Das kostenlose Vornamen-Tool zeigt, wie sich Adolf, Kevin und Co. in den letzten 100 Jahren entwickelten. PS: Funktioniert auf dem Smartphone und am PC.
13.07.2017, 07:5914.07.2017, 05:43
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Tschüss «Service Public»!
Da gab es dieses extrem praktische und beliebte Vornamen-Tool auf der Website des Bundesamts für Statistik (BFS). Und was tun die obersten Statistiker des Landes? Sie renovieren ihren Web-Auftritt und kippen das Tool, das werdenden Eltern Hilfe bot und schlaflose Nächte ersparte, aus dem Angebot.
Na gut, ich übertreibe. Ein bisschen.
Aber hier kommt Adrian Zimmermann ins Spiel. Er ist Chef der Firma Snowflake, die sich auf Web-Lösungen spezialisiert hat. Am Dienstag verschickte er eine Medienmitteilung (mit Sperrfrist heute 8 Uhr) und kündigte einen PR-Coup an:
Als klar wurde, dass der neue Webauftritt des BFS kein Budget mehr für die Neuprogrammierung des Vornamen-Tools zulässt, war der Entschluss schnell gefällt. ‹Ersatz muss her – und wenn das der Bund nicht macht, nehmen wir das in die Hand!›
Das neu programmierte Web-Tool steht ab sofort gratis unter der Adresse https://vornamen.opendata.ch zur Verfügung. Alle können es nutzen, auf dem Handy, Tablet oder am PC.
Update: Stellungnahme des BFS am Ende des Beitrags. Und du erfährst, warum ein bekannter SVP-Politiker für ein Vornamen-Tool keine Steuergelder «verbraten» will.
Update 2: Die Macher des Tools schreiben, die interaktive Vornamen-Datenbank berge noch viel Potential für «Daten-Spielereien». Dementsprechend werde Snowflake das Vornamen-Tool auch laufend weiter entwickeln und sobald verfügbar mit neuen Daten des BFS aktualisieren.
Es lohnt sich, wie die folgenden Beispiele zeigen!
Wir beginnen nicht mit Hansueli, sondern Elvis
Warum nannten in den 60er-Jahren auffallend viele Eltern ihren Sohn John?
Wegen eines Cowboys?
Bild: /AP/KEYSTONE
Nicht auszuschliessen. Aber es war eine andere öffentliche Person, die den englischen Vornamen in der Schweiz populär machte ...
Bild: EPA/JFK PRESIDENTIAL LIBRARY
Wir bringen «Adolf» schnell hinter uns.
PS: 1987 kamen noch vier Adolfs zur Welt
Im gleichen Jahr gabs für Diego einen ersten Peak.
Wir kommen zu Emma. Manche Grossmutter heisst so, dann...
Emma wird ab der Jahrtausendwende immer populärer. Das dürfte mit dieser jungen Frau (Jahrgang 1990) zu tun haben...
Bild: Francois Mori/AP/KEYSTONE
Dann schauen wir mal, ob sie auch als Harry Potters Gefährtin Hermine in der Vornamen-Statistik Einzug hielt...
Hermine ist die weibliche Ableitung des aus dem Althochdeutschen stammenden Namens Hermann und bedeutet so viel wie «Kriegerin». Ob es darum in den 1930er-Jahren einen Peak gab?
Wir bleiben bei Potter
Der berühmte Zauberlehrling hat in der Schweizer Vornamen-Statistik keine grossen Spuren hinterlassen
Bild: AP WARNER BROS. PICTURES
Ganz anders Ryan (und abgeschwächt auch Bryan – da gab es doch in den 80ern einen Sänger...)
Auch diese biblische Figur ist hierzulande ein «Spätzünder»
Das neue Vornamen-Tool wird nicht zufällig auf der Website von opendata.ch angeboten. Die Schweizer Sektion der gemeinnützigen Organisation Open Knowledge Foundation setzt sich dafür ein, Daten öffentlich und frei verfügbar zu machen.
Die Firma Snowflake will mit ihrer Aktion auch ein Zeichen für die Open-Source-Philosophie setzen. Man unterstütze seit über 17 Jahren offene Standards und Open-Source-Software.
In jedem Gerold steckt ein Erol
Wobei der kürzere türkische Vorname mit den Gastarbeitern zu tun haben dürfte, die in den 60ern ins Land kamen.
Wen wunderts: Donald – schlägt auch in der Vornamen-Statistik Kapriolen, wenn auch in bescheidenem Rahmen*
* Wird spannend zu sehen sein, ob sich nach 2016 etwas in der Statistik tut...
