Die UBS beteiligt sich an einem Blockchain-Labor in London, die CS gründet in Asien eine digitale Bank. Es tut sich was in der Schweizer Bankenszene, aber nicht nur bei den Grossen: Die Basellandschaftliche Kantonalbank ist führend auf dem Gebiet des Crowdfunding und die Glarner Kantonalbank darf sich gar rühmen, die führende digitale Bank des Landes zu sein. Was geht hier ab?
Die Schweizer Banken geraten einmal mehr unter Druck. Diesmal müssen sie sich nicht gegen geklaute Daten-CDs oder das US-Justizministerium zur Wehr setzen. Die Gefahr heisst Fintech, die zunehmende Digitalisierung der Bankgeschäfte und ihre Verlagerung ins Internet.
«Disruption» heisst das neue Zauberwort. Darunter versteht man die Tatsache, dass der technische Fortschritt die bestehende Wirtschaftsordnung immer heftiger in ihren Grundfesten erschüttert. Die einst blühende Musikindustrie gibt es nicht mehr, der Buchhandel liegt im Sterben, Zeitungen sind in der Obhut von Palliative Care und der Detailhandel leidet unter ersten Schüttelfrösten.
Nun wird auch die Finanzindustrie zunehmend «disruptiert». «Die Tech-Giganten wollen euren Lunch essen», warnte David Rowan vom «Wired»-Magazin die Teilnehmer einer Fintech-Konferenz im Zürcher Hotel Dolder. Eingeladen hatte die Zeitung «Finanz und Wirtschaft».
Rowan spielt darauf an, dass sich Unternehmen wie Facebook, Google und Apple immer öfters auch im Finanzbereich ausbreiten. Und warum auch nicht? Im riesigen Netzwerk von Facebook kann man nicht nur lustige Videos austauschen, sondern auch Bezahlungen abwickeln, Kredite erteilen und Kapital für ein Startup sammeln. Und mit dem iPhone kann man bald viel bequemer bezahlen als mit Bargeld oder mit Plastik.
Nicht nur die bestehenden IT-Giganten machen den Banken das Leben schwer. Immer mehr agile Startups drängen ebenfalls ins Geschäft und nibbeln an den Margen der Banken. Im Internet entstehen Chatrooms, wo Vermögensverwalter ihre Strategien gegen eine kleine Gebühr offenlegen, wo Portfolios zu einem Bruchteil der Ansätze der Privatbanken betreut und beim Peer-to-Peer-Lending Kredite zu günstigen Konditionen gesprochen werden. «Das Businessmodell verändert sich komplett», erklärte Urs Rohner, VR-Präsident der CS, und bekannte offen: «Die hiesige Finanzindustrie hat dies verschlafen.»
Finanzkrise und der Steuerstreit mit den USA haben die Schweizer Bankenszene gelähmt. In London beispielsweise ist Fintech viel weiter fortgeschritten als bei uns. Jetzt macht man sich daran, aufzuholen. Dabei ist man bereit, neue Wege zu gehen. «Wir stellen jetzt Psychologen und Designer ein», erklärt beispielsweise Marco Abele von der CS.
Neue Businessmodelle sind kein Hobby von technikbegeisterten Bankern, sie sind dringend notwendig geworden. So beklagt etwa die NZZ eine «Balkanisierung des Bankgeschäfts» und legt den Finger auf den wunden Punkt: Die Eigenkapitalrendite der UBS ist letztes Jahr auf 7,2 Prozent, diejenige der CS auf 4,4 Prozent gesunken. Vor der Finanzkrise lag der Richtwert noch beim von Josef Ackermann immer wieder vollmundig propagierten 25 Prozent.
Unter der mickrigen Eigenkapitalrendite leiden nicht nur die Schweizer Banken. Weltweit klagen Aktionäre über mangelnde Performance, während in der Fachpresse harsche Kritik geübt wird. Der «Economist» stellte jüngst das Modell der globalen Universalbank generell in Frage, und die «Financial Times» rüffelte: «Die Universalbanken sind, um es höflich auszudrücken, eine Enttäuschung.»
Wie aber wird die Bank der Zukunft aussehen? Das Smartphone wird eine entscheidende Rolle spielen. Heute schon glaubt ein Drittel der jungen Amerikaner, dass sie keine Bank mehr brauchen werden. Ob Zahlungsverkehr oder Hypothekarkredit – alles wird online und in Echtzeit abgewickelt werden. Brett King stellt in seine Buch «Breaking Banks» fest: «In Zukunft wird es keine Rolle mehr spielen, wer das beste Finanzinstitut ist, sondern welche Finanz-Apps am besten sind.»
An dieser Zukunft werkeln auch hierzulande immer mehr kreative Jungunternehmer. Gegen 100 Startups gibt es inzwischen in der Schweizer Fintech-Szene. Und das ist erst der Anfang. Die eigentliche Disruption steht erst bevor. Sie wird von Kryptowährungen wie Bitcoins kommen.
Die IT-Enthusiasten gehen davon aus, dass die Blockchains – sich selbst aufdatierende Datenbasen – bald ein neues Finanzzeitalter einläuten werden. David Rowan warnt deshalb, sich Illusionen zu machen. «Nationale Regulierungen und Gesetze werden euch nicht schützen», erklärte er den versammelten Bankern.