Das am Dienstag errichtete Protestcamp der Fahrenden im Berner Wankdorf besteht nicht mehr; die Polizei hat es aufgelöst. Einige hundert Jenische hatten dort für mehr Stand- und Durchgangsplätze in der Schweiz protestiert. Die Stadt Bern hatte bereits am Mittwoch die Räumung des Areals beschlossen, weil das Terrain für die am Freitag startende Frühjahrsmesse BEA benötigt wird.
Die Fahrenden ihrerseits machten klar, dass sie auf dem Gelände verharren wollen, bis sich die Behörden ihren Anliegen annehmen. Nach mehrfachen Gesprächen mit den Fahrenden erteilte die Stadt Bern daraufhin der Berner Kantonspolizei den Befehl zur Räumung. Für die Polizei sei es «kein angenehmer Auftrag, aber einer, den die Polizei erfüllen muss», sagte der Kommandant der Berner Kantonspolizei, Stefan Blättler.
Am Nachmittag stellte die Polizei den Fahrenden ein Ultimatum, den Platz innert zehn Minuten zu räumen. Dieses liessen die Fahrenden verstreichen. In der Folge umstellte die Polizei das Gelände und nahm umfangreiche Personenkontrollen in Angriff. Die Fahrenden wurden in eine Turnhalle nach Ittigen gebracht.
Zeitweise gingen die Emotionen bei den Fahrenden hoch, es flossen Tränen und das eine oder andere laute Wort fiel. Doch insgesamt verlief die Räumung kontrolliert und gewaltfrei. Die Kantonspolizei teilte am Abend mit, dass sie insgesamt 71 erwachsene und jugendliche Personen zur näheren Kontrolle nach Ittigen gebracht hatte. Nach der Überprüfung der Personalien wurden sie wieder auf die Kleine Allmend gebracht, wo sie Gelegenheit hatten, ihre Fahrzeuge vom Gelände zu holen. Danach begann sich die Kleine Allmend allmählich zu leeren. Die Polizei hat den erwachsenen Personen Campieren auf öffentlichem Grund der Stadt Bern während der Dauer der BEA untersagt.
Eine grössere Gruppe Jenischer hatte am Dienstag das Gelände in Bern-Wankdorf in Beschlag genommen. Die Gruppe kämpft für Lebensraum, der Fahrenden zustehe. Am Donnerstag hofften die Fahrenden zunächst noch, dass der Kanton ihnen einen Platz anbieten könnte. Doch die Hoffnung zerschlug sich. Der Kanton könne nicht sofort einen Platz für hunderte Fahrende aus dem Ärmel schütteln sagte der zuständige Regierungsrat Christoph Neuhaus auf Anfrage.
Der Kanton Bern verfügt seit 2011 über ein Konzept für Stand- und Durchgangsplätze für Fahrende. Der Kanton habe rund 50 mögliche Standorte geprüft und mit den Gemeinden Gespräche geführt. Die Ausbeute sei sehr bescheiden, ja ernüchternd, sagte Neuhaus. Dafür gebe es vielfältige Gründe. An manchen Orten dürften laut Neuhaus aber auch Ressentiments gegenüber Fahrenden eine Rolle gespielt haben.
Immerhin gabs einen Teddybär von @PoliceBern bei der Räumung: http://t.co/ySFQQQrZGL #Fahrende #Protestcamp
— Raphael Moser (@raphaelmoser) 24. April 2014
Der Mangel an Stellplätzen für Fahrende beschäftigt die Politik, nicht nur im Kanton Bern, schon lange. Derzeit gibt es landesweit 15 Standplätze und 45 Durchgangsplätze. Nötig wären 40 Stand- und 80 Durchgangsplätze. Mit der Ratifizierung eines Rahmenabkommens des Europarats verpflichtete sich der Bund schon 1998, die Lebensbedingungen der Schweizer Fahrenden als anerkannte nationale Minderheit zu verbessern. 2003 bestätigte das Bundesgericht, dass deren Bedürfnisse im Rahmen der Raumplanung zu berücksichtigen seien.
Vor allem im Bereich der Richtplanung einiger Kantone habe sich zwar tatsächlich einiges in Bewegung gesetzt, anerkennt die Stiftung «Zukunft für Schweizer Fahrende». Bei der Umsetzung scheitere der Wille zur Erstellung neuer Stand- und Durchgangsplätze aber meist an der fehlenden Akzeptanz bei der Bevölkerung der Standortgemeinde.
Auch der Bundesrat räumte 2012 in einem Bericht zur Umsetzung des Europarat-Abkommens ein, dass sich die Situation in den vergangenen Jahren nicht verbessert habe. Nach wie vor würden die Fahrenden von der Mehrheit häufig nicht als vollwertiger Bestandteil der Schweizer Bevölkerung wahrgenommen und litten unter Vorurteilen. Der Protest der Fahrenden in Bern löste in der Bevölkerung eine emotionale Debatte aus. Auf den Online-Portalen von Schweizer Medienhäusern fielen die Leserkommentare zum Protest sehr zwiespältig aus. (dhr/sda)