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Warum die Goldinitiative an den Fluch des König Midas erinnert

Der Mann mit dem goldenen Finger: König Midas.
Der Mann mit dem goldenen Finger: König Midas.Bild: Shutterstock
Die Zukunft des Geldes

Warum die Goldinitiative an den Fluch des König Midas erinnert

Die führenden Köpfe der Goldinitiative machen sich zu Recht Sorgen um die Stabilität des bestehenden Finanzsystems. Doch ihre Lösung führt in die Irre und macht alles noch schlimmer. Warum versuchen wir es nicht mit einem Vollgeldsystem?
22.11.2014, 20:1924.11.2014, 06:34
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Der König Midas der griechischen Mythologie soll ein gieriger und etwas dummer Mann gewesen sein. Deshalb hat er sich gewünscht, dass alles, was er berührt, zu Gold werden soll. Man soll bekanntlich vorsichtig sein, was man sich wünscht. Midas’ Wunsch ging in Erfüllung, und die Folge dessen war, dass er sehr reich wurde – und verhungerte. 

Die Goldinitiative will zwar nicht alles in Gold verwandeln, aber immerhin die Nationalbank verpflichten, 20 Prozent ihrer Devisenreserven in Edelmetall zu halten. Auch das weckt Begehrlichkeiten. Als erste Umfragen zeigten, dass die Schweizer Bevölkerung sehr viele Sympathien für die Goldinitiative hat, schoss der Goldpreis in die Höhe und der Wechselkurs Franken/Euro näherte sich bedrohlich der von der Nationalbank vorgegebenen Verteidigungslinie von 1.20 Franken. Als die jüngsten Meinungsumfragen ergaben, dass sich die Schweizer eines Besseren besonnen hatten, stürzte der Goldpreis wieder ab.

Warum die Spekulanten profitieren würden

Dass selbst die kleine Schweiz den Goldpreis derart massiv beeinflussen kann, ist nicht erstaunlich. Die Menge des gelben Metalls ist beschränkt. Ende 2013 war alles Gold der Welt rund 6000 Milliarden Dollar wert. Angenommen, die Welt würde sich entschliessen, zu einem Goldstandard zurückzukehren – alle Papierwährungen müssten also mit Gold gedeckt sein – dann würde sich der Goldpreis über Nacht verzehnfachen. Das schreibt Martin Wolf, Chefökonom der «Financial Times», in seinem Buch «The Shifts and the Shocks». «Davon würden einzig Goldspekulanten und Minenbesitzer profitieren», stellt Wolf klar. «Wer kann das schon wollen?»

Spekulanten selbstverständlich, und es ist so gesehen kein Zufall, dass ausgerechnet der bekannteste Schweizer Spekulant, Marc Faber, sich für die Goldinitiative ausspricht. 

Dr. Doom: Der Spekulant Marc Faber.
Dr. Doom: Der Spekulant Marc Faber.Bild: KEYSTONE

Die Initianten der Goldinitiative jedoch sind keine Spekulanten. Sie machen sich Sorgen darüber, dass das bestehende Finanzsystem sehr instabil geworden ist. Diese Sorgen sind berechtigt. Derzeit leben wir in einem Mischsystem: Der grösste Teil des Geldes wird von den privaten Banken mittels Krediten geschöpft. Kommt es zu einer Krise, wird dieses so genannte Fiat-Money von den Zentralbanken gestützt. 

Banken sind genauso wichtig wie elektrischer Strom

Dieses System ist jedoch sehr wackelig. Seit den 1980er Jahren hat es weltweit sechs bedeutende Finanzkrisen gegeben. Zwischen 1970 und 2011 wurden insgesamt 147 Bankkrisen gezählt. 

«Langfristig gesehen sind die Auswirkungen eines Krieges auf das Bruttoinlandsprodukt weniger schlimm als die einer grossen Finanzkrise.»
Martin Wolf, Chefökonom «Financial Times»

Das Bankensystem wird oft mit dem Stromsystem verglichen. Störungen in beiden Systemen haben drastische Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft. Mit Finanzkrisen ist daher nicht zu spassen. «Langfristig gesehen sind die Auswirkungen eines Krieges auf das Bruttoinlandsprodukt weniger schlimm als die einer grossen Finanzkrise», stellt Wolf fest. 

