Deutschland rüstet sich für den digitalen Krieg. In drei Wochen nimmt ein Cyber-Kommando der Bundeswehr seine Arbeit auf – als gleichberechtigte Einheit neben Heer, Marine und Luftwaffe. Bis 2021 soll die Truppe 13'500 Soldaten umfassen. Sie hat nicht nur die Aufgabe, das Land zu verteidigen, sondern auch geheime Angriffe auszuführen. Die Bundeswehr-Universität in München wird die Cyber-Krieger in einem neuen Studiengang ausbilden.
Ganz anders ist die Ausgangslage bei der Schweizer Armee. Sie beschäftigt gerade einmal 25 Personen für die digitale Landesverteidigung. Hinzu kommen 17 Leute des Nachrichtendienstes, die im Bereich Cyber Security arbeiten.
SVP-Nationalrat und IT-Unternehmer Franz Grüter (LU) fordert jetzt – auch mit Blick nach Deutschland – einen radikalen Umbau: «Wir brauchen eine Cyber-Streitkraft, die den gleichen Status wie die Luftwaffe hat.» Dafür seien zehn Prozent des Rüstungsbudgets nötig: 250 Millionen Franken für IT-Spezialisten und 250 Millionen für technisches Equipment. «Wir sparen lieber bei den Kampfpanzern», meint er.
Die jüngsten Enthüllungen der Plattform Wikileaks müssten für die Schweiz ein Weckruf sein, sagt Grüter. Die Berichte zu den Fähigkeiten des amerikanischen Geheimdienstes CIA hätten die Vermutung bestätigt, dass andere Staaten der Schweiz weit voraus seien. Wer die Eidgenossenschaft lahmlegen wolle, müsse nicht mit Panzern oder Kampfjets angreifen: «Mit Cyber-Angriffen könnte man unsere kritischen Infrastrukturen innert weniger Wochen ausser Gefecht setzen. Wir sind nicht in der Lage, unser Land zu schützen.» Grüter kritisiert den Bundesrat seiner Partei: «Guy Parmelin hat noch zu wenig erkannt, dass Cyber-Angriffe eine der grössten Bedrohungen für unser Land darstellen.»
Für eine Cyber-Armee hätte die Schweiz allerdings gar nicht genügend qualifizierte IT-Fachleute. Grüter fordert deshalb auch ein Umdenken bei den Bildungsinstitutionen. Die Cyber-Security-Ausbildungen in der Schweiz stuft er als «zu mager» ein. Die ETH solle eigene Ausbildungsgänge für Cyber-Defense-Soldaten anbieten. Lino Guzzella, Präsident der ETH Zürich, habe sich bereit erklärt, ihn zu einem Gespräch zu treffen. Guzzella bestätigt dies und sagt, die Hochschule habe die Forschung im Bereich der Informationssicherheit in den vergangenen Jahren ausgebaut. Zu weiteren Plänen hält er sich bedeckt.
Als Geschäftsmann hat Grüter auch ein persönliches Interesse an einer Cyber-Offensive. Er ist Verwaltungsratspräsident der Rechenzentrum-Betreiberin Green. Je sicherer seine Datenbunker sind, desto teurer kann er sie vermieten. Sein Anliegen wird jedoch auch von Armee-Kritikern unterstützt. SP-Fraktionschef Roger Nordmann (VD) sagt: «Die SP will definitiv mehr in Cyber-Verteidigung investieren.» Er verstehe nicht, warum die Armee stattdessen zig Millionen für Munition und Mörser ausgebe. SP-Sicherheitspolitiker Pierre-Alain Fridez (JU) erarbeitet derzeit ein Konzept für eine Armee, die sich auf «reale Risiken» statt auf konventionelle Kriegsführung fokussiert.
Eine Cyber-Armee nach deutschem Vorbild beurteilt Verteidigungsminister Parmelin skeptisch. Im Unterschied zu Deutschland sei die Cyber-Abwehr in der Schweiz primär Aufgabe von Zivilangestellten, sagt sein Sprecher. Parmelin habe aber den Auftrag erteilt, Aufgaben, Rollen und Ressourcen zu überprüfen. Die Erkenntnisse würde er bald dem Bundesrat vorstellen.
Parmelin informierte die Bundesratsparteien an den Von-Wattenwyl-Gesprächen Anfang Februar über die neusten Erkenntnisse zu den russischen Cyber-Attacken bei den Wahlen in den USA und Frankreich. Er sagte, auch in der Schweiz drohten Angriffe auf kritische Infrastrukturen.