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«Auch Geld ist etwas sehr Intimes»

Thomas Matter, im Sitz seiner Neuen Helvetischen Bank in der Zürcher Seefeldstrasse.
Thomas Matter, im Sitz seiner Neuen Helvetischen Bank in der Zürcher Seefeldstrasse.Bild: KEYSTONE
Interview mit Thomas Matter

«Auch Geld ist etwas sehr Intimes»

Nach dem CS-Deal soll der designierte SVP-Nationalrat vom Bankgeheimnis retten, was noch davon zu retten ist. Thomas Matter über Sinn und Unsinn des Unterfangens, die Stasi und Fairness. 
22.05.2014, 14:3015.07.2014, 16:14
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Wie läuft die Unterschriftensammlung für die Initiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre?» 
Thomas Matter: Sie läuft gut. 

Wie gut?
Ich werde keine exakte Zahl nennen, aber wir planen, die Unterschriften noch diesen Sommer einzureichen. 

Die CS muss in den USA 2,5 Milliarden Busse abliefern, bald kommen die Kantonalbanken dran. Die Franzosen machen in Scharen Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung. Das Bankgeheimnis ist nicht mehr zu rechtfertigen, tot. Halten Sie an Ihrer Initiative fest?
Ja, natürlich. Mehr denn je.  

Warum geben Sie mit der Initiative vor, die Privatsphäre des Bürgers vor dem Staat zu schützen, wenn es nur darum geht, den automatischen Informationsaustausch im Inland zu verhindern? 
Das mögen Sie so interpretieren, aber es geht um viel mehr, als um das Bankkundengeheimnis im Inland. Der Staat hat das natürliche Bedürfnis, so viel wie möglich über seine Bürger zu wissen. Je mehr der Staat über seine Bürger weiss, je mehr Informationen er hat, desto einfacher wird die Machtausübung. Das hat man schon bei der DDR gesehen. Wenn man nicht rechtzeitig Schranken aufbaut, dann ufern die Datensammlungen aus, wird die Sammelwut zügellos.  

Thomas Matter 
Der 48-jährige Baselbieter rückt für den zurückgetretenen SVP-Vizepräsidenten Christoph Blocher in den Nationalrat nach. Matter stammt aus Sissach (BL) und ist Banker. Er ist Geschäftsführer und Mitgründer der Neuen Helvetischen Bank in Zürich und hat die Kloten Flyers zusammen mit Denner-Erbe Philippe Gaydoul vor dem Konkurs bewahrt. Matter gilt als Antreiber der Initiative «Ja zum Schutz der Privatsphäre», die das Bankgeheimnis innerhalb der Schweiz aufrechterhalten soll.
National bekannt wurde Matter, weil er durch Medienberichte die Anteile an seiner Swissfirst Bank verkaufen musste. Matter ist Säckelmeister der Kantonalzürcher SVP und bekannt für Wahlkampf im VW-Bus. Er lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in Meilen. 

Ernsthaft? Sie vergleichen die Schweizer Steuerbehörden mit der Stasi?
Natürlich nicht eins zu eins, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Linken möglichst viel wissen wollen. Und zwar nicht zuletzt über die finanziellen Verhältnisse ihrer Bürger, weil man dann vermeintlich höhere Steuererträge generieren und mehr Mittel umverteilen kann. Bloss stimmt es natürlich nicht.

Nein? 
Nein. Wenn Leute wie Margrith Kiener-Nellen (NR, SP BE, Anm. d. Red.) behaupten, es würden in der Schweiz rund 18 Milliarden Franken an Steuern hinterzogen, dann stammt der grösste Teil dieser Steuerausfälle von Schwarzarbeit her. Nicht aus falsch deklarierten Vermögens- oder Einkommensverhältnissen. Ich sage mal, 99 Prozent der Schweizer sind steuerehrlich und es wäre unfair, wegen der übrigen ein Prozent sämtliche Bürger zu bespitzeln. Auch wenn die 18 Milliarden stimmen würden, dann würde unsere Initiative die nicht gross tangieren. Es geht uns auch nicht darum, Steuerhinterziehung zu decken. Kiener-Nellen hat übrigens für ihre Behauptung auch keine wissenschaftlich-empirische Basis.

Und Sie für Ihre Behauptung mit den 99 Prozent Steuerehrlichkeit im Inland? 
Ich habe sicher eine bessere empirische Basis als Frau Kiener-Nellen. Vielleicht keine wissenschaftliche, aber ich habe immerhin eine Bank und ich sehe, dass die Leute ihre Steuerausweise verlangen und teilweise sogar Steuererklärungen unaufgefordert mitschicken, wenn sie zu uns kommen.