Chantal – was lief da Anfang 50er-Jahre?
Und jetzt du!
Mit dem Vornamen-Tool lässt sich endlos spielen und experimentieren. Besonders spannend ist es, «Modenamen» und exotische Kreationen in der Datenbank abzufragen. Die watson-Redaktion hat mir viele Vorschläge gemacht, hier ein Auszug:
- Amélie (welchen Einfluss hat der geniale Film von 2001?)
- Chantal
- Daniel («ein lange Zeit sehr populärer Name, der aber in letzter Zeit arg schwächelt», wie mein Namensvetter schreibt.)
- Emilie / Emily
- Eusebius
- Finn / Fynn
- Gertrud
- Gottfried
- Hugo (warum gabs Anfang 70er einen Knick?)
- Jessica
- Josef («Einst hiess – zumindest in katholischen Gegenden – jeder zweite so.»)
- Maja / Maya
- Maurice (Peak in den 40ern, Revival 2012)
- Max / Maximilian
- Nicole
- Roger (welchen Einfluss hat Federer auf die Vornamen-Statistik?)
- Waltraud
- Zorro
Gut zu wissen
Wenn ein bestimmter Vorname überhaupt nicht in der Statistik auftaucht, sollte man/frau dies nicht persönlich nehmen. Die Statistiker haben dafür mehrere gute Erklärungen:
- Vornamen, die insgesamt weniger als dreimal vorkommen, werden aus Datenschutzgründen nicht angezeigt.
- Vornamen, die für einen Jahrgang weniger als dreimal vorkommen, werden mit einem Stern (*) angegeben.
- Die Statistik berücksichtig laut den Machern nur die ersten 1000 Vornamen (Rang) mit mindestens einer Beobachtung pro Vorname in einer Sprachregion.
Du möchtest dich noch intensiver mit Vornamen beschäftigen und/oder bist auf der Suche nach dem perfekten Namen? Dann kommt hier ein Lektüre-Geheimtipp: «How to Name a Baby», verfügbar bei waitbutwhy.com. Das sei «der beste Namensartikel aller bisherigen Zeiten», wurde mir verraten. 😉
Update 9.30 Uhr: Das Bundesamt für Statistik (BFS) hat auf unsere Anfrage reagiert und macht allen, die das Vornamen-Tool des Bundes schätzten, Hoffnung. Mediensprecher Klaus von Muralt schreibt:
«Das BFS hat 2016 seinen Webauftritt modernisiert. Mit der neuen Infrastruktur wurden auch Datenbanken und Schnittstellen ausgetauscht, was Konsequenzen auf einige Tools hat. Bis die technischen Grundlagen erstellt, die Schnittstellen entwickelt und die finanziellen Folgen geklärt sind, sind einige statistische Einzel-Anwendungen ausser Betrieb. Diese Arbeiten finden im Verlaufe dieses Jahres statt. Wir bedauern die Unannehmlichkeiten und hoffen, auch für das beliebte Vornamen-Tool eine Lösung zu finden.»
Vielleicht sei es zudem auch noch von Interesse, so der BFS-Sprecher, was Nationalrat Adrian Amstutz im Juni 2017 im Parlament zur Halbierung des BFS-Budgets gesagt habe:
«Ich nenne Ihnen auch noch die überflüssigste aller überflüssigen Statistiken in diesem Land, nämlich die Vornamensstatistik, aufgeteilt auf Sprachregionen und Kantone. Da findet man dann heraus, dass im Jahre X im Bündnerland im rätoromanischen Teil Gian der beliebteste Vorname war. Wenn die ‹Glückspost› eine solche Statistik macht, habe ich dafür noch Verständnis. Wenn wir aber für solchen Unsinn Steuergelder verbraten, dann habe ich kein Verständnis.»
Die Motion von Adrian Amstutz sei mit 105 zu 82 Stimmen im Nationalrat abgelehnt worden, so der BFS-Sprecher.
Die beliebtesten Vornamen
Als Datenquelle dient die vom BFS zur Verfügung gestellte
Statistik der Bevölkerung und Haushalte (STATPOP 2015).
Angezeigt werden von der Suchmaschine sämtliche Vornamen, die mindestens drei Mal vorkommen. So kann in der Datenbank die Häufigkeit von 56'890 Vornamen mit Wohnsitz in der Schweiz verglichen werden. Mit dem interaktiven Tool lässt sich die Hitparade der beliebtesten Vornamen der Neugeborenen auch nach Kantonen und einzelnen Sprachregionen aufschlüsseln.
(Quelle:
snowflake productions gmbh, Medienmitteilung)
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