Schweiz
Digital

EU schafft die Roaming-Gebühren ab – darum zahlen Schweizer nun gar mehr

Bild
bild: shutterstock

EU schafft jetzt die Roaming-Gebühren ab – darum zahlen Schweizer nun gar mehr

14.06.2017, 12:5710.07.2017, 15:56
Mehr «Schweiz»

Während die Politik in der Europäischen Union nach langem Ringen die Roaminggebühren für die Benutzung des Handys in der EU und im EWR ab dem 15. Juni 2017 abschafft, sind in der Schweiz alle Bemühungen zur Deckelung der Tarife am Widerstand von Politik und Telekombranche gescheitert.

«Damit bleibt die Schweiz das einzige Land weit und breit, wo die ungeliebten Tarife noch gelten.»

Darum zahlen wir weiter fürs Roaming

Schweizer Handynutzer profitieren von der neuen EU-Regelung nicht. Weil die Schweiz nicht zur EU gehört, erhalten Schweizer Telekomanbieter auch nicht die regulierten Einkaufspreise. Aus diesem Grunde müssen die Schweizer weiterhin Gebühren für die Nutzung des Handys oder Tablets über Mobilfunknetze im Ausland zahlen.

Dabei geht es um eine erkleckliche Summe: Im Jahr 2015 beliefen sich die Roamingumsätze von allen Schweizer Telekomanbietern auf 625 Millionen Franken. Der Grossteil davon entfalle auf die EU und den EWR, hiess es beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom). In der Schweiz sind die Roamingumsätze in letzten Jahren allerdings markant gesunken. 2010 lagen sie noch bei 926 Millionen Franken. Neben den Preissenkungen der Schweizer Telekomanbieter ist dafür auch die zunehmende Beliebtheit von Bündelangeboten verantwortlich, in denen eine gewisse Roamingbenutzung pauschal enthalten ist.

National- und Ständerat sind für Roaming-Gebühren

Die Roamingtarife sind bereits seit langem Stein des Anstosses. Schon 2004 bezeichnete der Preisüberwacher sie als «möglicherweise überhöht». 2007 forderte er dann den Bundesrat auf, ein Roamingabkommen mit der EU zu prüfen, nachdem diese erstmals Obergrenzen für die Nutzung des Handys im Ausland eingeführt hatte. Denn die Schweiz solle nicht zur Hochpreisinsel werden. Mehrere politische Vorstösse scheiterten allesamt im National- und Ständerat.

Der damalige Präsident der Eidg. Kommunikationskommission (Comcom), Marc Furrer, setzte sich wiederholt für einen Anschluss der Schweiz an das EU-Roamingregime ein. Zuletzt hatte er im vergangenen Herbst der «NZZ am Sonntag» gesagt: «Die EU-Kommission war da sehr offen, aber die europäischen Telekomfirmen kämpften dagegen an.»

EU-Telekomfirmen verrechnen Swisscom und Co. höhere Tarife

Ohne bilaterales Abkommen können die EU-Telekomfirmen nicht gezwungen werden, den Schweizer Anbietern die regulierten Grosshandelspreise anzubieten. «Die winden sich jetzt schon sehr stark im Hinblick auf die Abschaffung der Roaminggebühren in der EU», sagt der neue Comcom-Präsident Stephan Netzle.

Laut Salt-Chef Andreas Schönenberger verlangen EU-Anbieter von den Schweizern eher wieder höhere Roaming-Gebühren im Hinblick auf sinkende Einkünfte aus dem Roaming in der EU.

Abkommen mit EU wenig realistisch

Ein bilaterales Roamingabkommen mit der EU steht aber nicht weit oben auf der Agenda der Regierung. Denn einerseits seien die Schweizer Roamingpreise in den letzten Jahren schon markant gesunken.

Andererseits komme eine isolierte bilaterale Vereinbarung zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage, sagt Netzle. Im Fernmeldebericht 2014 hatte der Bundesrat ein solches Abkommen zur damaligen Zeit als nicht realistisch beurteilt.

Und bei der laufenden Teilrevision des Fernmeldegesetzes wird gegenwärtig die Botschaft des Bundesrates und eine Gesetzesvorlage mit Massnahmen zur Begrenzung der Roamingpreise ausgearbeitet. Über die genaue Ausgestaltung könnten noch keine Angaben gemacht werden, teilt das Bakom mit.