Das scheint eine etwas dünne Datenbasis zu sein ... 
Ich bin ja nicht der Einzige, der das sagt. Selbst Eveline Widmer-Schlumpf lobt die überdurchschnittliche Steuerehrlichkeit der Schweizer, für die es ja mit der Verrechnungssteuer einen ziemlich harten Indikator gibt. Von diesen 35 Prozent aller Zinserträge, die die Banken direkt an die Steuerverwaltung überweisen, wird von den Kontoinhabern praktisch alles zurückgefordert. Und das ist ja nur möglich, wenn man die Erträge in der Steuererklärung korrekt angegeben hat. Die vier Milliarden, die nicht zurückgefordert werden, sind hauptsächlich auf Zinserträge ausländischen Kapitals zurückzuführen. Natürlich gibt es überall schwarze Schafe, aber ich würde mal behaupten, es gibt bei der IV mehr Betrüger als bei den Steuern, doch deswegen schaffen wir ja auch nicht die IV ab. 

Es geht ja auch nicht darum, irgendetwas abzuschaffen, sondern darum, den inländischen Steuerbehörden gleich lange Spiesse zu verschaffen wie den ausländischen. Warum sollen der amerikanische oder EU-Fiskus quasi automatischen Zugriff auf sämtliche Schweizer Bankdaten seiner Bürger haben, die kantonalen Finanzdirektionen aber nicht auf die Bankdaten ihrer Steuerpflichtigen?
Weil die kantonalen Finanzdirektionen oder die Eidgenössische Steuerverwaltung nicht der amerikanische oder der EU-Fiskus sind! Da liegt doch ein fundamentaler Unterschied im Verständnis der Beziehung zwischen Staat und Bürger vor. In der direktdemokratisch organisierten Schweiz partizipiert der Bürger unmittelbar an den Staatsgeschäften. 

Längst nicht an allen. 
Aber er hat Einfluss darauf, was mit seinen Steuergeldern passiert. Der Staat ist für den Bürger da und nicht umgekehrt. Das ist eine ganz andere Voraussetzung als in einer repräsentativen Demokratie. Dort zahlt man nicht so gerne Steuern, weil man nicht mitbestimmen kann, was damit passiert. Also optimiert man. Das wissen die Steuerbehörden und misstrauen ihren Steuerpflichtigen grundsätzlich. Das ist ein ganz anderes Bürger-Staat-Verhältnis, und ich finde, es ist ein schlechteres. Wollen Sie so eins?

Nein. Aber wenn die Steuerverwaltung weiss, wie viel ich zahlen muss, bedeutet das ja nicht den Untergang der direkten Demokratie. 
Nicht unmittelbar. Aber mit dem Bankkundengeheimnis fängt es doch erst an, das ist nur der erste Schritt. Auch Deutschland hatte bis 2000 ein Bankkundengeheimnis. Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung hat man dieses aufgeweicht. Heute haben praktisch alle Strafverfolgungs-, Steuer- und Staatsschutzbehörden unter relativ schwachen juristischen Restriktionen Zugriff auf Kontostände, Banktransaktionen und Kreditkartendaten. Ein von den Behörden selbst begründeter Verdacht reicht meist aus, um Einsichtsgenehmigungen zu erwirken. Damit werden auch das Arzt- und das Berufsgeheimnis aufgeweicht. Wenn man die Schleusen mal ein wenig öffnet, brechen bald auch die Dämme. 

Ja, aber warum soll ich als ehrlicher kleiner Steuerzahler etwas dagegen haben, wenn die Steuerbehörde die Konten aller Steuerzahler kontrollieren kann? Das stellt sicher, dass ich nicht betrogen werde von Leuten, die lieber tricksen. Es stellt maximale Fairness sicher. 
Viele Leute sagen ja auch: Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten. Wenn man sie dann fragt, ob sie auch nichts dagegen hätten, wenn der Staat in ihrem Schlafzimmer eine Kamera installieren würde, dann fehlt dann dieses Verständnis. Das sei ihre Privatsphäre, sagen die Leute dann, obwohl sie ja in ihren Schlafzimmern nichts Verbotenes tun. Und mit dem Bankkonto würde es ihnen ähnlich gehen. Auch Geld ist etwas sehr Intimes. 

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