbeit den selben Lohn erhalten wie Männer
- Eine Frauenquote ist doof, nicht das Geschlecht, sondern die Leistung bzw. das Können soll darüber entscheiden, wer den Job erhält. Punkt.
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Bruno Wüthrich
11.08.2017 14:16registriert August 2014
Könnte es sein, dass für die geharnischten Kommentare auch die Watson-Redaktion mitverantwortlich ist?

Eure Berichterstattung über das Thema ist gefärbt. Eure eigene Meinung ist gemacht, und ihr wollt sie auch so rüber bringen. Nix da von neutraler Herangehensweise. Kein Platz für Gegenargumente in den Artikeln. Man liest immer nur von Lohnunterschieden und von der (anerkannten) Tatsache, dass weniger Frauen die verantwortungsvollen Positionen besetzen.

Ist Ihnen bewusst, dass an diesen Verhältnissen auch die Frauen ihren Anteil an Mitverantwortung haben? Es sind nicht nur die Männer!
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Madison Pierce
11.08.2017 14:10registriert September 2015
Warum ist schon nur die Annahme, dass es Unterschiede zwischen den Geschlechtern geben könnte, so ein Drama? Es geht da um den Durchschnitt. "Männer können X besser, Frauen Y" heisst ja nicht "es gibt keine Frau, die X kann".

Ich halte nichts von Frauenförderung im Sinne von Quoten. Was ich aber von einer fortschrittlichen Gemeinschaft erwarte, ist, dass jedes Individuum seinen Weg ohne Diskriminierung gehen kann. Sei das eine Frau in der IT oder ein Mann in der Kinderkrippe.
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