Der Kunde ist König. Doch wenn der Kunde Ketchup über das perfekt grillierte, raffiniert gewürzte Poulet mit Kräuter-Tartine als Beilage kippen will, dann ist er kein König mehr, sondern ein kulinarischer Barbar.
Dieser Meinung ist Xavier Duclos, Chef des Mad Fresh Bistro in Fort Myers im US-Bundesstaat Florida. Darum hat er allen Restaurant-Besuchern das Ketchup verboten, die älter als zehn Jahre sind. Seine Begründung: Seine Gäste sollen seinen Kochkünsten vertrauen.
Die Story wurde auf Yahoo mehr als 1700 Mal kommentiert. Dabei halten sich Befürworter und Gegner der Ketchup-Verwendung die Waage. Hier der Kommentar eines Ketchup-Liebhabers, der aber weiss, wann die Würz-Sauce erwünscht ist und wann nicht:
Verehrte Leserschaft, ich (Ketchup-Liebhaber) stehe hier auf der Seite des Kochs. Klaubt man sich einen Burger oder eine Wurst direkt vom Grill und verspürt Lust, dem Fleisch etwas Ketchup (oder Barbecue-Sauce oder Senf oder Chilisauce oder was auch immer) beizufügen, dann nur zu! Bestellt man aber im Spezialitäten-Restaurant ein Steak mit hausgemachter Kräuterbutter und blanchierten Cime di Rapa mit Olivenöl-Zitronensaft-Dressing als Beilage, hat das Ketchup hier nichts verloren.
Soll ein Gericht eine spezifische Geschmackskombination aufweisen, dann soll man jene nicht mit der süss-sauren (und meistens kalten) Tomatendicksauce übertünchen, so die simple Regel.
Und überhaupt! Wenn wir gleich dabei sind, wären da noch ein paar weitere Mödeli, die ein Restaurant seinen Gästen austreiben könnte. Zum Beispiel:
In Italien ist man sich einig: Löffel sind für Kinder.
Spaghetti werden mit der Gabel gegessen, basta. Ja, vor langer Zeit einmal benutzten arme süditalienische Bauernfamilien Löffel und Gabel, um sich die Pasta aufzurollen – dies, weil man um den einen gemeinsamen Topf sass und direkt daraus ass (eine interessante Fussnote der Ethnologie, meinetwegen). Bekommen Sie einen Teller vorgesetzt, dann gibt es keinen Grund mehr, einen Löffel zu benutzen.
Spaghetti schneiden? Sind Sie ein Kleinkind? Na also. Werden Sie mal erwachsen!
Diese Streuwürze aus gemahlenen Kuhhörnern und MSG ist quasi das Schweizer Pendant zum Ketchup. Und man glaubt es kaum, aber Mitarbeiter von mitunter eher schicken Restaurants wissen immer wieder davon zu berichten, dass Gäste nach Aromat fragen. Analog wie beim Ketchup, also: Hey, der Koch hat sich etwas bei der Zubereitung dieses Gerichts überlegt; da muss man nicht nachträglich mit TV-Snack-Würze korrigieren.
In einen guten Espresso gehören weder Rahm noch Milch. Anders verhält es sich mit dem Zucker: Mit oder ohne ist reine Geschmackssache ... Und wenn wir gleich dabei sind:
Capuccino trinkt man zum Frühstück. Und danach bis spätestens 10:30 Uhr (11 Uhr, wenn man ein Langschläfer ist). Danach gibt es nur noch Caffè, also Espresso.
Wir haben eine Jahrtausend alte Esskultur, welche unter anderem die wunderbare Paarung von Wein mit Hauptmahlzeiten hervorgebracht hat. Das haben bereits die alten Römer so gemacht. Solch schöne Traditionen soll man wahren.
Sie bestellen das 50-fränkige Rindsfilet im Restaurant und wollen, dass jeglicher Saft und alle Zartheit rausgebraten wird? Ach, Sie mögen den Geschmack von halbrohem Fleisch nicht so sehr? Dann kippen Sie doch einfach ein wenig Ketchup drüber!
Hier komme ich selbst arg in Bedrängnis, betreibe ich doch genüsslich das Hobby, meine täglichen Essgewohnheiten auf dem Web zu dokumentieren. Trotzdem glaube ich, dass jeder Restaurant-Besuch ungemein davon profitiert, wenn Sie ihr Handy in der Tasche lassen. Vielleicht kommen Sie auf diese Weise dazu, mehr mit ihrem Gegenüber zu plaudern; mehr den Geschmack des Gerichts, des Weins, wahrzunehmen. Vielleicht werden Sie danach dazu verleitet, nochmals ein Glas Wein zu bestellen. Oder einen Nachtisch. Oder einen Whisky zum Abschluss. Vielleicht wird der Abend dadurch so richtig, richtig genüsslich!
Nein, solche Verbote wären keineswegs Einschränkungen der Gästewünsche. Sie wären Ansätze, sich dem Genuss ganz hinzugeben.