2008 kam es beinahe zur Kernschmelze des Finanzsystems

Auch wenn wir in der Schweiz wenig davon spüren: Die aktuelle Krise ist eine grosse Krise, die schlimmste seit der Grossen Depression der 1930er Jahre. Im Herbst 2008 sind wir nur ganz knapp einer Kernschmelze des internationalen Finanzsystems mit katastrophalen Folgen entronnen. Deshalb werden nun weltweit grosse Anstrengungen unternommen, das Finanzsystem zu stabilisieren. 

Nebst einer schärferen Überwachung der Banken stehen dabei zwei Dinge im Vordergrund: Die Banken müssen ihr Eigenkapital erhöhen, um höhere Sicherheitspuffer im Krisenfall zu haben, und sie müssen einen Plan vorlegen, wie sie im Krisenfall geordnet bankrott gehen können. Dabei wird davon ausgegangen, dass das System von Fiat-Money der Banken und einer Zentralbank als «Kreditgeber in letzter Instanz» auch weiterhin Bestand haben wird. 

«Banken verteidigen in Wirklichkeit nur das Privileg der privaten Geldschöpfung der Banken und den damit verbundenen Gewinn.»
Thomas Mayer, ehemaliger Chefökonom der Deutschen Bank

Doch genau das kann man mit guten Gründen bezweifeln. So fordert der ehemalige Chefökonom der Deutschen Bank, Thomas Mayer, in seinem soeben erschienenen Buch «Die neue Ordnung des Geldes», dass den Banken generell verboten wird, per Kredit selbst Fiat-Money zu schaffen. Eine höhere Eigenkapitalquote würde, so Mayer, das System nur ändern, aber nicht abschaffen. Die Kritiker der Banken «verteidigen in Wirklichkeit nur das Privileg der privaten Geldschöpfung der Banken und den damit verbundenen Gewinn.» 

Gold macht das Bankensystem noch instabiler 

Mayer fordert daher eine Rückkehr zu einer nicht manipulierbaren Form von Warengeld. Gold ist eine mögliche Option. Auch die Initianten wollen mit einer teilweisen Golddeckung den Franken sicherer machen. Die Rechnung geht jedoch nicht auf. Gold würde zwar den Franken vor Entwertung schützen – unter dem Goldstandard ist Inflation nicht möglich –, es würde aber auch das Bankensystem noch instabiler machen. Das zeigt die Geschichte. 

Arbeitslose während der Grossen Depression.
Arbeitslose während der Grossen Depression.Bild: AP

Unter dem Goldstandard waren Bankenkrisen sehr häufig. Immer wieder kam es zu so genannten «Bank Runs», will heissen: Die Sparer stürmten die Banken und wollten ihre Einlagen sofort abheben, weil sie kein Vertrauen mehr hatten. Selbst die gesündeste Bank überlebt einen solchen Run nicht. «Die Vorstellung, dass die Welt zu Gold gedeckten Währungen oder gar einem internationalen Goldstandard zurückkehren wird, ist eine Phantasie», schreibt Wolf. «Es wird nie passieren, und angesichts des Desasters, das der Goldstandard nach dem Ersten Weltkrieg verursacht hat, darf es auch nie mehr passieren.» 

Soll die Schweiz ein überdimensioniertes Monaco werden?

Ein Alleingang in Sachen Gold hätte für die Schweiz ebenfalls katastrophale Auswirkungen. Wegen eines tendenziell zu harten Frankens muss die Exportwirtschaft seit Jahrzehnten hart gegen die internationale Konkurrenz ankämpfen, eine teilweise Golddeckung würde den Franken noch härter machen und den Werkplatz ernst- und dauerhaft in Schwierigkeiten bringen. Ausser reichen Rentnern und Vermögensverwaltern kann niemand daran ein Interesse haben. Die Schweiz würde zu einem überdimensionierten Monaco werden.

