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Briefe von der Heimatfront

Schluss mit dem Terror der Deutschen Bahn!

Briefe von der Heimatfront (33)

Schluss mit dem Terror der Deutschen Bahn!

22.10.2014, 16:1123.10.2014, 17:13
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O, diese wunderbaren Schweizer Tunnels! Alles gibt es in ihnen, alles! Licht, Luft, Leben, Liebe! Grosszügige, bequeme und doppelt redundante Notfallwege! Gut ausgeschilderte Schutzräume! Wahrscheinlich gibt es in einigen Tunnels sogar hervorragend geführte Restaurants, die nur auf hungrige Unfallopfer warten. 

Und vor allen Dingen: Netz! WLAN! 4G! Durchgehend! Internet, Download, «Bild online», geht alles! In HD, Dolby und AVI, noch dreitausend Meter unter oder über der Erde! Noch nie habe ich es erlebt, dass es auf Schweizer Bahnlinien mehr als unbedeutende Unterbrechungen der Mobilverbindungen gegeben hätte, mit Ausnahme einiger rätselhafter schwarzer Löcher auf wenig genutzten und unmassgeblichen Nebenlinien wie Bern-Zürich. Die SBB ist wirklich und wahrhaftig eine Bahn des 21. Jahrhunderts. 

Dagegen herrscht in Deutschland ausserhalb der grossen Bahnhöfe sofort Funkstille. Die Kasseler Berge, die Brandenburger Einöde, das Niemandsland zwischen Hamburg und Berlin – sollte hier mal ein Zug liegenbleiben, müsste man schon Rauchzeichen geben, grosse Stapel der Bahnzeitung DB Mobil verbrennen, und hätte dennoch tagelang auf Rettung zu warten. In fünfzehn Jahren ist es der Deutschen Bahn nicht gelungen, zivilisatorische Mindeststandards auf ihren Strecken einzuführen! Statt dessen lässt man immer noch den Scientology-Ableger «Telekom» unfassbar überteuerte WLAN-Knoten in einigen wenigen Zügen installieren, wo die Minute 1000 Euro kostet und für jeden Klick eine schriftliche Genehmigung der NSA eingeholt werden muss. In den meisten Regionalbahnen gibt es nicht einmal Steckdosen! 

Ja, man kann sagen, dass die Deutsche Bahn im Wesentlichen immer noch ein Betrieb des 19. Jahrhunderts ist, was man schon an den brutalen Arbeitskämpfen sieht. Während sich die Schweizer in der Pflicht sehen, noch in die tiefsten Stollen und auf die höchsten Berge die Fackel der Zivilisation zu tragen – nämlich: Bahnschienen! Mobilfunkmasten! Migrolinos! – ist in Deutschland die Drohung mit dem Zivilisationsbruch Standard in allen Auseinandersetzungen. Nicht nur lassen die streikenden Lokführer die Ferienträume der Restbevölkerung platzen, auch die Bahn selbst bedroht ihre Gäste, durch sträflichen WLAN-Entzug, und zwar pausenlos: Nur hier, im Zug, seid ihr vor den Gefahren der Wildnis draussen sicher – ohne uns könntet ihr hier nicht mal telefonieren! 

Wie diskret, die Schweiz!

Wie diskret dagegen die Arbeitskämpfe in der Schweiz! Sie finden allem Anschein nach in der Hauptsache nach Feierabend statt, wenn es keinen stört, in jedem Fall hat noch keiner meiner Schweizer Bekannten jemals etwas davon mitbekommen. «Streiken? Ist das bei uns nicht verboten?» schreibt mir ein Kollege. Jedenfalls ist es für keine der beteiligten Parteien ein Grund, den allgemeinen Lebensstandard zu senken. Dass die Bahn regelmässig fährt, ist so unendlich viel wichtiger als kleinliche Belange wie Lohnzahlungen oder Pensionsregelungen! Und warum sollte man auch streiken? Es ist doch alles da, was man zum Leben braucht: nämlich eben Bahnschienen, Mobilfunkmasten, Migrolinos! Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, gewissermassen. Bei der Assimilation Schweizer Tugenden durch die deutschen Kolonisten hat diese grundsätzliche Einstellung zum Arbeitskampf jedenfalls oberste Priorität. WLAN statt Pensionen!

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Leo Fischer
Der ehemalige Chefredaktor vom Satiremagazin «Titanic» schreibt jede Woche einen «Brief von der Heimatfront». Er liefert den deutschen Invasoren in der Schweiz Schlachtpläne, wie sie die deutsche Dominanz in den Universitäten oder dem Gesundheitswesen noch stärker durchsetzen und festigen können. Er wird aber auch seinen Landsleuten mit ordentlich Humor grob aufs Dach hauen.



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Der Ort, an dem die Frauen baggern
Ich war für ein Wochenende in Davos und habe eine kleine Analyse und eine Nummer für euch mitgebracht.

Wer in Zürich jemanden kennenlernen will, so im echten Leben, in einer Bar oder einem Club, ich rede hier nicht von den ganz verrückten Dingen, die nur in Filmen passieren, wo sich Leute am helllichten Tag auf dem Trottoir kreuzen und so verzaubert sind, dass sie umdrehen und einander auf der Stelle ehelichen, nein, ich rede hier vom billigbanalen, promillebedingten Ansprechen an Orten, wo man sich kaum sieht und hört, davon rede ich, und auch das passiert in Zürich nie. Mir nicht, meinen Freundinnen und Freunden nicht und dir ganz bestimmt auch nicht. Ausser vielleicht, du siehst aus wie Jennifer Lawrence. Aber wer sieht schon aus wie Jennifer Lawrence? Eben.

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