Mit einem atomaren Schlag kann der US-Präsident die Welt zerstören, mit einem Handelskrieg kann er der Weltwirtschaft schweren Schaden zufügen. Aber angenommen, diese beiden Ereignisse bleiben Albträume von notorischen Crashpropheten, dann wird Donald Trump nicht mehr als eine Fussnote der Geschichte bleiben.
Ganz anders die Blockchain. Vor zwei Jahren haben die wenigsten von uns diesen Begriff überhaupt gekannt. Jetzt entwickelt sich diese Technologie zu einem Schlüssel der digitalen Wirtschaft des 21. Jahrhundert. Transportunternehmen und Banken, aber auch Stromversorger und Versicherung haben das Potenzial der Blockchain erkannt und arbeiten mit Hochdruck an Modellen, die sich in die Praxis umsetzen lassen.
Zunächst nochmals eine Begriffsklärung: Eine Blockchain ist im Grunde nichts anderes als ein riesiges Grundbuch, in die jede Transaktion eingetragen werden muss. Die Transaktion kann nur dann abgewickelt werden, wenn sie den von den Teilnehmern einer Gruppe festgelegten Regeln entspricht. Dank moderner Verschlüsselungs-Technik können diese Transaktionen absolut sicher und so durchgeführt werden, dass die Privatsphäre nicht verletzt wird.
Bekannt geworden ist die Blockchain dank den Bitcoins. Die Kryptowährung benutzt diese Technologie, aber sie ist nicht – wie fälschlicherweise oft angenommen wird – gleichbedeutend mit ihr. Es gibt zwei Blockchain-Welten. In der Fachsprache werden sie «permissioned» und «non-permissioned» genannt.
Der Unterschied liegt darin, dass die Verschlüsselung bei einer «non-permissioned» Blockchain sehr viel aufwändiger ist. Bitcoins setzen auf diese Variante und handeln sich damit zwei gravierende Nachteile ein: Die Transaktionen sind langsam und brauchen extrem viel Strom.
Die «permissioned» Variante hingegen bietet genügend Sicherheit und verbraucht viel weniger Energie. Wer also weder mit Drogen und Waffen handelt oder Geld im grossen Stil waschen will, der benutzt diese Variante – und genau dies tun immer mehr Unternehmen. Eine von IBM Schweiz diese Woche veröffentlichte Studie hat ergeben, dass ein Drittel der 50 befragten Unternehmen bereits Blockchain-Projekte entwickelt, ein Drittel ist daran interessiert, und ein Drittel das Thema noch kalt lässt.
«Am weitesten sind die Distributions- und Logistikunternehmen», erklärt dazu Christian Widmer, der die IBM-Studie betreut hat. An diesen Unternehmen lässt sich der Vorteil einer Blockchain sehr einfach erläutern, beispielsweise am Diamantenhandel.
Wenn alle Teilnehmer des Diamantenhandels in einer gemeinsamen Blockchain zusammengeschlossen sind, dann ist von der Mine bis zum Endverbraucher eine lückenlose Kontrolle möglich. Es ist jederzeit bekannt, wo sich jeder einzelne Diamant befindet und wer ihn besitzt. Fälschungen sind nicht mehr möglich. Es wird auch praktisch unmöglich, so genannte «Blutdiamanten» in die Kette zu schmuggeln.
Dieses Prinzip lässt sich übertragen, etwa auf Container-Schiffe. IBM und der grösste Container-Schiff-Transporteur Maersk entwickeln deshalb eine Blockchain. Dazu braucht es zunächst einen so genannten Hyperledger, ein riesiges elektronisches Grundbuch. Darin werden die Transaktionen einer Gruppe erfasst und die Spielregeln festgelegt.
Nehmen wir das Beispiel des Blumenhandels: Vom Produzenten in Kenia bis zum Endabnehmer in der Schweiz sind alle in der Blockchain erfasst und jeder Teilnehmer kennt die Bedingungen, die er erfüllen muss. Diese werden in einem so genannten Smart Contract festgelegt.
Was ist ein Smart Contract? Auch das lässt sich einfach erklären: Angenommen, du least ein Auto und tust dies mit einem solchen Vertrag. Dann springt dein Auto nicht mehr an, wenn du die Leasingrate nicht bezahlt hast. Genauso ist es beim Blumentransport. Der Produzent muss eine festgelegte Qualität liefern, der Transporteur für eine festgelegte Temperatur sorgen, etc. Geld fliesst erst, wenn all dies eingehalten worden ist.
All dies ist in der Blockchain festgelegt, deshalb wird die Logistik sehr viel effizienter, vor allem dann, wenn auch die Behörden mitmachen. Auch das zeichnet sich ab. Die EU prüft bereits, wie sie die Blockchain beim Zoll einsetzen kann.
Eine durchgehende Blockchain wird für gewaltige Effizienzgewinne sorgen. Der Schweizer Blumenhändler kann dann ohne Angst mit einem ihm unbekannten Gärtner in Kenia ins Geschäft kommen. Er braucht keine Bank, die den Zahlungsverkehr abwickelt, und der Papierkram des Zolls entfällt. Angesichts dieser Vorteile kann Andreas Kind vom IBM-Forschungsinstitut in Rüschlikon auch guten Gewissens erklären: «Hyperledger-Projekte werden umgesetzt, es ist mehr als ein Hype.»
Das gilt auch für die Finanzindustrie. Banken und Versicherungen verbrennen heute noch sehr viel Geld im Backoffice. Wertschriftenhandel und Versicherungspolicen erfordern sehr viel Aufwand. Mit der Blockchain wird sich dies radikal ändern. Das wurde am vergangenen Dienstag an der Finance 2.0-Konferenz in Zürich einmal mehr deutlich.
Auch die Energiewirtschaft wird mit der Blockchain revolutioniert werden. Das lässt sich heute schon an einem Experiment in Brooklyn erahnen. Dort haben sich in einem Quartier 50 Solarhersteller zum Brooklyn Microgrid zusammengeschlossen. Mit der Blockchain können sie ihre Energie untereinander austauschen und so eine dezentrale Stromversorgung aufbauen.
Was sich in Brooklyn anbahnt, könnte bald weltweit Schule machen. Die «New York Times» meldet, dass dieses Modell zusammen mit Siemens rund um den Globus verbreitet werden soll.