Dieser Blick, diese Wangen, diese Zähne: Das sogenannte Trollface hat fast jeder Internetnutzer schon einmal gesehen. Seit Jahren taucht es in Webforen wie 4Chan und Reddit auf. Kaum ein Bild wird so häufig benutzt, um den typischen Internettroll darzustellen. Und selbst im Popkultur-Mainstream ist das Gesicht angekommen, über Aufkleber, Anhänger und Kaffeetassen. Sogar Prominente wie der Schauspieler Adam Sandler waren schon im Trollface-T-Shirt zu sehen.
Das Spielemagazin «Kotaku» hat nun ein Porträt über Carlos Ramirez geschrieben, den Mann, der das Trollface erfunden hat. 2008 feierte das Gesicht seine Premiere in einem Anti-Trolle-Comic, den der heute 24-Jährige im Videospielbereich von 4Chan hochgeladen hat. «Ich bin danach einfach ins Bett gegangen», erinnert sich Ramirez. «Als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, sah ich, dass das Bild in einer Reihe anderer Diskussionen verwendet worden war.»
Das war nur der Anfang. In den folgenden Monaten verbreitete sich das in MS Paint gezeichnete Bild weiter und weiter, und zwar weit über 4Chan hinaus. Bis heute sind zahllose Variationen des Gesichts im Umlauf. Und das obwohl – oder vielleicht auch gerade – weil es nicht einmal besonders professionell aussieht. «Ich mache ein wenig Kunst, aber das war keine gute Zeichnung», sagt Ramirez. «Ganz sicher nicht mein beste Arbeit.»
Über 100'000 Dollar verdient
Für Ramirez hat sich das Comic-Zeichnen trotzdem gelohnt. 2010 hat der Amerikaner sein Werk beim amerikanischen Copyright Office angemeldet, seitdem kann dort jeder erfahren, dass er derjenige ist, der das Gesicht erfunden hat.
Ramirez hat im Laufe der letzten Jahre diverse Lizenzen zur kommerziellen Nutzung der Zeichnung ausgegeben, mal für mehr, mal für weniger Geld. Über die Jahre sind seiner Schätzung nach etwas mehr als 100'000 Dollar zusammengekommen. Zum Teil stritt er laut «Kotaku» auch mit Personen, die das Trollface ohne Genehmigung verwendeten, vor allem dann, wenn die Nutzer auf diese Weise Geld verdienten.
«Wenn jemand dadurch keine grosse Summe verdient, denke ich mir, das ist keine grosse Sache», sagt Ramirez. «Wenn aber ein Videospiel auf einer grossen Plattform rauskommt, in dem mein Bild auftaucht, dann kann ich das kaum ignorieren.»
Eine Idee seiner Mutter
Auf die Idee, sein Copyright anzumelden und durchzusetzen, wurde Ramirez von seiner Mutter gebracht. Mit 18 lebte er noch bei seinen Eltern und verheimlichte diesen zunächst, dass er für eines der bekanntesten Internetphänomene verantwortlich ist. Ramirez wusste nicht, wie sein Vater und seine Mutter reagieren würden, deshalb hatte er nur seine jüngere Schwester eingeweiht.
Seine Sorge erwies sich letztlich als unbegründet: Als Ramirez' Mutter vom Trollface erfuhr, sei sie unglaublich stolz auf ihren Sohn gewesen, heisst es bei «Kotaku». Sie habe sogar ein Trollface auf eine Wand des Hauses gesprüht – eine Idee, die Ramirez' Vater nicht so gut fand.
«Er war schon wütend», erinnert sich Carlos Ramirez. «Es ist immer noch da. Und es wird garantiert noch einige Jahre da bleiben.» (mbö)