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Hyposensibilisierung gegen Pollenallergie: Wann ist eine Therapie sinnvoll?

Anhand von Tests werden die Allergene bestimmt.
Anhand von Tests werden die Allergene bestimmt.Bild: Dorling Kindersley

Hyposensibilisierung gegen Pollenallergie: Wann ist eine Therapie sinnvoll?

Die Pollansaison ist in vollem Gange. Viele Allergiker fragen sich, ob und wann eine Hyposensibilisierung sinnvoll sei. Müssen die Allergene immer gespritzt werden? Ein Allergologe erklärt, wie die Therapie funktioniert und welche Nutzen und Risiken sie hat. 
18.04.2015, 17:17
frederik jötten
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Bei der Hyposensibilisierung bekommt ein Allergiker meist in Spritzenform Allergene, gegen die er reagiert. So soll er sich an die Stoffe gewöhnen. Ist das sinnvoll?
Kleine-Tebbe: Die Immuntherapie mit den individuellen Allergenen ist die einzige Möglichkeit, den natürlichen Verlauf der Allergie zu beeinflussen. Alle anderen antiallergischen Medikamente bekämpfen nur die Symptome.

Müssen die Allergene dafür gespritzt werden?
Auf jeden Fall werden dem Körper zur Hyposensibilisierung recht hohe Dosen von Allergenen zugeführt. In der Vergangenheit war das nur durch Spritzen möglich, die zuerst wöchentlich, dann monatlich gegeben wurden und das über mindestens drei Jahre. Mittlerweile gibt es auch Kurzeit-Verfahren, bei denen das Präparat nur einige Monate lang vor der Pollensaison injiziert wird.

Zur Person

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Jörg Kleine-Tebbe
hat zum Thema Allergien habilitiert, ist Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Allergologie sowie Mitbegründer des Allergie- und Asthma-Zentrums Westend in Berlin-Charlottenburg. Ausserdem ist er Autor des Fachbuchs «Allergologie in Klinik und Praxis» (Thieme). 

Es bleibt eine aufwendige Therapie, weil man sehr oft zum Arzt muss. Gibt es dazu keine Alternativen?
Es gibt mittlerweile auch Präparate, bei denen diese Allergenmengen täglich selbst von den Patienten eingenommen werden können. Das sind Tropfen, die unter die Zunge geträufelt werden oder speziell für Gräser so genannte Gräserpollen-Tabletten. Auch sie werden unter die Zunge gelegt. Diese sublinguale Immuntherapie, abgekürzt Slit, wird in Zukunft auch für andere Allergien eine Rolle spielen, etwa zur Behandlung der Hausstaubmilbenallergie.

«Es gibt mittlerweile auch Präparate, bei denen diese Allergenmengen täglich selbst von den Patienten eingenommen werden können. Das sind Tropfen, die unter die Zunge geträufelt werden oder Tabletten.»
Jörg Kleine-Tebbe, Allergologe

Ist sie genauso wirksam?
In Studien ist gezeigt worden, dass diese Tabletten sehr überzeugend die Symptome der Gräserpollen-Allergie lindern, wenn sie vier Monate vor der Saison gegeben werden. Die Patienten müssen dann deutlich weniger Medikamente einnehmen. Es gibt zwar keine Vergleichsstudien zur Injektion der Allergene, aber wir gehen davon aus, dass die Effektivität ähnlich ist. Wir wissen, dass nach dreijähriger Slit-Therapie die Beschwerden für mindestens zwei Jahre ausbleiben. Das Ziel ist aber eine langfristige Besserung und dass es nicht zu Asthma kommt. Ob die sublinguale Therapie das leisten kann, können wir erst in ein paar Jahren beantworten, wenn entsprechende Untersuchungen ausgewertet worden sind.

Für die Injektionstherapie ist die Wirksamkeit nachgewiesen?
Diese Therapieform gibt es schon seit über 100 Jahren. Allerdings ist die Dokumentation der Wirksamkeit und Sicherheit recht unterschiedlich. Kurz vor Weihnachten 2014 wurde in Deutschland die Leitlinie zur spezifischen Immuntherapie aktualisiert und erstmalig mit zusätzlichen Online-Tabellen versehen. Sie listen die verfügbaren Präparate zur Hyposensibilisierung und die vorhandenen Studien auf. So kann jeder sich rasch einen Überblick zur aktuellen Datenlage verschaffen.

Allergiezentrum Schweiz
Das Allergiezentrum Schweiz (aha) hat in einer Broschüre zur Immuntherapie das Wichtigste zusammengefasst.
«Insgesamt ist die sublinguale Immuntherapie sicherer als die Injektion der entsprechenden Allergene.»
Jörg Kleine-Tebbe, Allergologe

Allerdings gibt es bei dieser Therapie die Gefahr, dass Patienten einen allergischen Schock erleiden.
Bei der subkutanen Therapie, kurz Scit, werden Spritzen unter die Haut in das Fettgewebe injiziert. In seltenen Fällen können unerwartet heftige allergische Reaktionen ausgelöst werden. Deshalb sollen die Patienten nach der Therapie eine halbe Stunde in der Praxis warten, damit der Arzt notfalls antiallergische Mittel geben kann. Diese Komplikationen gibt es bei der sublingualen Therapie sehr viel seltener als bei den Injektionen. Dort kommt es allerdings in den ersten zwei bis drei Wochen häufig zu Juckreiz und Schwellungen in der Mundhöhle, die nur kurzfristig auftreten. Insgesamt ist Slit sicherer als Injektion der entsprechenden Allergene.

Wann sollte man mit der Hyposensibilisierung anfangen?
Es wird empfohlen, spätestens vier Monate vor der nächsten Saison anzufangen – die Gräserpollen fliegen ab Ende Mai, da könnte man im Winter noch einen guten Effekt erzielen. Aber die Hyposensibilisierung, ob als Injektion oder sublingual verabreicht, bringt auch noch eine gewisse Linderung der Symptome, wenn Patienten noch während der Allergie-Saison mit der Therapie anfangen.

«Im Idealfall beginnt man mit der Therapie vor der Pollensaison, behält sie währenddessen bei und beendet sie danach.»
Jörg Kleine-Tebbe, Allergologe

Ist es nicht gefährlich, wenn zu der Dosis aus der Hyposensibilisierung auch noch die Pollen aus der Natur kommen?
Nein, offenbar ist es nicht von Nachteil, wenn man zusätzlich zu den Medikamenten auch die Pollen aus der Natur aufnimmt. Im Idealfall beginnt man mit der Therapie vor der Pollensaison, behält sie währenddessen bei und beendet sie danach. Oder man zieht sie über das ganze Jahr.

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