Wenn ein Herz plötzlich stillsteht, zählt jede Sekunde. Doch je nach Ort des Notfalls dauert es viel zu lang, bis professionelle Hilfe eintrifft, um den Betroffenen zu reanimieren.
Das soll sich mit der neuen App «Echo112 – First Responder» ändern. Ziel ist es, überall im Land möglichst viele Freiwillige zu gewinnen, die bereit sind, bei Herz-Notfällen zu helfen.
watson hat mit dem Geschäftsführer der Entwicklerfirma Ubique, Mathias Wellig, gesprochen. Vom gleichen Unternehmen stammen die MeteoSwiss-App und die neue SBB-App (oder zumindest wichtige Teile davon, wie etwa der Touch-Fahrplan).
Mathias Wellig, die Schweiz erhält als eines der ersten Länder ein nationales Netzwerk von freiwilligen Rettungshelfern – wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Mathias Wellig: Beim Echo112-Projekt arbeiten wir mit Jocelyn Corniche zusammen, das ist ein Arzt aus Lausanne, der früher Notarzt bei der Rega war. Er kannte die Bedürfnisse der Notfalldienste und wir brachten das Wissen über die technischen Möglichkeiten – so war der erste Schritt für First Responder getan.
In welchen anderen Ländern gibt's so einen Service?
Wir haben von einem System gehört, das in Grossbritannien mit einem ähnlichen Ansatz ein Netzwerk von Ersthelfern via Mobile-App aufbaut.
Anmelden sollen sich hauptsächlich Ärzte, Krankenschwestern und professionelles Pflegepersonal, richtig?
Je professioneller die Ausbildung, desto effizienter kann geholfen werden, das ist klar. Oft geht es aber bei Notfällen um Minuten, und da kann jeder mit einem abgeschlossenen Erste-Hilfe-Kurs einen erheblichen Beitrag leisten.
Reicht der Nothelferkurs wirklich?
Ja, absolut. Die Überlebenschancen bei einem Herzstillstand steigen mit jeder Minute, bei der früher mit der Herzmassage begonnen wird. Deshalb braucht es so viele Helfer wie möglich – vor allem in abgelegenen Orten befinden sich nicht immer professionelle Spezialisten in unmittelbarer Nähe.
Was soll ich tun, falls ich mich unsicher fühle, respektive nicht weiss, ob ich den Anforderungen genüge?
Die Einsatzleitzentralen werden nie jemanden für eine Hilfe aufbieten, die er nicht leisten kann. Wenn der Nothelferkurs schon eine Weile zurückliegt, kann es aber sicher nicht schaden, einen Kurs zur Auffrischung zu besuchen.
Welche Notfalldienste sollen die registrierten User alarmieren, respektive aufbieten?
Am System teilnehmen können alle professionellen Notfalldienste, wie beispielsweise die kantonalen Einsatzleitzentralen.
Kann ich meine Verfügbarkeit als Rettungshelfer vorübergehend deaktivieren, zum Beispiel wenn ich in den Ferien nicht gestört werden will?
Eine sehr wichtige Eigenschaft des Systems ist gerade die ortsunabhängige Verfügbarkeit – wenn beispielsweise in der Wandersaison in den Walliser Bergen ein Notfall passiert, kann es gut sein, dass ein First Responder aus Zürich in der Nähe am Wandern ist und helfen könnte. Wichtig ist: Man verpflichtet sich auf keine Weise für einen Einsatz, man kann bei jedem Aufgebot explizit zustimmen, dass man verfügbar und bereit ist, zum Notfall hinzugehen. Dann und nur dann wird erwartet, dass der First Responder zum Unfallort hingeht.
Stichwort Abdeckung: Wo überall ist der Service verfügbar?
Der Service funktioniert im Prinzip weltweit. Aktuell fokussieren wir uns aber auf die Schweiz.
Ihr ortet die registrierten User «ohne ständig die GPS-Position zu verfolgen». Wie geht das?
Unser System hat die Schweiz in mehrere grosse Sektoren eingeteilt – das System weiss nur, in welchem Sektor sich ein First Responder befindet. Die App braucht dazu eine grobe Positionierung via Funkmasten, und meldet anschliessend, in welchem Sektor sich der Nutzer befindet. Eine genaue Positionierung via GPS wird nur im Notfall durch autorisierte Notfallzentren durchgeführt. Dieses System wird von uns bereits seit mehreren Jahren erfolgreich in der App des Deutschen Wetterdienstes (DWD) eingesetzt, um ortsbasierte Wetterwarnungen zu versenden.
Wie gewährleistet Ihr Unternehmen den Datenschutz und wer kann auf die Informationen zugreifen?
Das System lässt nicht zu, dass ein Verlauf der Sektoren gespeichert wird. Effektive Positionen, die via GPS ermittelt wurden, können nur von autorisierten Notfallzentren angefragt werden und bleiben nur für die Dauer des Einsatzes im System. Auf die persönlichen Daten, wie das Nothelferzertifikat, haben nur autorisierte Personen Zugriff, die verantwortlich sind, die Echtheit der Registrationen zu prüfen.
Wie wird der Service finanziert?
Der Service ist eine Investition von Ubique Health. Wir sind überzeugt, dass wir durch das System einen grossen Beitrag zur Optimierung des Rettungswesens in der Schweiz beitragen können, und suchen in dieser Branche entsprechend nach Partnern.