Wettbewerb funktioniert nicht

Würde die Politik einseitig Höchstpreise für Swisscom, Salt und Sunrise einführen, ginge das voll zu Lasten der Schweizer Anbieter. Denn die ausländischen Telekomkonzerne würden weiterhin ihre Roaminggebühren verlangen.

Eine Preisobergrenze für Swisscom, Sunrise und Salt sei rechtlich und politisch nicht durchsetzbar, sagt der Comcom-Präsident. Das wäre ein Eingriff in die Vertragsfreiheit. «Wir sind der Meinung, dass Preise das Resultat des Wettbewerbs sind», sagt Netzle.

Dieser funktioniere aber nicht, hatte das Gremium europäischer Telekomregulatoren bereits 2006 festgestellt.

Politiker und Schweizer Telekombranche wollen an Roaming-Gebühren festhalten

Anders sieht dies die Schweizer Telekombranche, die Widerstand leistet gegen eine Abschaffung der für sie lukrativen Roaminggebühren durch eine Regelung wie in der EU. «Eingriffe sind unnötig, die Marktkräfte spielen und die Roamingpreise der Swisscom sinken auch ohne Regulierung seit Jahren massiv», erklärt Swisscom-Sprecher Sepp Huber. Bei vielen Kunden sei Roaming schon in den Pauschalabos enthalten.

Auch politisch ist eine Abschaffung in Bern nicht mehrheitsfähig. Denn diese würde auf den Gewinn der teilstaatlichen Swisscom schlagen, deren Dividende zur Hälfte in die Staatskasse fliesst.

Zudem würde eine Abschaffung Sunrise und Salt härter treffen als die Swisscom. Die kleinen Anbieter hätten das Problem, dass sie im Grosshandelsbereich mehr bezahlen müssen, als sie damit einnehmen, sagt Furrer: «Ihre Kunden benutzen die ausländischen Netze viel öfter als umgekehrt Ausländer die Salt- und Sunrise-Netze.»

Konsumentenschützer für Preisobergrenze

Angesichts der Lage fordern Konsumentenschützer die Schweizer Regierung zu Gegenmassnahmen auf: Sie verlangen, dass der Bundesrat nicht nur Massnahmen zur Senkung der Endkundentarife erlassen kann, sondern dies tun muss, wenn die Preise zu hoch sind.

Da ein Abkommen mit der EU derzeit wenig realistisch sei, solle der Bundesrat auch ohne solche Vereinbarung von sich aus Preisobergrenzen festlegen, schreibt die Allianz der Konsumentenschutz-Organisationen (SKS, FRC, ACSI) in einem offenen Brief an Kommunikationsministerin Doris Leuthard.

Auf der anderen Seite ist die Abschaffung der EU-Roaminggebühren ein zu harter Einschnitt der Politik in den Markt. Dies zeigt die Vielzahl an Ausnahmeregelungen und Umgehungsmöglichkeiten der neuen Verordnung. «Die ganze EU-Roamingverordnung ist ein Bürokratiemonster», sagt ein Branchenexperte.

Die Kosten für die Benutzung des Handys im Ausland sind trotzdem da und werden jetzt in neuen Tarifplänen verpackt. «Den Nulltarif gibt es nicht», sagt Netzle.

(oli/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Duscholux
14.06.2017 13:20registriert Oktober 2016
"Denn die Schweiz solle nicht zur Hochpreisinsel werden."

Hahahahahhaha.
1201
Melden
Zum Kommentar
avatar
Realtalk
14.06.2017 13:23registriert Dezember 2014
Aha, hier könnte der Konsument mal profitieren und oh Wunder, dies Änderung wird nicht übernommen?
7210
Melden
Zum Kommentar
avatar
simzi
14.06.2017 13:21registriert Juni 2017
hangeln wir uns eben weiter von WLan zu WLan im Ausland... oder detoxen digital etwas, wenn wir mal wieder enet der Grenze billiges Fleisch holen müssen
502
Melden
Zum Kommentar
24
Identität der Todesopfer nach Busunglück noch unklar – laut EDA keine Schweizer

Nach dem schweren Busunglück auf der deutschen Autobahn 9 bei Leipzig ist die Identität der vier Todesopfer noch nicht geklärt. Laut dem eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sollen sich aber keine Schweizerinnen und Schweizer darunter befinden.

Zur Story