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Wende bei #gerigate: Sollte Müller reingelegt und politisch entsorgt werden?

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#gerigate zieht Kreise

Wende bei #gerigate: Sollte Müller reingelegt und politisch entsorgt werden?

Geri Müllers Chat-Partnerin ist von «Leuten einer Organisation» gedrängt worden, die Chat-Protokolle den Medien zuzuspielen, sagt sie. Gleichzeitig verdächtigt Müller den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Baden, in die Affäre verwickelt zu sein. Wer und was steckt dahinter?
21.08.2014, 06:2921.08.2014, 13:43
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Es gibt starke Anzeichen dafür, dass in der Affäre um Geri Müllers Nackt-Selfie eine dritte Partei ihre Hände im Spiel hat. Müllers Ex-Geliebte bestätigt gegenüber dem Tages-Anzeiger, sie sei von «Leuten einer Organisation» gedrängt worden, ihnen das Material auszuhändigen. «Vor diesen Leuten hatte ich viel mehr Angst als vor Geri Müller. Sie haben mich stark unter Druck gesetzt.» Gegenüber «20 Minuten» erzählt die 33-jährige Gymnasiallehrerin, dass sie «einen Vertrauten suchte, der Geri in einem kritischen Licht sieht, um ihm von seinem Verhalten zu erzählen». Der «Geri-Kritiker» verlangte offenbar ein komplettes Backup ihres Handys, was sie aber abgesehen von ein paar Screenshots und Soundfiles, die sie sicherheitshalber doch weitergegeben habe, abgelehnt habe.

Die Frau gibt an, sie habe das belastende Material (Screenshots von Chat-Protokollen) der «Schweiz am Sonntag» nicht selber ausgehändigt. Die Zeitung hatte die Geschichte nach einem Polizeieinsatz vom 13. August publiziert. Die Chatpartnerin habe zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr an die Medien gelangen wollen, sei aber dazu gedrängt worden, gab sie zu Protokoll.

Die Ex-Geliebte wollte gar nicht mehr an die Medien gelangen, wurde aber dazu gedrängt.
Sacha Wigdorovits soll die Ex-Geliebte beraten haben. Bestreitet aber, die Protokolle weitergegeben zu haben.
Sacha Wigdorovits soll die Ex-Geliebte beraten haben. Bestreitet aber, die Protokolle weitergegeben zu haben.Bild: KEYSTONE

Die «Geri-Kritiker»-Spuren führen gemäss Recherchen des «Tages-Anzeigers» zum Zürcher PR-Berater Sacha Wigdorovits: Er soll den Kontakt zu den Medien hergestellt und die Chat-Protokolle zur Veröffentlichung angeboten haben. Wie «20 Minuten» schreibt, soll der Geri-Kritiker ein ganzes Netzwerk aktiviert haben. Unter anderem soll auch ein Politiker der CVP angesetzt worden sein, die Nackt-Selfie-Geschichte unter den Bundeshausjournalisten zu streuen: «Der Freund des ‹Geri-Kritikers› war sehr aggressiv und hat mich gepusht, der ‹Weltwoche› alles zu erzählen. Er sagte, wenn du das nicht tust, wird dich Geri durch den Dreck ziehen.»

Wigdorovits trat in öffentlichen Diskussionen als Israel-Vertreter mehrmals als Kontrahent des Palästinenser-Sympathisanten Müller an. Gegenüber watson streitet dies Wigdorovits ab: «Ich hab nie irgendwelchen Medien irgendwelche Protokolle angeboten.» Dies habe er bereits dem «Tages-Anzeiger» so gesagt.

Öffentliche Entschuldigung: Geri Müller an einer Medienkonferenz in Zürich am 19. August.
Öffentliche Entschuldigung: Geri Müller an einer Medienkonferenz in Zürich am 19. August.Bild: KEYSTONE

Müller verdächtigt Präsident der Isralischen Kultusgemeinde

Geri Müller selbst vermutet eine Beteiligung von Josef Bollag, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Baden. Offenbar steht ein SMS von Müllers Chat-Parnterin hinter der Vermutung: Sie erwähnt darin einen «Herr Bollag». Der Blick zitiert aus Müllers achtseitiger Strafanzeige gegen die Frau: 

«Bei besagtem ‹Herrn Bollag› handelt es sich voraussichtlich um Josef Bollag, den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Baden. Herr Bollag ist ein langjähriger politischer Gegner des Anzeigeerstatters. Er stört sich namentlich daran, dass der Anzeigeerstatter Mitglied der Gesellschaft Schweiz-Palästina ist und in einzelnen Sachfragen eine kritische Haltung gegenüber der Territorialpolitik Israels einnimmt.» 

Der Angegriffene verteidigt sich im «Blick». Er habe in dieser Angelegenheit nie Informationen an Medien weitergeleitet. Er erwäge eine Strafanzeige gegen Geri Müller und unbekannt. Bollag und Müller gerieten unter anderem bei der Wahl zum Badener Stadtammann-Amt aneinander: In einem öffentlichen Hearing mit den Kandidaten stellte Bollag die provokative Frage, ob wohl bei einer Wahl von Müller Extremisten nach Baden kämen und die Synagoge geschlossen werden müsste. Bollag und Müllers Ex-Geliebte kennen sich tatsächlich, wie der «Blick» schreibt: Sie soll sich an ihn gewandt haben, weil sie eine Stelle suchte. 

Politische Gegner liessen Müller bespitzeln

Bereits im Dezember 2012 versuchten politische Gegner, Geri Müller mit einer Schmierenkampagne zu Fall zu bringen. Kritiker liessen den grünen Nationalrat monatelang von einem Privatdetektiv bespitzeln. Mit den Informationen, die sie der «SonntagsZeitung» zuspielten, wollten sie Müllers Wahl zum Badener Stadtammann verhindern. Im Bericht wird laut der Zeitung etwa erwähnt, Müllers Grossvater sei aktives Mitglied der NSDAP gewesen. Geri Müller weist die Information als unhaltbar zurück.

Die Fäden der Operation seien bei einer regierungsnahen israelischen Organisation zusammen gelaufen, so ein Insider zur «SonntagsZeitung». (rey/kub)

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Zeit_Genosse
21.08.2014 07:29registriert Februar 2014
Jetzt wird es zum richtigen #gerigate mit unbestimmten Ausgang. Das entwickelt sich zu einer Krimivorlage. Erleben wir ein Buch das gar noch nicht geschrieben ist? Wo treffen sich Fiktion und Realität?
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länzu
21.08.2014 09:25registriert April 2014
Es wäre ja nicht das erste Mal, dass dieser profilierungssüchtige Sacha Wigdorovits in eine schmutzige Geschichte involviert ist. Mit ihm als Drahtzieher erhält natürlich die Vermutung, Herr Bollag könnte hinter der ganzen Geschichte stehen, kräftige Nahrung. Beide haben es nicht gerne, wenn Israel-kritische Meinungen in der Schweiz geäussert werden. Leider wird bei uns vermehrt eine kritische Haltung zu Israel mit Antisemitismus gleichgestellt. Und Sacha Wigdorovits weiss das sehr gut für sich zu nutzen
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sheimers
21.08.2014 08:01registriert April 2014
Sacha Wigdorovits hat auch schon selbst Artikel für die Schweiz am Sonntag geschrieben. z.B. einen am Samstag, den 24. November 2012 mit dem Titel "Nahost: Die Medien sind mitschuldig an den Toten"
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