Ulrich Schlüer beim Einreichen der Goldinitiative.
Ulrich Schlüer beim Einreichen der Goldinitiative.Bild: KEYSTONE

In ihrem Bemühen, das Geld gegen Inflation zu sichern, übersehen die Initianten der Goldinitiative, dass sie damit das Finanzsystem als Ganzes instabiler machen. Ulrich Schlüer, einer der drei federführenden Initianten, argumentierte in der «Arena» geradezu rührend, die Nationalbank könne den Frankenkurs von 1.20 gerne weiter verteidigen, sie müsse aber aufhören, Euros zu kaufen und ihre Bilanz wieder verkürzen. Dummerweise verlängert die Nationalbank mit Eurokäufen ihre Bilanz aus einem einzigen Grund: Um den Frankenkurs von 1.20 zu verteidigen.

Der Chicago-Plan

Nach dem Kollaps des Goldstandards in den 1930er-Jahren unterbreiteten ein paar Ökonomen der Universität Chicago dem damaligen US-Präsidenten Franklin Roosevelt einen Plan. Er sah vor, dass die privaten Banken künftig kein Fiat-Money mehr schaffen, sondern einzig noch Geld verleihen durften, das ihnen Sparer anvertraut oder die Zentralbank geliehen hatte.

Der Plan schlägt zwei Fliegen auf einen Streich: Zum einen wird so eine unkontrollierte Aufblähung der Geldmenge durch unvorsichtige Bankkredite verhindert, zum anderen fliesst dem Staat dank der so genannten Seigniorage viel Geld zu. Will heissen: Die jetzt von privaten Banken erzielten Gewinne werden über die Zentralbank vergemeinschaftet. 

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Wie die Schweiz dreimal alle Staatsschulden zurückzahlen könnte

Der Chicago-Plan scheiterte am erbitterten Widerstand der Banken. Heute feiert er ein Comeback. In der Schweiz werden gegenwärtig Unterschriften für die Vollgeldinitiative gesammelt. Sie verfolgt die gleichen Ziele wie der Chicago-Plan: Die Banken dürfen kein Fiat-Money mehr schaffen und die Seigniorage fliesst in die Staatskasse. Die Nationalbank schöpft nur noch so viel Geld, wie das Wirtschaftswachstum erfordert, Spekulation und Blasen werden damit verhindert. 

Auch der Steuerzahler profitiert von einem Vollgeldsystem. Derzeit muss er im schlimmsten Fall zähneknirschend Banken retten, weil sie «too big to fail» sind. Bei einem Vollgeldsystem hingegen kann er am Geldsegen der Zentralbank teilhaben. Joseph Huber, Finanzprofessor in Berlin und geistiger Vater der Vollgeld-Theorie, schätzt, dass allein die Umstellung auf einen modernen Chicago-Plan dem Staat Einnahmen von rund 600 Milliarden Franken bescheren würde. 

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Die Staatsschulden von derzeit rund 210 Milliarden Franken könnten so gleich mehrfach beglichen werden. Auch künftig würde der Staat dank der Seigniorage viel Geld einnehmen: Rund eine Milliarde Franken für jedes Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von einem Prozent.

Wir sind bloss eine Krise weit von einem ganz anderen Finanzsystem entfernt

Heute mag die Vorstellung eines Vollgeldsystems noch naiv erscheinen. Vielleicht wird es bald noch naiver sein, daran zu glauben, dass die bestehende Mischung aus privaten Banken mit Fiat-Money und staatlichen Zentralbanken noch lange überleben wird. Die Krise hat das Vertrauen in dieses System nachhaltig erschüttert, die Wut der Steuerzahler, die für die teilweise ans Kriminelle grenzenden Verfehlungen der Bankster geradestehen mussten, ist riesig. 

Das bestehende Finanzsystem ist höchstens notdürftig geflickt worden und bleibt angeschlagen, und die inzwischen hoch verschuldeten Staaten haben keine Möglichkeit mehr, bei der nächsten Krise nochmals im gleichen Stil rettend einzugreifen. So gesehen sind wir eine Krise von einem möglicherweise ganz anderen Finanzsystem entfernt – wie immer es auch aussehen mag.  

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4 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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samy4me
22.11.2014 22:15registriert Februar 2014
Guter Bericht!
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Zum Kommentar
4
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